Rz. 275

Die betriebsgewöhnliche Nutzungsdauer eines Wirtschaftsguts ist von der technischen und wirtschaftlichen Abnutzung des Wirtschaftsguts im Betrieb des Stpfl. abhängig. Auszugehen ist grundsätzlich von der technischen Nutzungsdauer.

 

Rz. 276

Die technische Abnutzung wird bestimmt durch den substanziellen Verschleiß durch Gebrauch und durch äußere Einflüsse wie z. B. Verwitterung, Rost oder Fäulnis. Bei der Beurteilung der technischen Abnutzung ist davon auszugehen, dass das Wirtschaftsgut laufend instand gehalten wird. Auch eine über 300 Jahre alte Meistergeige z. B., die im Konzertalltag regelmäßig bespielt wird, unterliegt einem technischen Verschleiß, der eine AfA auch dann rechtfertigt, wenn es wirtschaftlich zu einem Wertzuwachs kommt.[1] Bei Instrumenten, die bereits über 100 Jahre alt sind und die regelmäßig im Konzertalltag bespielt werden, kann die Restnutzungsdauer mit 100 Jahren angesetzt werden, sofern der Stpfl. keine kürzere Nutzungsdauer darlegt und nachweist bzw. zumindest glaubhaft macht.[2] Bei neuen Meistergeigen bestehen keine Bedenken, eine typisierende Nutzungsdauer von 60 Jahren der AfA zugrunde zu legen.[3] Kunstwerke anerkannter Meister, bei denen es sich nicht um schlichte Gebrauchskunst handelt, unterliegen weder einer wirtschaftlichen noch einer technischen Abnutzung.[4]

 

Rz. 277

Die betriebsgewöhnliche Nutzungsdauer geht von einer laufenden Instandhaltung des Wirtschaftsguts aus. Kann der Erhaltungsaufwand während der Nutzung nicht ordnungsgemäß durchgeführt werden, ist die betriebsgewöhnliche Nutzungsdauer entsprechend verkürzt zu schätzen. Ist die betriebsgewöhnliche Nutzungsdauer zunächst nach allgemeinen Erfahrungssätzen geschätzt worden und stellt sich während der Nutzungszeit heraus, dass der erforderliche Erhaltungsaufwand nicht ordnungsgemäß durchgeführt wird, kann die Restnutzungsdauer von diesem Zeitpunkt an kürzer zu schätzen sein.[5] Der Restbuchwert ist in diesen Fällen auf die neu geschätzte Restnutzungsdauer zu verteilen. Nutzt sich durch entsprechenden Erhaltungsaufwand ein Wirtschaftsgut technisch nur langsam ab, ist eine entsprechend verlängerte Nutzungsdauer zu schätzen. Im Einzelfall kann durch entsprechenden Erhaltungsaufwand eine technische und wirtschaftliche Abnutzung, z. B. bei Gleisanlagen, dauerhaft verhindert werden. Es liegt dann ein nicht abnutzbares Wirtschaftsgut vor.[6]

 

Rz. 278

Kennzeichnend für die wirtschaftliche Abnutzung ist die wirtschaftliche Entwertung z. B. durch technische und wirtschaftliche Verbesserungen von Produktionsverfahren, durch technische und wirtschaftliche Überholung infolge von Erfindungen, durch Verschiebungen von Nachfragen infolge Modewechsels oder Wandel des Zeitgeschmacks, durch Umstellen des Betriebs, durch Fehlinvestitionen oder durch Auslaufen des Betriebs. Eine Wertminderung allein führt allerdings noch nicht zu einer wirtschaftlichen Abnutzung. Sie kann allenfalls eine Teilwertabschreibung rechtfertigen. Bei Gebäuden rechtfertigt ein nicht mehr zeitgemäßer Wohnungsstandard oder die drohende Unwirtschaftlichkeit für sich allein die Annahme einer kürzeren wirtschaftlichen Nutzungsdauer im Rahmen von § 7 Abs. 4 S. 2 EStG nicht. Gleiches gilt auch für die geplante Aufgabe einer bestimmten Nutzung des Gebäudes. Dagegen ist ein mit Abbruchabsicht erworbenes Gebäude nicht mehr abnutzbar, wenn es nicht mehr zur Einkünfteerzielung genutzt werden kann. AfA wegen wirtschaftlicher Abnutzung kommt bei Wirtschaftsgütern des Privat- und des Betriebsvermögens in Betracht. Sie ist bei allen Wirtschaftsgütern vorzunehmen, bei denen eine wirtschaftliche Abnutzung möglich ist.

 

Rz. 279

Eine wirtschaftliche Abnutzung kann sich auch aus rechtlichen Gründen z. B. im Hinblick auf eine gesetzliche oder vertragliche Begrenzung der Nutzungszeit – z. B. bei Urheber- oder Nutzungsrechten – ergeben. Allerdings können Herstellungskosten für ein Gebäude grundsätzlich nur mit den für dieses Gebäude maßgebenden AfA-Sätzen und nicht nach der mutmaßlichen kürzeren Dauer des Pachtverhältnisses abgesetzt werden, da § 7 Abs. 4 S. 2 EStG ausdrücklich auf die voraussichtliche tatsächliche Nutzungsdauer des Gebäudes und nicht auf eine davon abweichende kürzere Dauer des Miet- oder Pachtverhältnisses abstellt.[7]

 

Rz. 280

Die wirtschaftliche Nutzungsdauer kann niemals länger als die technische Nutzungsdauer sein, wohl aber kürzer. Ist die wirtschaftliche Nutzungsdauer kürzer als die technische Nutzungsdauer, ist die kürzere wirtschaftliche Nutzungsdauer für die AfA maßgebend. Dies gilt allerdings nur dann, wenn das Wirtschaftsgut erfahrungsgemäß vor Ablauf der technischen Nutzungsdauer wertlos wird, was nicht der Fall ist, wenn sich durch dessen Veräußerung noch erhebliche Erlöse erzielen lassen.[8] Ein Fall wirtschaftlicher Abnutzung vor technischer Abnutzung liegt z. B. vor, wenn der wirtschaftliche Eigentümer (Pächter) verpflichtet ist, ein von ihm errichtetes Gebäude nach bestimmter Zeit vor völliger technischer Abnutzung wieder abzubrechen.

 

Rz. 281

Die obj...

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