Dipl.-Finanzwirt Kirsten Happe
Rz. 16
Ab Januar 2016 ist weitere Voraussetzung für die Gewährung von Kindergeld, dass sich der Kindergeldberechtigte und das Kind (§ 63 Abs. 1 S. 3-5 EStG), für das Kindergeld begehrt wird, durch ihre jeweiligen IdNr identifizieren. An die Personen, die die in § 62 Abs. 1 S. 1 EStG genannten Voraussetzungen erfüllen, wird eine IdNr nach § 139b AO vergeben, weil sie ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Inland haben und damit nach § 1 Abs. 1 oder 2 EStG unbeschränkt stpfl. sind oder nach § 1 Abs. 3 EStG auf Antrag als unbeschränkt stpfl. behandelt werden. Diese Regelung wurde zur Vermeidung von ungerechtfertigten Kindergeldzahlungen und Missbrauch eingeführt. Denn die Familienkasse kann durch Abgleiche der IdNr ausschließen, dass für ein Kind mehrfach Kindergeld gezahlt wird. Damit wird die erhaltene IdNr materielle Tatbestandsvoraussetzung zum gesetzlichen Tatbestandsmerkmal für den Kindergeldanspruch.
Die nachträgliche Vergabe der IdNr wirkt gem. § 62 Abs. 1 S. 3 EStG auf Monate zurück, in denen die Voraussetzungen des § 62 Abs. 1 S. 1 EStG vorliegen.
Seit 2008 vergibt das BZSt ein steuerliches Identifikations-Merkmal an unbeschränkt ESt-Pflichtige. Die Zuteilung der IdNr und die Datenspeicherung beruhen auf § 139a Abs. 1 und 2 AO sowie § 139b Abs. 1 AO. Nach § 139b Abs. 1 EStG erhält jede natürliche Person nur eine IdNr – und jede IdNr wird nur einmal vergeben; verfassungsrechtliche Bedenken bestehen hiergegen nicht.
Rz. 17
Eine bereits am 1.1.2016 bestehende Kindergeldfestsetzung wird nachträglich unrichtig und ist nach § 70 Abs. 2 EStG rückwirkend zu ändern, sofern die in § 62 Abs. 1 S. 2 EStG vorgeschriebene Identifizierung des Berechtigten nicht möglich ist.
Rz. 18
Aufgrund der Rspr. des EuGH besteht die Möglichkeit, dass jemand kindergeldberechtigt ist, ohne über einen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Inland zu verfügen. Die Fiktion des Art. 60 Abs. 1 S. 2 der VO Nr. 987/2009 kann dazu führen, dass der Anspruch auf Kindergeld nach den §§ 62ff. EStG nicht dem in Deutschland, sondern dem im EU-Ausland lebenden Elternteil zusteht. Kann wegen der – nicht nur räumlichen – Trennung der Eltern nicht fingiert werden, dass diese in Deutschland in einem gemeinsamen Haushalt leben, ist nach § 64 Abs. 2 S. 1 EStG der Elternteil kindergeldberechtigt, der das Kind – im Ausland – in seinen Haushalt aufgenommen hat. Entsprechendes gilt für einen in einem anderen EU-Mitgliedstaat lebenden Großelternteil.
An eine Person mit Wohnsitz im EU-Ausland kann nach den § 139a, 139b AO jedoch keine IdNr vergeben werden. Insoweit vertritt Pust zu Recht die Auffassung, dass die Vorschrift des § 62 Abs. 1 S. 2 EStG nicht europarechtskonform ist und durch den Gesetzgeber wohl zu ändern sein wird. Im Wege der geltungserhaltenden Reduktion ist in diesen Fällen die Regelung des § 63 Abs. 1 S. 4 EStG – das Kind ist nicht nach einem Steuergesetz stpfl. (§ 139a Abs. 2 AO) –, auf den Kindergeldberechtigten entsprechend anzuwenden; dieser hat sich in anderer geeigneter Weise zu identifizieren. Als so geeignete persönliche IdNr ist eine Nummer anzusehen, die eine Person mit Geburt einmalig erhält und die nur einmal vergeben wird. Werden zwischen der Familienkasse und dem ausl. Träger Formulare für die Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit ausgetauscht (Art. 4 der VO (EG) Nr. 987/2009), können diese als Nachweis für die Nummer dienen. Alternativ ist die Nummer vom Berechtigten durch amtliche Dokumente zu belegen. Wurde keine IdNr und im ausl. Staat keine geeignete persönliche IdNr vergeben, ist die Identität durch andere amtliche Dokumente nachzuweisen (z. B. ausl. Geburtsurkunde, amtlicher Ausweis).
Alternativ könnte auch auf den in Deutschland lebenden Elternteil zurückgegriffen werden. In den bisher bekannten Fällen hat dieser in Deutschland das Kindergeld für sein im EU-Ausland lebendes Kind beantragt. Es wäre daher denkbar, dass sich der in Deutschland lebende Elternteil mittels IdNr identifizieren muss, die auf den im EU-Ausland lebenden Elternteil ausstrahlt.
Rz. 19–20 einstweilen frei