Rz. 85
Überblick
Unter den weiteren Voraussetzungen des § 138d AO stellen grenzüberschreitende Funktionsverlagerungen nach dem Kennzeichen in § 138e Abs. 2 Nr. 4 Buchst. c AO, das dem Kennzeichen E.3 der EU-Klassifizierung entspricht, eine anzeigepflichtige grenzüberschreitende Steuergestaltung dar. § 138e Abs. 2 Nr. 4 Buchst. c AO beschränkt sich auf eine „wesentliche Funktionsverlagerung“ und hat folgende Tatbestandsmerkmale:
- grenzüberschreitende Übertragung oder Verlagerung,
- zwischen verbundenen Unternehmen,
- von Funktionen, Risiken, Wirtschaftsgütern oder sonstigen Vorteilen,
- wesentliche Gewinnauswirkung (der Gewinn vor Zinsen und Steuern des übertragenden Unternehmens muss innerhalb von 3 Jahren weniger als 50 % des Gewinns vor Zinsen und Steuern betragen, der ohne die Übertragung erwartet worden wäre).
Rz. 86
Wesentliche Gewinnauswirkung
§ 138e Abs. 2 Nr. 4 Buchst. c AO erfordert eine wesentliche Gewinnauswirkung. Im Hinblick auf die Wesentlichkeit sind für das übertragende Unternehmen 2 prognostizierte Gewinngrößen (vor Steuern und Zinsen) miteinander zu vergleichen: der aufgrund der Übertragung erwartete Gewinn und der unter der Annahme der nicht stattgefundenen Übertragung erwartete Gewinn. Unterschreitet die erste Gewinngröße die zweite um mehr als 50 %, liegt eine wesentliche Funktionsverlagerung vor. Der Gesetzgeber normiert für die Prognosen zum einen einen Prognosezeitraum von 3 Jahren, zum anderen soll davon auszugehen sein, dass „die verbundenen Unternehmen nach den Grundsätzen ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsleiter handeln“. Die zweite gesetzliche Anforderung ist nicht nur unkonkret, auslegungsbedürftig und letztlich streitanfällig. Es ist auch fraglich, was der doppelte ordentliche und gewissenhafte Geschäftsleiter als Referenzfigur für die Durchführung eines Fremdvergleichs in diesem Zusammenhang hergeben können soll. Letztlich geht es darum, dass die Prognoserechnungen betriebswirtschaftlichen Grundsätzen entsprechen sollen, wobei der Gesetzgeber z. B. in § 1 Abs. 3 Satz 7 AStG kein Problem damit hatte, vergleichbares im Gesetzeswortlaut zu regeln („ökonomisch anerkannte(r) Bewertungsmethoden“). Die Prognoserechnungen sollen m.a.W. plausibel und nachvollziehbar sein, d. h. verkürzt, sie müssen den Grundsätzen ordnungsmäßiger Unternehmensplanung entsprechen, und nicht zum Zwecke der Umgehung der Anzeigepflicht erstellt worden sein. Was die Bezugnahme auf einen Dreijahreszeitraum für eine wesentliche Gewinnauswirkung betrifft, lässt der Gesetzeswortlaut eine Abweichung in einem der 3 der Verlagerung folgenden Jahre hinreichen. Nach Auffassung der Finanzverwaltung ist demgegenüber eine durchschnittliche Betrachtungsweise über den 3-Jahres-Zeitraum zugrunde zu legen.