Fachkräfteeinwanderung: Arbeitsmigration nach Deutschland

In Deutschland fehlt es an vielen Stellen an Fachkräften. Der Bedarf muss auch über Zuwanderung gedeckt werden, darin sind sich Experten einig. Doch wie lange dauert es, bis zugewanderte Menschen in den Arbeitsmarkt integriert sind? Wie hoch ist die Beschäftigungsquote der ausländischen Bevölkerung? Und wie viele Erwerbsmigrantinnen und Erwwerbsmigranten arbeiten aktuell in Deutschland? Ein Überblick.

Der Fachkräftemangel in Deutschland hat ein neues Rekordniveau erreicht. Rein rechnerisch konnten laut einer Erhebung des IW Köln im vergangenen Jahr mehr als 630.000 offene Stellen für Fachkräfte nicht besetzt werden, weil bundesweit keine entsprechend qualifizierten Arbeitslosen zur Verfügung standen.

Zudem gibt es in Deutschland nach Erhebungen des Statistischen Bundesamtes kaum noch Reserven, um fehlende oder demnächst ausscheidende Fachkräfte zu ersetzen. Nach jüngsten Ergebnissen des Mikro-Zensus gehen bereits 87 Prozent der Bevölkerung im Alter zwischen 25 und 59 Jahren einer Erwerbstätigkeit nach. Bei den Männern sind es sogar 92 Prozent, während Frauen zu 83 Prozent einen bezahlten Job haben.

Fachkräftebedarf kann nur durch Zuwanderung gedeckt werden

Somit kann der derzeitige und zukünftige Fachkräftebedarf in Deutschland nur durch Zuwanderung gedeckt werden - darin sind sich die Experten einig. Laut Berechnungen des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) wäre eine Nettozuwanderung von 400.000 Personen jährlich notwendig, um das derzeitige Erwerbspersonenpotenzial bis 2060 zu halten. (Mehr dazu lesen Sie im Personalmagzin-Beitrag "Tschüss Babyboomer"). Doch wie viele Arbeitsmigrantinnen und -migranten sind bereits in Deutschland tätig? Aus welchen Ländern stammen sie? Welche Qualifikationen bringen sie mit? Und wie lange dauert es, bis zugewanderte Menschen in den Arbeitsmarkt integriert sind?

Erwerbstätigenquote und Beschäftigungsquote von Zugewanderten

Aus unterschiedlichen Gründen sind eingewanderte Menschen seltener erwerbstätig. Ihre Erwerbstätigenquote lag nach Angaben des Statistischen Bundesamt 2022 bei 74 Prozent, wobei Frauen deutlich seltener einer bezahlten Arbeit nachgehen als Männer. Die Beschäftigungsquote der ausländischen Bevölkerung, die im Gegensatz zur Erwerbstätigenquote nur die sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungen berücksichtigt, betrug im Oktober 2024 laut IAB 55,8 Prozent. Die jeweils aktuellen Zahlen finden Sie im monatlichen Zuwanderungsmonitor des IAB.

Deutliche Unterschiede zeigen sich hinsichtlich der Herkunftsregionen der Eingewanderten. Während Eingewanderte aus Staaten der Europäischen Union (EU), die häufig aus Erwerbsgründen zuwandern, dabei von der Arbeitnehmerfreizügigkeit sowie vergleichbaren und schnell anerkannten beruflichen Qualifikationen profitieren, ist die Integration in den Arbeitsmarkt für Eingewanderte aus anderen Herkunftsregionen ein längerfristiger Prozess.

Vor allem für geflüchtete Mensche ist eine Integration in den deutschen Arbeitsmarkt schwierig, da sie häufig zunächst keine Berechtigung, eine Arbeit aufzunehmen. In der Folge sind Menschen aus dem Nahen und Mittleren Osten in den ersten fünf Jahren nach Zuzug nur zu 34 Prozent als erwerbstätig registriert. Bei Eingewanderten aus Afrika betrug die Quote 55 Prozent. Nach 15 bis 20 Jahren haben sich die Quoten auf 78 Prozent (Naher und Mittlerer Osten) beziehungsweise 73 Prozent (Afrika) erhöht. Mehr dazu lesen Sie im Beitrag "Erwerbstätigkeit von Geflüchteten".

