Rz. 69

Die Steuerbescheinigung nach Muster I wird von Kredit- oder Finanzdienstleistungsinstituten an Privatanleger herausgegeben, die Einkünfte aus Kapitalvermögen i. S. v. § 20 EStG erwirtschaften. Zu anderen Einkunftsarten gehörende Kapitalerträge werden nach Muster III (Rz. 106ff.) bescheinigt.

 

Rz. 70

Die Steuerbescheinigung für Privatanleger ist grundsätzlich als Jahressteuerbescheinigung zu erteilen, weil nach Einführung der Abgeltungsteuer bei der Bemessung des KapESt-Abzugs sowohl Verluste als auch ausländische Steuern zu berücksichtigen sind. Da Verluste bzw. ausländische Steuern im Steuerabzugsverfahren nicht nur bei künftigen Erträgen berücksichtigt werden dürfen, sondern auch bei früheren Kapitalerträgen, steht im Zeitpunkt des Steuerabzugs noch nicht fest, ob der Steuerabzug endgültig ist. Insbesondere bei nachträglicher Verlustrealisierung wird die bereits einbehaltene KapESt dem Gläubiger im Zeitpunkt der Verlustrealisierung erstattet. Daher steht erst am Ende des Vz fest, wie hoch die KapESt und der danach bemessene SolZ sind.[1]

 

Rz. 71

Bei Treuhand-, Nießbrauch- und Notaranderkonten sowie Konten für Wohnungseigentümergemeinschaften lässt die Finanzverwaltung die Ausstellung von Steuerbescheinigungen für einzelne Geschäftsvorfälle zu. Dasselbe gilt für Tafelgeschäfte, bei denen gem. § 43a Abs. 3 S. 8 EStG eine Berücksichtigung von Verlusten oder ausländischen Steuern nicht zulässig ist.

 

Rz. 72

Steuerbescheinigungen können in Einzelfällen auch zeitraumbezogen erteilt werden, wenn sich die für den Gläubiger bei einem Kreditinstitut in der EDV hinterlegten Besteuerungsmerkmale ändern. Dies ist z. B. dann der Fall, wenn der Gläubiger ins Ausland verzieht oder ins Inland zuzieht und dadurch die unbeschränkte Steuerpflicht beendet oder begründet wird. Dasselbe gilt, wenn das Kreditinstitut nachträglich von der Scheidung von Eheleuten erfährt und einen zuvor von diesen erteilten gemeinsamen Freistellungsauftrag nicht mehr ausführen darf.[2]

 

Rz. 73

Das Kreditinstitut hat die "Höhe der Kapitalerträge" nach Verlustverrechnung und vor Berücksichtigung eines etwa erteilten Freistellungsauftrags (positiver Saldo) anzugeben. Es sind also diejenigen Kapitalerträge auszuweisen, die dem Grunde nach dem KapESt-Abzug unterliegen. Aufgrund der Nichtberücksichtigung des Freistellungsauftrags ist die "Höhe der Kapitalerträge" nicht gleichzusetzen mit der Bemessungsgrundlage für den tatsächlich einbehaltenen Steuerabzug. Es ist der Bruttoertrag, d. h. der Kapitalertrag vor Abzug der KapESt und vor Abzug des SolZ zur KapESt, anzugeben. Wird infolge einer Zinsgutschrift das in dem, dem Kreditinstitut vorliegenden, Freistellungsauftrag ausgewiesene Freistellungsvolumen überschritten, ist als Kapitalertrag der gesamte Bruttoertrag der Zinsgutschrift zu bescheinigen, also nicht nur der Teil des Kapitalertrags, der dem Steuerabzug unterworfen worden ist. Dies soll sicherstellen, dass auch die vom Steuerabzug freigestellten Einnahmen erfasst werden und verhindern, dass durch deren evtl. Nichterfassung im Fall einer Veranlagung insoweit der Sparer-Pauschbetrag doppelt gewährt wird. Eine Plausibilisierung und Überprüfung der "Höhe der Kapitalerträge" anhand der in der Steuerbescheinigung ausgewiesenen "KapESt" ist daher nicht möglich.

 

Rz. 74

Gleiches gilt für Kapitalerträge, z. B. Dividenden, die nur teilweise mit KapESt belastet sind, weil sie im Übrigen im Rahmen des Freistellungsvolumens von der Abzugsteuer freigestellt oder erstattet worden sind; d. h. für den vom noch verfügbaren Freistellungsvolumen erfassten Teil der Bezüge wurde entweder KapSt gem. § 44b Abs. 6 EStG erstattet (§ 44b EStG Rz. 74ff.) oder es wurde von vornherein bei Kapitalerträgen gem. § 44a Abs. 8 EStG nur teilweise vom Steuerabzug Abstand genommen (§ 44a Rz. 117ff.). Dies ergibt sich aus § 45a Abs. 4 EStG, wonach eine Steuerbescheinigung auch dann auszustellen ist, wenn in Vertretung des Gläubigers ein Antrag auf Erstattung gem. § 44b EStG gestellt worden ist.

 

Rz. 75

Ist der Saldo aus positiven und negativen Einnahmen insgesamt negativ, erfolgt ein Ausweis in den entsprechenden Zeilen für allgemeine Verluste oder Aktienveräußerungsverluste, sofern ein Antrag auf Bescheinigung der Verluste gestellt wird (§ 43a Abs. 3 S. 4 EStG). Alle Kapitalerträge werden grundsätzlich in einem Gesamtbetrag ausgewiesen, es wird nicht nach der Quelle der Kapitalerträge unterschieden.

Rz. 76 einstweilen frei

 

Rz. 77

Erträge aus Versicherungsverträgen i. S. d. § 20 Abs. 1 Nr. 6 EStG sind nicht in die "Höhe der Kapitalerträge" einzubeziehen, wenn die Auszahlung nach 12 Jahren Vertragslaufzeit und Vollendung des 60. Lebensjahrs des Stpfl. erfolgt. In diesen Fällen sind die Voraussetzungen für eine hälftige Besteuerung des Unterschiedsbetrags gem. § 20 Abs. 1 Nr. 6 S. 2 EStG gegeben. Diese Erträge sind lediglich in der Zeile "Höhe der Kapitalerträge aus Lebensversicherungen i. S. d. § 20 Abs. 1 Nr. 6 S. 2 EStG" auszuweisen.

 

Rz. 78

Hat der Schuldner der Kapitalerträge die KapESt üb...

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