Prof. Dr. Georg Schnitter
Rz. 331
Die planmäßige AfA geht von den üblichen Nutzungsverhältnissen bei einem Wirtschaftsgut aus. Demgegenüber erfordert die AfaA außergewöhnliche Einwirkungen technischer oder wirtschaftlicher Art auf das Wirtschaftsgut, die im Rahmen des üblichen Gebrauchs des Wirtschaftsguts nicht auftreten. Die Abnutzung muss gegenüber dem normalen Abnutzungsverlauf außergewöhnlich sein. Erforderlich ist ein im üblichen Nutzungsverlauf nicht vorhersehbares und von außen kommendes Ereignis, das unmittelbar auf das Wirtschaftsgut einwirkt und einen erhöhten Substanzverzehr i. S. einer außergewöhnlichen technischen oder wirtschaftlichen Abnutzung beim Wirtschaftsgut zur Folge hat. Geringfügige Beeinträchtigungen bleiben außer Betracht.
Rz. 332
Eine außergewöhnliche technische Abnutzung liegt vor, wenn durch besondere Umstände ein gegenüber der gewöhnlichen Abnutzung erhöhter Verschleiß bzw. Substanzverbrauch eines abnutzbaren Wirtschaftsguts eingetreten ist. In Betracht kommen die Zerstörung bzw. Beschädigung eines Wirtschaftsguts durch äußere Einflüsse wie z. B. Hochwasser, Sturm oder Brand, durch mangelhafte Pflege bzw. Instandhaltung, oder durch in der Beschaffenheit des Wirtschaftsguts selbst liegende Umstände, wie z. B. Gebäudeschwamm oder Fäulnis. Gleiches gilt auch für die im Zusammenhang mit einem Diebstahl eingetretene Beschädigung eines Wirtschaftsguts, welches später wieder aufgefunden wird oder für die übermäßige Abnutzung eines vermieteten Wirtschaftsguts, sofern mit dieser Abnutzung nicht zu rechnen war und ein Ersatzanspruch nicht besteht oder nicht zu realisieren ist. Ebenfalls zu einer außergewöhnlichen technischen Abnutzung führt die teilweise Zerstörung des maßgebenden Wirtschaftsguts. Mangelhafte Bauleistungen, hohe Fahrleistungen oder mehrschichtige Nutzung begründen keine AfaA.
Rz. 333
Von einer außergewöhnlichen wirtschaftlichen Abnutzung ist auszugehen, wenn die wirtschaftliche Nutzbarkeit eines Wirtschaftsguts durch außergewöhnliche Umstände gesunken ist. In Betracht kommen z. B. das technische oder wirtschaftliche "Überholtsein" eines Wirtschaftsguts oder der mit ihm hergestellten Produkte durch neue Erfindungen oder Verschiebungen bei der Nachfrage oder die vorzeitige Beendigung eines Nutzungsverhältnisses. Dagegen reichen Absatzschwierigkeiten aufgrund eines Überangebots oder vorübergehende Rentabilitätsminderungen allein für eine AfaA nicht aus. Der merkantile Minderwert eines Unfall-Kfz ist keine außergewöhnliche wirtschaftliche Abnutzung, da die bloße Wertminderung die Nutzung des Wirtschaftsguts nicht beeinflusst. Bei den außergewöhnlichen Umständen muss es sich um wirtschaftlich klare, objektiv nachprüfbare Umstände handeln. Mögliche zukünftige Entwicklungen reichen hierfür nicht aus. Auch begründet eine bloße Ertragsminderung noch keine AfaA. Geltung hat dies auch im Hinblick auf die wirtschaftlichen Folgen der COVID-19-Pandemie. Überhöhte Anschaffungs- bzw. Herstellungskosten, die über den gemeinen Wert bzw. Teilwert des Wirtschaftsguts hinausgehen, rechtfertigen für sich allein ebenfalls keine AfaA. Geltung hat dies insbesondere für die sog. Baubeschleunigungskosten. Auch bei einem Softwareprogramm führt nicht allein das Erscheinen einer neuen Programmversion zu einer außergewöhnlichen wirtschaftlichen Abnutzung.
Rz. 334
Ist ein abnutzbares Wirtschaftsgut im Zeitpunkt der Anschaffung bzw. Herstellung mit Sach- oder Werkmängeln behaftet, scheidet eine AfaA aus. Hierdurch wird lediglich das wertmäßige Gleichgewicht der beiderseitigen Leistungen berührt. Folge ist aber nicht ein Verlust an Substanz oder Nutzungsfähigkeit. Dies gilt auch dann, wenn sie erst nach Fertigstellung entdeckt werden. Keine Geltung hat dies für Mangelfolgeschäden. Hier ist eine AfaA möglich.
Rz. 335
Eine Verkürzung der Nutzungsdauer ist für die Vornahme von AfaA nicht Voraussetzung. Allerdings rechtfertigt eine tatsächlich eingetretene Verkürzung der Nutzungsdauer allein noch nicht die Vornahme einer AfaA. Anders ist dies, wenn es aufgrund der außergewöhnlichen technischen oder wirtschaftlichen Umstände sowohl zu einem erhöhten Substanzverbrauch bzw. einer verringerten wirtschaftlichen Nutzbarkeit als auch zu einer Verkürzung der Nutzungsdauer des Wirtschaftsguts kommt.
Rz. 336
Bei Wirtschaftsgütern im Bereich der Überschusseinkunftsarten kann allein der Umstand, dass das Wirtschaftsgut ab einem bestimmten Zeitpunkt nunmehr ausschließlich privat genutzt wird, nicht zu einer AfaA führen. Von daher kann eine AfaA z. B. nicht allein deshalb vorgenommen werden, weil das Wirtschaftsgut nicht mehr als Arbeitsmittel dient. Dabei kommt es nicht darauf an, ob der Stpfl. die Nutzung des Wirtschaftsguts zur Einkünfteerzielung freiwillig oder unfreiwillig beendet hat. Eine AfaA kann in Betracht kommen, wenn das entsprechende Wirtschaftsgut unverwertbar ist. Von daher können z. B. AfaA aus wirtschaftlichen Gründen als Werbungskosten bei der Einkunftsart Vermietung und Verpachtung abgez...