Zum Vergleich: Eingewanderte EU-Bürger, die volle Freizügigkeit genießen, sind nach fünf Jahren zu 81 Prozent und 15 bis 20 Jahre nach Zuzug zu 87 Prozent erwerbstätig.

Arbeitsmigration: Was sind Erwerbsmigranten?

Als Erwerbsmigrantinnen und Erwerbsmigranten zählen Ausländerinnen und Ausländer aus Nicht-EU-Staaten, die im Ausländerzentralregister (AZR) mit einer befristeten Aufenthaltserlaubnis zum Zweck der Erwerbstätigkeit nach Paragrafen 18 bis 21 des Aufenthaltsgesetzes registriert sind. Diese Gruppe bildet nicht alle ausländischen Erwerbspersonen in Deutschland ab, da auch für Ausländerinnen und Ausländer aus EU-Mitgliedstaaten generell und für Personen aus Drittstaaten mit anderen Aufenthaltstiteln zumeist Zugang zum Arbeitsmarkt besteht.

Erwerbsmigration im Jahr 2023 stark gestiegen

Die Erwerbsmigration nach Deutschland ist zuletzt wieder stark gestiegen. Ende 2023 waren in Deutschland rund 419.000 Personen aus Staaten außerhalb der Europäischen Union (EU) mit einem befristeten Aufenthaltstitel zum Zweck der Erwerbstätigkeit im Ausländerzentralregister (AZR) erfasst.

Laut Statistischem Bundesamt, ist die Zahl der Erwerbsmigrantinnen und Erwerbsmigranten, die aus Nicht-EU-Staaten zum Arbeiten nach Deutschland gekommen sind, seit 2010 (damals 85.000 Personen) stetig gestiegen. Nachdem in den stark von der Corona-Pandemie geprägten Jahren 2020 und 2021 ein vergleichsweise geringes Wachstum gegenüber dem jeweiligen Vorjahr zu verzeichnen war (2020: +16 000 Personen; 2021: +21 000 Personen), stieg die Zahl der Erwerbsmigrantinnen und -migranten im Jahr 2022 im Vorjahresvergleich um 56.000 Personen oder 19 Prozent und um weitere 68.000 Personen oder 19 Prozent im Jahr 2023. Dieser Anstieg ist zum Teil auch auf das Fachkräfteeinwanderungsgesetz zurückzuführen, wie eine aktuelle Untersuchung des IAB ergab.

113.000 akademische Fachkräfte mit der Blauen Karte EU 

Akademische Fachkräfte stehen seit geraumer Zeit im Fokus der deutschen und europäischen Arbeitsmarkt- und Migrationspolitik. Bereits im Jahr 2012 wurde die sogenannte Blue Card beziehungsweise Blaue Karte für akademische Fachkräfte aus Nicht-EU-Staaten (Blaue Karte EU) eingeführt. Ende 2023 verfügten 113.000 Personen in Deutschland über eine Blaue Karte EU. Das waren mehr als ein Viertel aller Erwerbsmigrantinnen und -migranten und 23.000 Personen oder 26 Prozent mehr als ein Jahr zuvor. Die Blaue Karte EU war damit der häufigste Aufenthaltstitel im Bereich der befristeten Erwerbsmigration.

Mit Abstand die meisten Inhaberinnen und Inhaber kamen aus Indien (33.000), gefolgt von Personen mit russischer (10.000) und türkischer (8.000) Staatsangehörigkeit. Voraussetzung für die Erteilung der Blauen Karte EU ist in der Regel ein abgeschlossenes Hochschulstudium sowie ein konkretes, der Qualifikation angemessenes Arbeitsplatzangebot mit einem bestimmten Mindestgehalt. Für Inhaberinnen und Inhaber einer Blauen Karte EU gelten Erleichterungen beim Familiennachzug und die Möglichkeit zur schnelleren Erteilung einer unbefristeten Niederlassungserlaubnis.

