Rz. 138
Sollen die aufgedeckten stillen Reserven auf neu hergestellte Gebäude übertragen werden, verlängert sich der Rücklagezeitraum von 4 auf 6 Jahre, wenn mit der Herstellung innerhalb der 4-Jahres-Frist begonnen worden ist. Damit wird dem Umstand Rechnung getragen, dass der Neubau eines Gebäudes regelmäßig eine längere Planungs- und Bauzeit erfordert. Beginn der Herstellung ist regelmäßig der tatsächliche Baubeginn; dieser ist zu dokumentieren. Ein sicheres Indiz für den Herstellungsbeginn ist die Stellung des Bauantrags, wenn das hergestellte Gebäude mit dem genehmigten übereinstimmt. Das Investitionsvorhaben kann aber auch schon vorher "ins Werk" gesetzt worden sein, etwa mit Beginn der konkreten und verbindlichen Planungsphase. Die Herstellung innerhalb der 6-Jahres-Frist ist nur für die Übertragung der Rücklage auf das hergestellte Wirtschaftsgut erforderlich, für die Auflösung der Rücklage gelten dagegen die besonderen gesetzlichen Fristen des § 6b Abs. 3 S. 5 EStG. Für die Auflösung der Rücklage – ohne Übertragung – kann es deshalb nicht auf die Fristen ankommen, die für die Herstellung/Anschaffung des Reinvestitionsguts gelten. Da bereits mit der Stellung des Bauantrags regelmäßig ein erheblicher Planungsaufwand verbunden ist, der zu den Herstellungskosten zu rechnen ist, kann schon aus diesem Grund davon ausgegangen werden, dass mit der Herstellung des Gebäudes begonnen wurde. Hierfür spricht auch, dass der Gesetzgeber mit der Verzinsungspflicht nach § 6b Abs. 7 EStG ein bewusstes Ausnutzen der Rücklagefristen, ohne dass es letztlich zur Übertragung der stillen Reserven auf ein Reinvestitionsgut kommt, in Kauf genommen hat.
Rz. 139
Wird der Antrag auf Baugenehmigung abgelehnt, ändert dies nichts daran, dass durch die Antragstellung mit der Herstellung begonnen worden ist. Der Abbruch eines Gebäudes in der Absicht, auf dem Grund ein neues Gebäude zu errichten, ist als Beginn der Herstellung anzusehen, wenn die Abbruchkosten zu den Herstellungskosten des neuen Gebäudes zu rechnen sind. Bei einem Grundstückserwerb ist dies regelmäßig der Fall, wenn bereits im Zeitpunkt des Erwerbs die Absicht bestanden hat, das alte Gebäude abzureißen, um ein neues zu errichten. Soll ein Gebäude abgerissen werden, das der Stpfl. selbst errichtet oder ohne Abrissabsicht erworben hatte, ist der Abriss als Beginn der Herstellung des neuen Gebäudes anzusehen, wenn zwischen dem Abriss des alten und dem Baubeginn des neuen Gebäudes ein wirtschaftlicher und zeitlicher Zusammenhang besteht. Dieser ist nach Auffassung der Finanzverwaltung im Rahmen des § 6b Abs. 3 EStG immer dann anzunehmen, wenn das neue Gebäude innerhalb der verlängerten Reinvestitionsfrist fertiggestellt worden ist
Rz. 140
Der Stpfl. muss das Gebäude selbst hergestellt haben, die Anschaffung eines neu hergestellten Gebäudes genügt für die Verlängerung der Reinvestitionsfrist nicht. Dies folgt aus dem Wortlaut und dem Gesetzeszweck der Regelung, der darauf abzielt, der erfahrungsgemäß längeren Planungs- und Bauzeit eines neu hergestellten Gebäudes Rechnung zu tragen. Auch teilfertige Gebäude können die allgemeinen Merkmale des Gebäudebegriffs (R 7.1 Abs. 5 EStR 2012) erfüllen und so Gestaltungsmöglichkeiten eröffnen. Für die Verlängerung der Frist ist aber in jedem Fall die Neuherstellung des Gebäudes erforderlich. Erweiterungen, Ausbauten oder Umbauten fallen nicht darunter. Zwar sind diese Maßnahmen den Reinvestitionsgütern gleichgestellt (§ 6b Abs. 1 S. 3 EStG) und damit selbstständig übertragungsfähig, sie führen jedoch nicht zu einer Verlängerung der Übertragungsfrist. Die vorstehend genannten Fristen von 4 bzw. 6 Jahren verlängern sich um jeweils 3 Jahre, wenn die Voraussetzungen der Abs. 8 und 9 des Gesetzes (städtebauliche Sanierungs- und Entwicklungsmaßnahmen) erfüllt sind.