Prof. Dr. Gerrit Frotscher
Rz. 73
§ 50d Abs. 3 S. 1 Nr. 2 Halbs. 2 EStG enthält zwei Konkretisierungen zu dem Begriff der Wirtschaftstätigkeit der eingeschalteten Körperschaft. Nach der ersten Alternative bilden das Erzielen von Einkünften und ihre Weiterleitung an beteiligte oder begünstigte Personen keine Wirtschaftstätigkeit. Gleiches gilt nach der zweiten Alternative, wenn kein angemessen eingerichteter Gewerbebetrieb unterhalten wird.
Rz. 74
Der Tatbestand des Erzielens von Einkünften und ihre Weiterleitung knüpft unmittelbar an die Rspr. des EuGH an, wonach reine Durchleitungsgesellschaften Rechtsmissbrauch darstellen.. Die Regelung in § 50d Abs. 3 S. 1 Nr. 2 Halbs. 2 EStG ist jedoch unklar und wohl kaum in Übereinstimmung mit der Rspr.des EuGH. So wird das Erzielen von Einkünften als selbstständiger Tatbestand des Fehlens einer Wirtschaftstätigkeit aufgefasst. Das kann so nicht gemeint sein, weil das Erzielen von Einkünften und ihre Ausschüttung an die Gesellschafter vorrangiges Ziel jeder Wirtschaftstätigkeit ist. Würde man die Formulierung so nehmen, wie sie im Gesetz steht, hätte keine Kapitalgesellschaft eine Wirtschaftstätigkeit. Nach der Begründung des Gesetzentwurfs soll der bloße Bezug von Dividenden, Lizenzgebühren und sonstigen Einkünften keine Wirtschaftstätigkeit sein. Das soll auch für eine vermögensverwaltende Holding gelten. Die Vorschrift ist also wohl so zu verstehen, dass der bloße Bezug von Einkünften die dem Steuerabzug unterliegen, also ohne eine weitere Tätigkeit, keine Wirtschaftstätigkeit darstellt. Auch dann ist die Norm aber zu weit gefasst, da es sich bei solchen Einkünften um Vermögensverwaltung handelt und diese nach der Rspr. des EuGH eine Wirtschaftstätigkeit ist. Um den Vorwurf des Missbrauchs zu begründen, muss es sich um eine Durchleitungsgesellschaft handeln, also um eine Gesellschaft, die die Vermögensverwaltung nicht im eigenen Interesse und zur Erzielung dauerhafter Vermögensmehrungen betreibt, sondern nur dazu dient, die Einkünfte an eine andere Person weiterzuleiten. Dieser Aspekt wird erst in dem nachfolgenden Teilsatz der Vorschrift angesprochen, wobei dies nach dem Wortlaut ein selbstständiger Tatbestand des Fehlens einer Wirtschaftstätigkeit ist. Die Formulierung ist auch insofern zu weit, als jede Weiterleitung der Einkünfte als schädlich angesehen wird. Die Ausschüttung von Gewinnen an die Gesellschafter oder sonstige begünstigte Personen ist aber Zweck jeder im Wirtschaftsverkehr aktiven Körperschaft. Der Rspr. des EuGH entspricht es nur, wenn man diese beiden Aspekte im Zusammenhang sieht. Danach würde keine Wirtschaftstätigkeit vorliegen, wenn ausl. steuerabzugspflichtige Einkünfte bezogen werden mit dem Ziel, diese an die Gesellschafter oder begünstigten Personen unverzüglich weiterzuleiten und daher keine nachhaltige eigene Vermögensmehrung erstrebt wird.
Rz. 75
Als schädlich wird die Weiterleitung der Einkünfte an beteiligte oder begünstigte Personen angesehen. Diese Personen sind dieselben Personen, auf die sich § 50d Abs. 3 S. 1 Nr. 1 EStG bezieht, also Personen, die an der Körperschaft beteiligt sind oder durch Satzung, Stiftungsgeschäft oder die sonstige Verfassung begünstigt werden. Nur die Weiterleitung der Einkünfte an diese Personen ist schädlich. Eine Weiterleitung an nahestehende Personen schließt die Annahme einer Wirtschaftstätigkeit danach nicht aus. Das gilt auch für verdeckte Gewinnausschüttungen. Das ergibt sich schon daraus, dass nahestehende Personen, die eine verdeckte Gewinnausschüttung erhalten, an der Körperschaft nicht beteiligt sind und auch nicht durch Satzung, Stiftungsgeschäft oder sonstige Verfassung begünstigt werden, sondern durch einen schuldrechtlichen Vertrag.
Rz. 76
Es muss sich um eine "Weiterleitung" der Einkünfte handeln. Die Form der Weiterleitung ist unbeachtlich. In Betracht kommt Gewinnausschüttung, Leistung an den Intermediär bei einer Stiftung oder eine sonstige Form. Die Weiterleitung kann auch darin bestehen, dass Einnahmen aus einem Lizenzvertrag aufgrund eines vergleichbaren Lizenzvertrags mit dem Inhaber des immateriellen Wirtschaftsguts in nahezu gleicher Höhe an diesen abgeführt werden müssen.
Weiterleitung von Lizenzgebühren
Die A-GmbH schließt mit ihrer im Ausland ansässigen Muttergesellschaft, der X-Ltd., einen Lizenzvertrag. Gleichzeitig schließt sie mit einem ausl. Interessenten einen Unterlizenzvertrag ab. Die Lizenzgebühren aus dem Unterlizenzvertrag entsprechend mit Ausnahme einer kleinen Marge, die bei der X-GmbH zur Deckung ihrer Kosten verbleibt, der Lizenzgebühr, die die X-GmbH an ihre Muttergesellschaft zahlen muss.
Dieser Fall liegt jedoch nicht vor, wenn die Körperschaft ein Darlehen bei ihrer Muttergesellschaft aufgenommen hat, um eine Beteiligung zu erwerben, und aus den Gewinnausschüttungen die Darlehenszinsen entrichtet. Anders als im Fall der korrespondierenden Lizenzverträge sind Beteiligung und Darlehen bzw. Gewinnausschüttung und Darlehenszinsen nicht vergleichbar und entsprechen sich ...