Ab November 2023 wurde der Personenkreis der berechtigten Personen durch das neue Fachkräfteeinwanderungsgesetz erweitert. 

Aufenthaltserlaubnis für Fachkräfte mit akademischer Ausbildung

Für Akademikerinnen und Akademiker aus Staaten außerhalb der EU gibt es neben der Blauen Karte EU noch weitere Aufenthaltstitel zur Erwerbsmigration, zum Beispiel eine Aufenthaltserlaubnis für Fachkräfte mit akademischer Ausbildung. Ende 2023 verfügten 49.000 Personen über eine solche Aufenthaltserlaubnis (+9.000 Personen beziehungsweise +23 Prozent im Vergleich zum Vorjahr). Am häufigsten hatten die Akademikerinnen und Akademiker eine Staatsangehörigkeit aus Indien (6.000), China (4.000) oder der Türkei (3.000). Voraussetzung ist unter anderem ein konkretes Arbeitsplatzangebot; anders als bei der Blauen Karte EU gilt hierfür keine Mindestgehaltsgrenze. Zudem gibt es breitere Beschäftigungsmöglichkeiten, da nicht nur eine Beschäftigung im der eigenen Qualifikation entsprechenden Beruf, sondern auch in verwandten Berufen möglich ist. Die Möglichkeiten, in anderen Berufen zu arbeiten, wurden mit dem neuen Fachkräfteeinwanderungsgesetz ab November 2023 erweitert. 

Fachkräfteeinwanderungsgesetz: Zahl der Fachkräfte mit Berufsausbildung steigt 

Bereits seit 1. März 2020 erleichtert das erste Fachkräfteeinwanderungsgesetz auch Fachkräften mit Berufsausbildung aus Nicht-EU-Staaten die Einreise und den Aufenthalt für die Ausübung einer Beschäftigung. Die Möglichkeiten, eine Aufenthaltserlaubnis mit Berufsausbildung zu erhalten, wurden ebenfalls mit dem neuen Fachkräfteeinwanderungsgesetz ab November 2023 erweitert.

52.000 Personen verfügten Ende 2023 über eine Aufenthaltserlaubnis für Fachkräfte mit Berufsausbildung. Im Vergleich zum Vorjahr war das ein Zuwachs von 11.000 Personen oder 26 Prozent. Die häufigsten Staatsangehörigkeiten unter den Fachkräften mit Berufsausbildung waren die bosnisch-herzegowinische und die philippinische (jeweils 7.000 Personen). 

Hohe Nachfrage nach Arbeitskräften aus Westbalkan-Staaten 

Auf Grundlage der sogenannten „Westbalkanregelung“ hielten sich Ende 2023 rund 76 000 Nicht-EU-Staatsangehörige mit einer Aufenthaltserlaubnis für Erwerbszwecke in Deutschland auf. Das waren 14.000 oder 22 Prozent mehr als noch im Vorjahr. Mit 20.000 bildeten Staatsangehörige des Kosovo die größte Gruppe.

Die Westbalkanregelung eröffnet Arbeitskräften aus Albanien, Bosnien und Herzegowina, Kosovo, Montenegro, Nordmazedonien und Serbien seit 2016 unter bestimmten Voraussetzungen einen befristeten Zugang zum Arbeitsmarkt in Deutschland. Die zunächst befristete Regelung wurde durch das neue Fachkräfteeinwanderungsgesetz entfristet.

Zusätzlich 103.000 Personen mit unbefristeter Niederlassungserlaubnis aus dem Bereich der Erwerbsmigration 

Unter bestimmten Voraussetzungen können insbesondere Fachkräfte, Inhaberinnen und Inhaber der Blauen Karte EU sowie Selbstständige vereinfachten Zugang zu einer Niederlassungserlaubnis erhalten. Diese ermöglicht den unbefristeten Aufenthalt in Deutschland. Beispielsweise können Inhaberinnen und Inhaber einer Blauen Karte EU bei ausreichenden Sprachkenntnissen bereits nach 21 Monaten ein unbefristetes Aufenthaltsrecht bekommen.

