Rz. 80
Allgemein vorbeugende Maßnahmen oder Aufwendungen für die Erhaltung der bestehenden Gesundheit können grundsätzlich nicht als außergewöhnliche Belastung abgezogen werden. Etwas anderes gilt nur dann, wenn diese medizinisch indiziert sind oder eine erbliche Vorbelastung besteht, die die Wahrscheinlichkeit der Erkrankung stark erhöht.
Bestehen konkrete Gesundheitsgefahren oder -belastungen durch Vermögensgegenstände des existenznotwendigen Bedarfs, sind die Kosten zur Sanierung und Neuanschaffung als außergewöhnliche Belastung abzugsfähig. Hierzu zählen die (gutachterlich nachgewiesene) Formaldehydemission sowie grundsätzlich die Asbestfreisetzung. Sind die von einem Gegenstand des existenznotwendigen Bedarfs ausgehenden konkreten Gesundheitsgefährdungen aber auf einen Dritten zurückzuführen und unterlässt der Stpfl. die Durchsetzung realisierbarer zivilrechtlicher Abwehransprüche, sind die Aufwendungen zur Beseitigung konkreter Gesundheitsgefährdungen nicht abziehbar. Zu fordern ist eine begonnene Freisetzung, die Beseitigung lediglich eingekapselter Giftstoffe gilt als Vorsorgemaßnahme und ist mithin nicht abziehbar. Aufwendungen für die Kostenbeteiligung an der Errichtung einer Lärmschutzwand vor einem selbst bewohnten Reihenhaus sind nur dann als außergewöhnliche Belastung berücksichtigungsfähig, wenn aufgrund einer Überschreitung der Lärm-Grenzwerte eine konkrete Gesundheitsgefährdung gegeben ist. Aufwendungen für die Sanierung eines mit Dioxin belasteten Grundstücks sind außergewöhnlich, wenn den Grundstückseigentümer kein Verschulden an der Belastung trifft, diese für ihn zum Zeitpunkt des Grundstückserwerbs nicht erkennbar war und realisierbare Ersatzansprüche gegen Dritte nicht bestehen. Die Sanierungsaufwendungen können auch dann zwangsläufig sein, wenn keine bodenschutzrechtliche Verpflichtung zur Sanierung besteht, aber aufgrund der Dioxinbelastung konkrete Gesundheitsgefährdungen von dem Grundstück ausgehen. Zum existenznotwendigen Wohnbedarf kann auch das Hausgrundstück, soweit es nicht über das Notwendige und Übliche hinausgeht, gehören.
Rz. 80a
Zu beachten ist, dass lediglich angemessene Kosten zur Abwehr der Gesundheitsgefährdung als außergewöhnliche Belastung abgezogen werden können. In Bezug auf eine belastete Immobilie müsste daher eine sinnvolle und ggf. minimalinvasive Maßnahme gewählt werden. Das FG Baden-Württemberg hat m. E. zutreffend entschieden, dass bei einem durch Formaldehyd belasteten Gebäude, für das ein Sachverständigengutachten die Sanierung (Verfugung und Abdichtung) und Änderung der Belüftung empfiehlt, der komplette Abriss und Neubau kein solcher Aufwand ist, der als außergewöhnliche Belastung geltend gemacht werden kann.
Insbesondere im Bereich des existenziellen Grundbedarfs ist zwischen Kosten der privaten Lebensführung und außergewöhnlichen Belastungen zu differenzieren, damit erstere nicht zum Abzug gelangen.