Rz. 6a

Die Zinsschranke nach § 4h EStG differenziert nicht nach inländischen oder ausl. Betrieben, nach inländischen oder ausl. Darlehensgebern und nicht nach innerstaatlichen oder grenzüberschreitenden Darlehensverhältnissen. Es liegt daher keine, auch keine verdeckte Diskriminierung vor, sodass ein Verstoß gegen die Grundfreiheiten des AEUV schon im Tatbestand zu verneinen ist. Die Behauptung, dass weit überwiegend grenzüberschreitende Unternehmen betroffen seien, nicht aber rein inländische Unternehmen[1], und dass die Vorschrift daher gegen die Niederlassungsfreiheit verstoße, ist empirisch nicht gesichert und schon dadurch widerlegt, dass die bisher vorliegenden Gerichtsentscheidungen auch reine Inlandsfälle betreffen.[2] Eine Erschwerung (Beschränkung) der Finanzierung reicht für einen Verstoß gegen die Grundfreiheiten nicht aus, wenn damit nicht auch eine Diskriminierung grenzüberschreitender Verhältnisse verbunden ist.[3] Dass Anlass der Vorgängerregelung in § 8a KStG grenzüberschreitende Finanzierungsgestaltungen waren, führt nicht zu einer Diskriminierung, da die Regelung, wie sie tatsächlich Gesetz geworden ist, nicht zwischen inländischen und grenzüberschreitenden Finanzierungen unterscheidet.[4] Auch die Ausnahmeregelungen (Kleinbetragsregelung, fehlende Konzernzugehörigkeit, Escape-Klausel) differenzieren insoweit nicht.

Die Ansicht, dass die Vorschrift nicht gegen EU-Recht verstößt, wird auch dadurch gestützt, dass Art. 4 der Richtlinie (EU) 2916/1164 des Rates v. 12.7.2016 (ABl. L 193 v. 19.7.2016, 1 (ATAD 1) eine entsprechende Vorschrift enthält und damit für EU-Staaten vorschreibt.

 

Rz. 6b

Europarechtlich problematisch ist jedoch die Regelung, dass ein Organkreis als ein Betrieb gilt. Die damit verbundene Erleichterung im Bereich der Zinsschranke ist wegen des "doppelten Inlandsbezugs" nur für inländische Betriebe (Tochtergesellschaften) eröffnet. Hierin liegt eine Diskriminierung grenzüberschreitender Konzernstrukturen. Dies ist aber keine spezifische Frage der Zinsschranke, sondern Teil der allgemeinen Problematik des Erfordernisses des doppelten Inlandsbezugs.[5] Auch dürfte die Voraussetzung eines Ergebnisabführungsvertrags eine genügende Rechtfertigung dafür sein, nur bei ihrem Vorliegen (wirtschaftlich) ein einheitliches Unternehmen und damit nur "einen" Betrieb anzunehmen. Im Übrigen würde eine etwaige Europarechtswidrigkeit nur § 15 S. 1 Nr. 3 KStG betreffen, es müsste entweder die Sonderregelung für Organschaften beseitigt oder der Betriebsbegriff grenzüberschreitend für ausl. Beteiligungsgesellschaften geöffnet werden.[6] Die europarechtlichen Bedenken können jedenfalls nicht dazu führen, dass § 4h EStG insgesamt unanwendbar ist. Dem Stpfl. wäre damit im Allgemeinen nicht geholfen.

 

Rz. 7

Gegen die Zins- und Lizenzrichtlinie v. 3.6.2003[7] verstößt § 4h EStG schon deshalb nicht, weil diese Richtlinie nur auf Körperschaften und im Bereich der KSt anwendbar ist. Die Frage eines Verstoßes gegen die Zins- und Lizenzrichtlinie kann sich daher nur bei § 8a KStG, nicht bei § 4h EStG stellen.[8]

 

Rz. 8

Verfassungsrechtlich bedenklich könnte sein, dass die Regelung die Abzugsfähigkeit von Finanzierungsaufwendungen einschränkt und damit das objektive Nettoprinzip beeinträchtigt. Allerdings ist bisher nicht geklärt, ob das objektive Nettoprinzip (anders als das subjektive Nettoprinzip) wirklich Verfassungsrang hat.[9] Auch diesen Verfassungsrang unterstellt, muss die Vorschrift nicht notwendig gegen Art. 3 GG oder Art. 14 GG verstoßen.

Im Verhältnis zu Art. 14 GG ist § 4h EStG eine Schrankennorm, die nicht in das Eigentumsrecht eingreift, sondern den Inhalt dieses Rechts bestimmt. Sie konkretisiert damit Art. 14 GG, verstößt also – von dem in Rz. 13 beschriebenen Sonderfall abgesehen – nicht gegen dieses Grundrecht. Im Verhältnis zu Art. 3 GG ist zu beachten, dass ein Steuersystem, das eine Verlagerung von Steuersubstrat zur Erzielung von Steuervorteilen zulässt, gerade gleichheitswidrig wirkt. Eine gleichmäßige Besteuerung existiert nicht, wenn es bestimmten Stpfl. ermöglicht wird, sich der Besteuerung durch legale Verlagerung von Einkunftsteilen zu entziehen. Eine Vorschrift, die eine solche Verlagerung verhindern will, ist daher nicht gleichheitswidrig, sondern fördert gerade die Besteuerungsgleichheit.[10]

Bedeutsam ist weiter, dass die Vorschrift in § 4h Abs. 2 S. 1 Buchst. a EStG (Konzernklausel) und § 4h Abs. 2 S. 1 Buchst. c EStG (Escape-Klausel) umfangreiche Ausnahmen von der Zinsschranke vorsieht und Finanzierungsaufwendungen nicht generell vom Abzug ausschließt, sondern ihren Vortrag zulässt. Zu berücksichtigen ist auch, dass die Vorschrift mit dem EBITDA als Bemessungsgrundlage eine relativ hohe Ausgangsbasis für den Zinsabzug vorsieht. Damit lässt das Gesetz grundsätzlich den vollständigen Abzug zu, wenn auch gestreckt über die Zeit. Das objektive Nettoprinzip erfordert keinen zeitgerechten Abzug der Aufwendungen.[11] Wenn vorgebracht wird, dass ein vollständiger Abzug der Zinsaufwendunge...

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