Rz. 5
Steuerneutral kann der Gewinn bei der Veräußerung bestimmter Wirtschaftsgüter behandelt werden. Veräußerung ist die Übertragung des (wirtschaftlichen) Eigentums an einem Wirtschaftsgut gegen Entgelt auf einen anderen Rechtsträger. Maßgebend ist das wirtschaftliche Eigentum (§ 39 AO). Wirtschaftliches Eigentum bedeutet eine tatsächliche Sachherrschaft (Besitz) über ein Wirtschaftsgut, die rechtlich gegenüber dem bürgerlich-rechtlichen Eigentümer so abgesichert ist, dass dieser für den Zeitraum der Nutzungsdauer des Wirtschaftsguts von Einwirkungen auf das Wirtschaftsgut ausgeschlossen ist. Bei Nutzung eines fremden Wirtschaftsguts erfolgt zwar eine typisierte Aufwandsverteilung, d. h. Eigentümer und nutzungsbefugter Dritter werden im Rahmen der Gewinnermittlung aus Vereinfachungsgründen gleich behandelt. Im Übrigen wird der Nutzungsberechtigte aber einem (wirtschaftlichen) Eigentümer nicht gleichgestellt, sodass ihm auch Wertsteigerungen nicht zugerechnet werden. Gewinne aus der Realisierung stiller Reserven entstehen bei ihm nicht, sodass eine Übertragung nach § 6b EStG ausscheidet.
§ 6b EStG begünstigt aber nur Veräußerungsvorgänge, keine Entnahmen. Entnahmen erhalten die durch die Veräußerung gewonnenen Mittel dem Betrieb nicht, sondern entziehen sie ihm.
2.1 Eigentumsübergang
Rz. 6
Das wirtschaftliche Eigentum ist in dem Zeitpunkt übertragen, in dem die Verfügungsmacht (Herrschaftsgewalt) auf den Erwerber übergeht (H 6b.1 EStH 2022). Entsprechend dem zivilrechtlichen Abstraktionsprinzip ist damit nicht das schuldrechtliche (Verpflichtungs-)Geschäft, sondern das dingliche Verfügungsgeschäft maßgebend. Für die Übertragung gelten zunächst die bürgerlich-rechtlichen Vorschriften (§§ 929ff. BGB für bewegliche Sachen, §§ 873, 925 BGB für Grundstücke). Mit der Übertragung des bürgerlich-rechtlichen Eigentums wird regelmäßig auch das wirtschaftliche Eigentum übertragen. Der Veräußerungszeitpunkt kann jedoch abweichen. Veräußerungszeitpunkt ist der Zeitpunkt, in dem der Erwerber über das Wirtschaftsgut wie ein Eigentümer verfügen kann, bei Grundstücken der Zeitpunkt des Übergangs von Nutzen, Lasten und Gefahr. Dieser Übergang kann bereits vor Vollendung des bürgerlich-rechtlichen Rechtserwerbs liegen, was sich auf den Reinvestitionszeitraum auswirken kann. Die Veräußerung muss zum Ausscheiden des Wirtschaftsguts aus dem Betriebsvermögen führen mit der Folge, dass das Veräußerungsobjekt bilanzrechtlich nicht mehr dem Veräußerer, sondern dem Erwerber zuzurechnen ist. Bei Vereinbarung eines Eigentumsvorbehalts (aufschiebend bedingte Eigentumsübertragung) wird das wirtschaftliche Eigentum bereits mit Besitzübergang übertragen, wenn der Erwerber vereinbarungsgemäß wie ein Eigentümer über die Sache verfügen kann. Übertragungen von Treugut auf einen Treuhänder oder von Sicherungseigentum auf einen Darlehensgeber sind keine Veräußerungsvorgänge, da dem Erwerber keine Verfügungsmacht i. S. einer Herrschaftsgewalt gewährt wird.
Aus welchen Gründen die Eigentumsübertragung erfolgt, ist ohne Bedeutung. Auf eine Freiwilligkeit der Veräußerung kommt es nicht an. Auch Übertragungen im Weg der Zwangsvollstreckung oder um einer behördlichen Beschlagnahme zuvorzukommen, stehen der Anwendung des § 6b EStG nicht entgegen.
Rz. 7
Werden Wirtschaftsgüter aus dem Betriebsvermögen in das Privatvermögen überführt oder scheiden sie infolge höherer Gewalt aus (z. B. Brand, Diebstahl), liegen keine Veräußerungen vor (R 6b.1 EStRH 2012). Anders als bei einer Entnahme kann beim Ausscheiden eines Wirtschaftsguts infolge höherer Gewalt die Aufdeckung stiller Reserven, die z. B. dadurch bewirkt wird, dass die auf die Anlagegüter entfallenden Versicherungsleistungen die Buchwerte übersteigen, unter den Voraussetzungen des R 6.6 Abs. 1 EStR 2012 durch Übertragung auf ein Ersatzwirtschaftsgut vermieden werden (§ 5 EStG Rz. 286f.; s. Rz. 163). Auch eine Kapitalrückzahlung aufgrund einer handelsrechtlich wirksamen Kapitalherabsetzung ist keine Veräußerung; ein dabei entstandener Gewinn, der dadurch entstehen kann, dass die Kapitalrückzahlung den Buchwert der Kapitalanteile übersteigt, kann nicht in eine Rücklage nach § 6b EStG eingestellt werden.
2.2 Entgeltliche Übertragungen
Rz. 8
Im Rahmen des § 6b EStG kommt nur die entgeltliche Übertragung in Betracht, da nur ein entgeltlicher Veräußerungsvorgang zur Aufdeckung stiller Reserven führen kann. Rechtsgrund kann z. B. ein Kauf- oder Gesellschaftsvertrag sein. Eine entgeltliche Übertragung liegt auch dann vor, wenn ein Wirtschaftsgu...