In der Regel ist für die Erteilung einer unbefristeten Niederlassungserlaubnis eine Mindestaufenthaltsdauer von fünf Jahren vorgesehen. Ende 2022 hatten 103.000 Personen eine unbefristete Niederlassungserlaubnis aus dem Bereich der Erwerbsmigration (Ende 2021: 86 000). Knapp zwei Drittel (67.000 beziehungsweise 65 Prozent) davon waren ehemalige Inhaberinnen und Inhaber der Blauen Karte EU. 

Erwerbsmigration aus der Ukraine 

Ukrainerinnen und Ukrainer machten Ende 2023 einen Anteil von 2 Prozent an den Personen mit einem befristeten Aufenthaltstitel zum Zweck der Erwerbstätigkeit aus. Dieser Anteil hat sich gegenüber 2022 nicht verändert. Die meisten der rund 1,2 Millionen Ukrainerinnen und Ukrainer, die Ende 2023 in Deutschland lebten, haben vorübergehenden Schutz und damit einen humanitären Aufenthaltstitel erhalten, darunter waren 835.000 Personen im erwerbsfähigen Alter zwischen 15 und 64 Jahren. Diese verfügten in der Regel über eine Erlaubnis zur Erwerbstätigkeit. 

Entwicklung des Arbeitskräftepotenzials in Deutschland bis 2060

Die Zahl der Arbeitskräfte in Deutschland wird voraussichtlich in den nächsten Jahrzehnten schrumpfen. Bis 2060 wird das Potenzial an Erwerbspersonen nach einer aktuellen Projektion des IAB um 11,7 Prozent zurückgehen. Dabei wurden Faktoren wie der demografische Wandel, Geburtenrate, Zuwanderung und Abwanderung berücksichtigt.

Positiv werden sich der Untersuchung zufolge in den nächsten Jahren die Erwerbsquoten von Frauen und Älteren entwickeln. Bei deutschen Frauen unter 55 Jahren steigt die Quote von 87 auf 93 Prozent, bei Ausländerinnen von 67 auf 77 Prozent, die Geburtenrate steigt von 1,5 auf 1,7 Kinder pro Frau. "Wenn wir die Schrumpfung vermeiden wollen, müssen wir bei den Gegenmaßnahmen also noch mindestens zwei Schippen drauflegen", sagt dazu IAB-Ökonom Enzo Weber.

Prognose: Erwerbsmigration aus Drittländern wird wichtiger

Ansatzpunkte sieht Weber in der Erwerbsbeteiligung, insbesondere von ausländischen Frauen und Älteren, dem Abbau der Arbeitslosigkeit wie auch weiterhin in der Migration. "Bei der Erwerbsmigration werden Drittländer gegenüber der EU immer wichtiger. Die Hürden müssen deshalb weiter abgebaut werden, gleichzeitig muss aber auch mehr dafür getan werden, dass Zugewanderte auf dem Arbeitsmarkt Fuß fassen und in Deutschland eine langfristige Perspektive finden", so Weber.

Die Zuwanderung aus EU-Staaten wie Polen oder Rumänien wird der Studie zufolge bei bisherigen Anstrengungen deutlich abnehmen. Kamen im Durchschnitt der vergangenen zehn Jahre noch jeweils 900.000 Menschen aus EU-Staaten nach Deutschland, werden es im Jahr 2060 nur noch 600.000 sein. Im Gegenzug werde die Zuwanderung aus Drittstaaten von 240.000 auf 500.000 steigen. Gleichzeitig werde aber auch die Abwanderung von derzeit 750.000 Menschen auf eine Million steigen.


Das könnte Sie auch interessieren:

Fachkräfteeinwanderungsgesetz wirkt, bleibt aber hinter den Zielen zurück

IAB-Analyse zur Erwerbstätigkeit von Geflüchteten

Job-Turbo für Geflüchtete beginnt zu wirken

Syrische Arbeitskräfte in Deutschland

Statistisches Bundesamt