Rz. 14
Der "ursprünglich Verpflichtete" i. S. v. § 4f Abs. 1 S. 1 EStG ist derjenige, der durch die Übertragung der Verpflichtung von einer Verbindlichkeit befreit wird. Das muss m. E. nicht zwingend derjenige sein, gegenüber dem die Verbindlichkeit ursprünglich oder erstmalig entstanden ist. So kann es für Zwecke des § 4f EStG durchaus mehrere ursprünglich Verpflichtete geben, wenn eine Verpflichtung mehrfach in der Kette übertragen wird (str.).
Rz. 15
Wenn der Erwerber die Verpflichtung noch im selben Wirtschaftsjahr weiterüberträgt, in dem er sie übernommen hat, stellt sich die Frage nach dem Zusammenspiel mit § 5 Abs. 7 EStG. Da er nach § 5 Abs. 7 S. 1 EStG die Passivierungsbeschränkungen hinsichtlich der relevanten Verpflichtung erstmals auf den der Übernahme folgenden Abschlussstichtag beachten muss, unterliegt die Verpflichtung bei einer vorherigen Weiterübertragung m. E. noch keiner Passivierungsbeschränkung, sodass in diesem Fall § 4f EStG keine Anwendung findet. Die Finanzverwaltung scheint dies anders zu sehen, und geht davon aus, dass der Erwerbsgewinn i. S. d. § 5 Abs. 7 EStG immer dann nicht gestreckt werden kann, wenn die Verpflichtung bereits vor dem Bilanzstichtag aus dem Betriebsvermögen ausscheidet.
Übertragung einer Verpflichtung
Die A-GmbH weist in ihrer Handelsbilanz zum 31.12.2017 eine Drohverlustrückstellung von EUR 50.000 aus, die in der Steuerbilanz nicht passiviert werden darf (§ 5 Abs. 4a EStG). Sie überträgt die dieser Rückstellung zugrunde liegende Verpflichtung am 1.2.2018 gegen Zahlung von EUR 50.000 auf die B-GmbH, die diese wiederum einen Monat später an die C-GmbH ebenfalls gegen Zahlung von ebenfalls EUR 50.000 weiter überträgt. Die C-GmbH hält die Verpflichtung über den 31.12.2018 hinaus. Die Wirtschaftsjahre sollen dabei den Kj. gleichen und Ausnahmen zu einer sofortigen Aufwandsverteilung nicht greifen.
Geht man mit der Auffassung der Finanzverwaltung an diesen Fall, kann die A-GmbH im Übertragungsjahr 2018 1/15 der realisierten stillen Last steuerlich berücksichtigen, während die C-GmbH einen Erwerbsgewinn erzielt, der § 5 Abs. 7 EStG unterfällt und daher bei entsprechender Rücklagenbildung (nur) zu 1/15 gewinnerhöhend wirkt. Problematisch ist die Situation der B-GmbH. Da diese die übernommene Verpflichtung bereits vor dem Bilanzstichtag weiter übertragen hat, kann sie nach Verwaltungsauffassung keine Rücklage mehr bilden. Es würde zu einer Einkommenserhöhung um EUR 50.000 kommen. Ihren Aufwand in gleicher Höhe aus der Weiterübertragung der Verpflichtung auf die C-GmbH könnte sie aber nur auf 15 Wirtschaftsjahre verteilt abziehen. In Jahre 2018 hätte sie eine Einkommenserhöhung von 14/15 von EUR 50.000 hinzunehmen. Das überzeugt nicht. Richtigerweise kommen die relevante Passivierungsbeschränkungen (hier § 5 Abs. 4a EStG) erstmals auf den der Übernahme folgenden Abschlussstichtag (hier den 31.12.2018) zur Anwendung, sodass die B-GmbH bei Übernahme und Weiterübertragung der Verpflichtung weder einen Erwerbsgewinn, noch stille Reserven realisiert, also weder § 4f EStG noch § 5 Abs. 7 EStG zur Anwendung kommen.
Rz. 16
§ 4f EStG ist auch nicht anwendbar, wenn der ursprünglich Verpflichtete nicht in den Anwendungsbereich des EStG fällt und deshalb nicht den deutschen steuerbilanziellen Passivierungsbeschränkungen unterliegt. Bei einer Kettenübertragung, die bei einer solchen Person beginnt, findet § 4f EStG erst dann Anwendung, wenn die Verpflichtung erstmals durch einen Stpfl. übertragen wird, der dem deutschen Steuerrecht unterliegt.
Zu grenzüberschreitenden Sachverhalten siehe im Übrigen unten Rz. 23a.