23.1 Entstehung und Zweck der Regelung

 

Rz. 461

Wird ein Betrieb, ein Teilbetrieb oder der Anteil eines Mitunternehmers an einem Betrieb unentgeltlich übertragen, so sind bei der Ermittlung des Gewinns des bisherigen Betriebsinhabers (Mitunternehmers) nach § 6 Abs. 3 EStG die Wirtschaftsgüter mit den Werten anzusetzen, die sich nach den Vorschriften über die Gewinnermittlung ergeben. Der Rechtsnachfolger ist an diese Werte gebunden.

 

Rz. 462

Der Zweck von § 6 Abs. 3 EStG besteht darin, dass ein unbesteuerter Übergang stiller Reserven zwischen zwei Rechtssubjekten im Hinblick auf die Fortführung der betrieblichen Einheit ermöglicht wird. Als Ausnahme von dem subjektbezogenen Einkünftebegriff soll die betriebliche Einheit zu Buchwerten übertragen werden können, um ihren Fortbestand nicht zu gefährden. Durch die Übertragung von betrieblichen Einheiten wird trotz des Rechtsträgerwechsels kein Gewinn oder Verlust realisiert, sodass der unentgeltliche Erwerber die Buchwerte des Übertragenden fortführen muss. Die stillen Reserven gehen auf ihn über. Auch die Übernahme der betrieblichen Verbindlichkeiten ist – anders als bei der Übertragung einzelner Wirtschaftsgüter – kein Entgelt.

 

Rz. 463

Die unentgeltliche Übertragung eines (Teil-)Betriebs oder Mitunternehmeranteils erlangt in der Praxis als Gestaltungsinstrument dadurch besondere Bedeutung, dass unentgeltliche Übertragungen von einzelnen Wirtschaftsgütern auf einen anderen Rechtsträger in vielen Fällen zu einer Realisierung von Gewinnen oder Verlusten führen. Vor einer Übertragung lässt sich beispielsweise ein Teilbetrieb bilden. Die Hauptanwendungsfälle von § 6 Abs. 3 EStG sind die Schenkung und die Erbfolge sowie die Herausgabe eines Betriebs oder Gesellschaftsanteils durch den Erben an einen Vermächtnisnehmer[1],nicht aber die Übertragung eines Betriebs auf einen Pflichtteilsberechtigten, die als Betriebsveräußerung angesehen wird.[2] Weiter fallen unter § 6 Abs. 3 EStG die vorweggenommene Erbfolge und die unentgeltliche Übertragung des Rechts zur Nutzung eines Betriebs in der Form der Bestellung eines dinglichen Nießbrauchs an einem Betrieb.[3] Schließlich fällt unter § 6 Abs. 3 EStG die unentgeltliche Übertragung eines (Teil-)Betriebs oder Mitunternehmeranteils auf eine Körperschaft des öffentlichen Rechts, die die übergehende betriebliche Einheit als stpfl. Betrieb gewerblicher Art i. S. v. § 1 Abs. 1 Nr. 6 KStG fortführt. Auch in diesem Fall bleiben die stillen Reserven weiter verstrickt.[4] Auch die unentgeltliche Übertragung auf eine GmbH fällt in den Anwendungsbereich des § 6 Abs. 3 EStG, jedoch nur, wenn nicht gleichzeitig die Voraussetzungen einer verdeckten Einlage erfüllt sind.[5]

23.2 Systematischer Zusammenhang

 

Rz. 464

Die unentgeltliche Übertragung eines (Teil-)Betriebs oder Mitunternehmeranteils i. S. v. § 6 Abs. 3 EStG ist keine Entnahme – im Gegensatz zur unentgeltlichen Übertragung einzelner Wirtschaftsgüter als Entnahme beim Schenkenden und Einlage beim Schenkungsempfänger außerhalb des Anwendungsbereichs von § 6 Abs. 5 EStG.[1] Trotz Rechtssubjektwechsels geht die Sachgesamtheit auf den unentgeltlichen Erwerber zu Buchwerten über. § 6 Abs. 3 EStG macht damit eine Ausnahme von dem einkommensteuerrechtlichen Grundsatz, dass stille Reserven nicht erfolgsneutral auf ein anderes Rechtssubjekt übertragen werden dürfen. Sobald aber nicht sämtliche Tatbestandsvoraussetzungen von § 6 Abs. 3 EStG erfüllt sind, führt die unentgeltliche Übertragung zu einer gewinn- oder verlustrealisierenden Betriebsaufgabe i. S. v. § 16 Abs. 3 EStG. Dies gilt grundsätzlich dann, wenn

  • nicht alle wesentlichen Betriebsgrundlagen auf den Erwerber übertragen worden sind[2]
  • der Übertragende seine bisherige gewerbliche Tätigkeit nicht einstellt[3], was grundsätzlich auch dann der Fall ist, wenn sich der Übertragende eines Einzelunternehmens, anders als im Falle der Übertragung eines Mitunternehmeranteils,[4] den Nießbrauch vorbehält[5].
 

Rz. 465

Unentgeltliche Übertragungen von (Teil-)Betrieben und Mitunternehmeranteilen nach § 6 Abs. 3 EStG kommen auch zwischen Schwesterpersonengesellschaften in Betracht. Empfänger einer betrieblichen Einheit i. S. v. § 6 Abs. 3 EStG kann nach § 8 Abs. 1 KStG auch eine Körperschaft sein. Hierdurch soll eine Vererbung von Betrieben auf Stiftungen und Vereine ermöglicht werden.[6]

 

Rz. 466

Der Tatbestand des § 6 Abs. 3 EStG deckt sich grundsätzlich mit dem der Betriebsveräußerung i. S. v. § 16 Abs. 1 Nr. 1 EStG, wenn man von dem Erfordernis der Unentgeltlichkeit der Übertragung nach § 6 Abs. 3 EStG absieht. § 6 Abs. 3 EStG setzt jedoch lediglich voraus, dass nur alle funktional wesentlichen Betriebsgrundlagen auf einen Erwerber in einem einheitlichen Vorgang übertragen ...

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