Dipl.-Finanzwirt Kirsten Happe
Rz. 35
Asylberechtigte und anerkannte Flüchtlinge haben dann einen Kindergeldanspruch nach § 62 Abs. 2 Nr. 2 EStG, wenn eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 2 AufenthG erteilt wurde. Erforderlich ist ein unanfechtbarer Anerkennungsbescheid des Bundesamts für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge über die Flüchtlingseigenschaft nach der Genfer Flüchtlingskonvention. Dasselbe gilt für Ausländer, denen subsidiär Schutz nach § 4 AsylG zuerkannt worden ist. Die übrigen Voraussetzungen des § 62 Abs. 2 EStG brauchen dann nicht erfüllt zu sein. Flüchtlinge, denen eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 3 bis 5 AufenthG erteilt wurde, sind kindergeldberechtigt, wenn sie die besonderen Voraussetzungen des § 62 Abs. 2 Nr. 3-5 EStG erfüllen.
Rz. 36
Bis zur Festlegung der Geltung des Vorläufigen Europäischen Abkommens über Soziale Sicherheit des Europarats (VEA) – zum 6.9.2013 – begann die Kindergeldberechtigung nicht schon mit der Einreise, sondern frühestens mit der Bescheinigung der Flüchtlingseigenschaft.
Die Rechtsstellung nach den Art. 2 bis 34 Genfer Konvention an sich berechtigte einen Flüchtling nicht zum Bezug von Kindergeld. Nach Art. 24 Abs. 1 Buchst. b (i) (ii) Genfer Konvention waren Flüchtlinge zwar hinsichtlich der gesetzlichen Bestimmungen zur sozialen Sicherheit (unter anderem gesetzliche Bestimmungen bezüglich des Familienunterhalts) Deutschen gleichzustellen, jedoch vorbehaltlich solcher Leistungen oder Teilleistungen, die ausschließlich aus öffentlichen Mitteln bestritten werden. Denn der Flüchtling wird, da ihm die Freibeträge nach § 32 Abs. 6 EStG zustehen, nicht höher als ein Deutscher besteuert. Soweit das Kindergeld der Förderung der Familie dient, besteht kein Anspruch nach der Konvention, da das Kindergeld insoweit eine von der steuerlichen Belastung unabhängige sozialrechtliche Funktion hat und ausschließlich aus öffentlichen Mitteln gezahlt wird.
Rz. 37
Nach Art. 2 des VEA i. V. m. Art. 2 des Zusatzprotokolls zu diesem Abkommen haben seit dem 6.9.2013 anerkannte Asylberechtigte und Flüchtlinge nach der Genfer Flüchtlingskonvention unabhängig davon, ob der Aufenthaltstitel bereits erteilt wurde, einen Anspruch auf Leistungen des Vertragsstaates unter denselben Bedingungen wie dessen Staatsangehörige, sofern sie sich seit mindestens sechs Monaten im Vertragsstaat aufhalten. Das VEA ist in diesen Fällen rückwirkend auch auf Zeiträume anwendbar, die vor dem Zeitpunkt der unanfechtbaren Anerkennung, aber nach Ablauf der Sechs-Monats-Frist liegen.
Bei der rückwirkenden Beantragung von Kindergeld ist § 70 Abs. 1 S. 2 EStG zu beachten, nach dem die Auszahlung von festgesetztem Kindergeld rückwirkend nur für die letzten sechs Monate vor Beginn des Monats, in dem der Antrag auf Kindergeld eingegangen ist, erfolgt.
Rz. 38
Abgelehnte Asylbewerber, deren Aufenthalt wegen vorübergehender Aussetzung der Abschiebung nach § 60a AufenthG lediglich auf einer Duldung beruht, haben keinen Kindergeldanspruch (Rz. 9).
Rz. 39
Hat die Familienkasse das Kindergeld wegen fehlender Anspruchsberechtigung abgelehnt und wird nach erfolgter Anerkennung als Asylberechtigter oder als Flüchtling nach der Genfer Flüchtlingskonvention oder der Zuerkennung subsidiären Schutzes nach der Richtlinie 2011/95/EU eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 1 oder § 25 Abs. 2 AufenthG erteilt, kann für dasselbe Kind erneut ein Antrag auf Kindergeld gestellt werden. In diesem Fall ist erneut über eine Festsetzung zu entscheiden. Eine materiell bestandskräftig gewordene ablehnende Festsetzung kann nach § 175 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 AO ab dem Monat der Anerkennung geändert werden.
Rz. 40–51 einstweilen frei