Rz. 30

Für Ausländer aus Abkommensstaaten, die im Inland wohnen, können sich Erleichterungen vom Erfordernis eines Aufenthaltstitels aus den von der Bundesrepublik Deutschland mit mehreren Staaten geschlossenen Abkommen über Soziale Sicherheit ergeben. So sind Arbeitnehmer auch ohne qualifizierten Aufenthaltsstatus anspruchsberechtigt. Derzeit bestehen Abkommen mit folgenden Staaten: Bosnien und Herzegowina, Kosovo, Marokko, Montenegro, Serbien, Türkei und Tunesien.[1] Für türkische Arbeitnehmer ergibt sich ein Anspruch auf Kindergeld auch aus dem Beschluss Nr. 3/80 des Assoziationsrates v. 19.9.1980.[2] Für Arbeitnehmer aus Algerien, Marokko und Tunesien ergibt sich der Kindergeldanspruch auch aus den Assoziationsabkommen, die die EG mit diesen Staaten geschlossen hat.[3]

 

Rz. 31

Staatsangehörige der Schweiz sind aufgrund des deutsch-schweizerischen Sozialabkommens v. 21.6.1999, BGBl II 2001, 810[4] Deutschen gleichgestellt.[5] Eine Niederlassungs- oder Aufenthaltserlaubnis ist nicht erforderlich, unabhängig davon, ob es sich um Arbeitnehmer oder Selbstständige handelt.

 

Rz. 32

Für Staatsangehörige von Bosnien und Herzegowina, Kosovo, Marokko, Montenegro, Serbien und Tunesien ist ein Aufenthaltstitel nur dann nicht erforderlich, wenn es sich um Arbeitnehmer i. S. d. jeweiligen Abkommens handelt. Die sachliche Beschränkung der Abkommen auf Kindergeld für Arbeitnehmer verstößt nicht gegen den Gleichheitssatz.[6] Die Arbeitnehmereigenschaft setzt danach grundsätzlich voraus, dass ein Versicherungspflichtverhältnis zur Bundesagentur für Arbeit besteht. Umfasst sind auch Zeiten des Bezugs von Kurzarbeiter-, Arbeitslosengeld nach § 136 SGB III und der Bezug von Geldleistungen der Krankenversicherung bei vorübergehender Arbeitsunfähigkeit.[7] Der Arbeitnehmerbegriff ist gleichwohl eng auszulegen, da nur so die von den Staaten eingegangenen gegenseitigen Verpflichtungen im Gleichgewicht gehalten werden können. Nicht ausreichend ist daher der Bezug von Arbeitslosenhilfe[8], Sozialhilfe[9] oder die Aufnahme einer geringfügigen Beschäftigung.[10] Die Witwe eines Arbeitnehmers hat keinen Anspruch.[11] Das Erfordernis eines Aufenthaltstitels nach § 62 Abs. 2 EStG gilt daher nur für Nicht-Arbeitnehmer, z. B. Selbstständige, Arbeitslose oder Sozialhilfeempfänger. Dies folgt unmittelbar aus der Auslegung der Abkommen, unabhängig davon, ob das Kindergeld als nach der Systemumstellung (§ 31 EStG Rz. 5ff.) – teilweise – als Steuervergütung oder als Sozialleistung betrachtet wird, da die Abkommen jedenfalls von einem Kindergeld im Rahmen des Sozialsystems ausgehen.[12]

 

Rz. 33

Erleichterungen bestehen für türkische Staatsangehörige und für Arbeitnehmer aus Algerien, Marokko und Tunesien aufgrund der insoweit geschlossenen Assoziationsabkommen[13]: Eine Person ist schon dann Arbeitnehmer, wenn sie auch nur gegen ein einziges Risiko in einem allgemeinen oder besonderen System sozialversichert (pflichtversichert oder freiwillig weiter versichert) ist[14] bzw. nach Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses Geldleistungen der Krankenversicherung wegen vorübergehender Arbeitsunfähigkeit (Kranken-, Verletzungs-, Übergangs-, Mutterschaftsgeld) oder Arbeitslosengeld bezieht. Als Arbeitnehmer sind auch solche Personen anzusehen, die im Anschluss an ein Beschäftigungsverhältnis Erziehungsgeld erhalten. Der Arbeitnehmerbegriff umfasst danach Angestellte, Beamte, Rentner, Studenten und (freiwillig weiterversicherte) Selbstständige. Arbeitslosenhilfe genügt indes nicht[15], ebenso nicht eine Erwerbsunfähigkeitsrente.[16]

 

Rz. 34

Seit Inkrafttreten der Sozialabkommen mit Kroatien (am 13.1.1999) und Slowenien (am 1.9.1999) ist das deutsch-jugoslawische Sozialabkommen auf den entsprechenden Personenkreis nicht mehr anzuwenden (Altfälle ausgenommen). Die Abkommen enthalten keine Bestimmungen über Kindergeld. § 62 Abs. 2 EStG ist daher uneingeschränkt anwendbar.

[1] A 4.5 Abs. 3 DA-KG 2016.
[2] ABl. EG 1983 Nr. C 110, 60
[3] A 4.5 Abs. 4 DA-KG 2016.
[4] Geltung ab 1.6.2002, BGBl II 2002, 1692.
[7] A 4.5 Abs. 3 S. 3 DA-KG 2016.
[9] Hessisches FG v. 28.4.2003, 3 K 3456/01, EFG 2004, 912.
[12] Hildesheim, DStZ 2000, 25.
[13] A 4.5 Abs. 4 DA-KG 2016.

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