Prof. Dr. Gerrit Frotscher, Prof. Dr. Christoph Watrin
6.2.1 Begriff der Entnahme
Rz. 307
Entnahmen sind alle Wertabgaben des Betriebs für betriebsfremde Zwecke. Diese Wertabgaben vermindern das Endvermögen des Wirtschaftsjahrs, in dem sie vorgenommen worden sind. Soweit der Gewinn als Differenz des Endvermögens des laufenden Wirtschaftsjahrs zum Endvermögen des vorangegangenen Wirtschaftsjahrs durch diese Wertabgaben aus betriebsfremdem Anlass gemindert worden ist, muss diese Minderung zum Zweck der richtigen Gewinnermittlung durch die Hinzurechnung des Werts der Entnahmen wieder ausgeglichen werden.
Voraussetzung für die Annahme einer Entnahme ist, dass entnahmefähige Wirtschaftsgüter, Nutzungen oder Leistungen vorliegen, deren Wert durch eine Entnahmehandlung für betriebsfremde Zwecke abgegeben wird.
Ein Wirtschaftsgut ist Betriebsvermögen, solange es betrieblichen Zwecken dient. Entnahme liegt vor, wenn bei einem entnahmefähigen Wirtschaftsgut oder bei Nutzungen der sachliche oder persönliche Zusammenhang mit dem Betrieb gelöst wird. Diese Lösung des betrieblichen Zusammenhangs setzt eine Entnahmehandlung voraus.
Rz. 308
Für das Vorliegen einer Entnahme trägt regelmäßig der Stpfl. die (objektive) Beweislast. Entnahmewille und Entnahmehandlung sind Umstände, die sich in seiner Sphäre abspielen; er hat dafür zu sorgen, dass diese Vorgänge klar dokumentiert werden. Unklarheiten gehen daher zu seinen Lasten.
6.2.2 Entnahmefähigkeit
Rz. 309
§ 4 Abs. 1 EStG zählt als Entnahmen Wirtschaftsgüter (aufgeführt als Beispiele Barentnahmen, Waren, Erzeugnisse), Nutzungen und Leistungen auf und umreißt damit den Umfang der Entnahmefähigkeit. Entnahmefähig sind daher nicht nur (materielle oder immaterielle) Wirtschaftsgüter, sondern auch Nutzungen und Leistungen.
Rz. 310
Für die Entnahmefähigkeit von Wirtschaftsgütern ist es grundsätzlich ohne Bedeutung, ob sie zum Anlage- oder Umlaufvermögen oder zum notwendigen oder gewillkürten Betriebsvermögen gehören, da Wirtschaftsgüter grundsätzlich sowohl dem Privat- als auch dem Betriebsvermögen zugeordnet werden können. Auch Gegenstände des notwendigen Betriebsvermögens können entnommen werden; dadurch endet die Nutzung für den Betrieb und gleichzeitig die Eigenschaft als notwendiges Betriebsvermögen. Nicht möglich ist es allerdings, eine Entnahme bei notwendigem Betriebsvermögen anzunehmen, wenn das Wirtschaftsgut anschließend weiterhin ausschließlich für die gleichen betrieblichen Zwecke genutzt wird. Es bleibt dann (trotz der beabsichtigten Entnahme) notwendiges Betriebsvermögen.
Es macht auch keinen Unterschied, ob es sich um ein materielles oder immaterielles Wirtschaftsgut handelt. Auch immaterielle Wirtschaftsgüter sind grundsätzlich entnahmefähig. Das Aktivierungsverbot für selbstgeschaffene oder unentgeltlich erworbene immaterielle Wirtschaftsgüter steht der Entnahmefähigkeit dieser Wirtschaftsgüter nicht entgegen.
Grundsätzlich macht es auch keinen Unterschied, ob die Wirtschaftsgüter zum Aktiv- oder Passivvermögen gehören. Allerdings ist die Entnahmefähigkeit von Verbindlichkeiten praktisch stark eingeschränkt (vgl. Rz. 313).
Rz. 311
Die Entnahmefähigkeit eines Wirtschaftsguts kann im Einzelfall oder nach der Natur des Wirtschaftsguts eingeschränkt oder beseitigt sein. Das ist der Fall, wenn das Wirtschaftsgut nur im betrieblichen Bereich existieren kann, es also bei Überführung in das Privatvermögen untergehen würde, oder wenn das Wirtschaftsgut so mit einem anderen Wirtschaftsgut des Betriebsvermögens verknüpft ist, dass es dessen Schicksal teilt. So ist etwa der (originäre oder derivative) Firmenwert untrennbar mit der betrieblichen Sphäre verbunden und daher nicht entnahmefähig.
Die Einschränkung der Entnahmefähigkeit muss sich aus der Natur des Wirtschaftsguts selbst ergeben, nicht aus der Bedeutung für den Betrieb. Auch gravierende Nachteile, die den Betrieb infolge der Entnahme treffen, führen nicht zu einer Einschränkung der Entnahmefähigkeit des Wirtschaftsguts. Ist ein Betrieb z. B. auf ein bestimmtes Grundstück angewiesen, und wird dieses entnommen, also nicht mehr betrieblich genutzt, ist die Entnahme wirksam, auch wenn dies praktisch die Einstellung der betrieblichen Tätigkeit erzwingt. Entsprechend bleiben Geldmittel entnahmefähig, auch wenn die Entnahme die Liquidität des Betriebs gefährdet.
Rz. 312
Betriebliche Forderungen sind grundsätzlich nicht entnahmefähig. Wenn die Forderung im betrieblichen Bereich begründet ist, ist auch ihre Abwicklung (Einziehung) zwingend dem betrieblichen Bereich zuzuordnen. Ausnahmsweise entnahmefähig kann eine nach Grund und Höhe unbestrittene Geldforderung sein, die sich in ihrem Wert und Charakter nicht von Bargeld unterscheidet. Ist die Forderung aber nach Grund und/oder Höhe bestritten, oder ist die Bonität des Schuldners zweifelhaft, kann dieses im betrieblichen Bereich begründete Risiko nicht in den privaten Bereich verlagert werden; die Forder...