3.10.3.1 Grundlagen
Rz. 193
Das Bild einer Mischform aus Kapital- und Personengesellschaft wird besonders bei der GmbH & atypisch Still deutlich. Sie ist im Handels- wie im Steuerrecht gleichermaßen anerkannt; beide Rechtsgebiete gehen bei ihrer Wertung indessen völlig unterschiedliche Wege. Während das Handelsrecht der außergewöhnlichen Stärkung der Rechte des stillen Gesellschafters keine Bedeutung beimisst und von den normalen Rechtsfolgen der §§ 230ff. HGB ausgeht, qualifiziert das Steuerrecht – unter gewissen Voraussetzungen – das Vertragsverhältnis mit Rücksicht auf die wirtschaftliche Betrachtungsweise in eine Mitunternehmerschaft um. Diese Mitunternehmerschaft tritt allerdings nach außen nicht in Erscheinung; sie ist vielmehr eine reine Innengesellschaft.
Rz. 193a
Für die atypisch stille Gesellschaft gelten weder die allgemeinen Offenlegungsvorschriften noch kommt die erweiterte Haftung aus § 177a HGB zur Anwendung (Rz. 31-33). Die atypisch stille Gesellschaft besitzt auch keinerlei Rechtsfähigkeit, sie kann weder Eigentum erwerben noch selbstständig klagen oder verklagt werden. Es existiert kein Gesamthandsvermögen.
Rz. 194
Voraussetzungen für die Anerkennung der Mitunternehmerschaft in Form einer atypisch stillen Gesellschaft sind eine eindeutige, im Voraus getroffene Vereinbarung sowie deren tatsächliche Durchführung. Dieses Grunderfordernis resultiert aus den allgemeinen Grundsätzen für die Anerkennung schuldrechtlicher Beziehungen zwischen einer GmbH und ihren Gesellschaftern, die neben das Gesellschaftsverhältnis treten sollen. Es reicht daher nicht aus, wenn der Gesellschafter – ohne besondere Vereinbarung – zugunsten der GmbH bestimmte Leistungen erbringt.
Rz. 194a
Insgesamt ergeben sich aus der unterschiedlichen Betrachtung des Handels- und des Steuerrechts für die praktische Abwicklung einige Besonderheiten gegenüber der Rechtsform der klassischen GmbH & Co.
3.10.3.2 Abgrenzung der typisch zur atypisch stillen Beteiligung
Rz. 195
Der stille Gesellschafter i. S. v. § 230 HGB erzielt regelmäßig Einkünfte aus Kapitalvermögen; § 20 Abs. 1 Nr. 4 S. 1 Halbs. 2 EStG erwähnt aber auch den Ausnahmefall, der eine andere Beurteilung erfordert, wenn "… der Gesellschafter oder Darlehensgeber als Mitunternehmer anzusehen ist." Damit wird an dieser Stelle – ähnlich wie in § 15a Abs. 5 Nr. 1 EStG – der atypisch stille Gesellschafter angesprochen. Dieser erzielt Einkünfte aus Gewerbebetrieb, weil seine Beteiligung stets an einem Handelsgewerbe besteht. Die atypisch stille Gesellschaft ist, auch wenn sie nach außen nicht als Gesellschaft erkennbar wird (Innengesellschaft), einerseits Personengesellschaft i. S. v. § 705 BGB, andererseits eine "andere" Personengesellschaft i. S. v. § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG. Begründet wird diese vom Zivilrecht abweichende Wertung im Wesentlichen damit, dass der Gesellschafter aufgrund schuldrechtlicher Vereinbarungen wie ein Gesamthänder gestellt wird und quasi die Rechtsposition eines Kommanditisten erhält.
Rz. 195a
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typisch stille Gesellschaft |
atypisch stille Gesellschaft |
Beteiligung am Gewinn und Verlust |
Ja, aber eventuell eingeschränkt bei Verlusten |
Ja |
Beteiligung an den stillen Reserven (Vermögen, Firmenwert) |
Nein |
Ja |
Qualifikation der Einkünfte |
§ 20 Abs. 1 Nr. 4 EStG (Kapitalüberlassung steht im Vordergrund) |
§ 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 EStG (Mitunternehmerschaft) |
Abgeltungsteuer |
Ja, ausgenommen § 32d Abs. 1 i. V. m. Abs. 2 S. 1 Nr. 1 Buchst. a EStG (z. B. bei nahestehenden Personen) |
Nein, Einkünfte werden zum individuellen ESt-Tarif besteuert |
Weitere Verträge mit der Gesellschaft |
Qualifikation der Einkünfte entsprechend dem Vertrag |
Sondervergütungen (§ 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 S. 1 EStG) |
Rz. 196
Der BFH hat einige grundlegende Abgrenzungskriterien (§ 15 EStG Rz. 364f.) herausgearbeitet, wobei er von den allg. Merkmalen für die Anerkennung von Mitunternehmerschaften ausgegangen ist. Danach besteht eine atypisch stille Beteiligung und damit ertragsteuerlich eine Mitunternehmerschaft, wenn der stille Gesellschafter (s. a. § 15 EStG Rz. 366)
- nach der Gesamtwürdigung Mitunternehmerrisiko trägt und Mitunternehmerinitiative entfalten kann,
- vergleichbare Rechte und Befugnisse wie ein Kommanditist besitzt, wenn ihm also die Rechte gem. der §§ 164, 166 HGB – zumindest aber die Kontrollrechte des § 166 HGB – zustehen,
- am laufenden Gewinn und Verlust sowie an den stillen Reserven einschließlich des Firmenwerts beteiligt ist.
Eine stark ausgeprägte Mitunternehmerinitiative kann ein schwach ausgeprägtes Mitunternehmerrisiko kompensieren und umgekehrt.
Rz. 196a
Die Beteiligung am Gewinn und Verlust sowie an den stillen Reserven samt Firmenwert muss im Regelfall vereinbart sein. Eine lediglich vorübergehende Teilhabe am Geschäftswert reicht dagegen nicht aus. Ausnahmsweise ist die Beteiligung an den stillen Reserven entbehrlich, wenn der stille Gesellschafter zugleich Gesellschafter-Geschäftsführer der GmbH ist und kraft dieser Stellung wie ein Unternehmer Einflus...