Leitsatz
1. Die durch die GAP-Reform 2003 eingeführten Zahlungsansprüche sind abnutzbare immaterielle Wirtschaftsgüter.
2. Die betriebsgewöhnliche Nutzungsdauer der Zahlungsansprüche nach der GAP-Reform 2003 ist jedenfalls am Bilanzstichtag 30. Juni 2007 typisierend mit zehn Jahren zu schätzen.
Normenkette
§ 4 Abs. 1, § 5 Abs. 2, § 7 Abs. 1 Sätze 1 und 2, § 9b, § 13 EStG
Sachverhalt
Mit Beendigung des Pachtvertrags über seinen zuvor aktiv bewirtschafteten und nicht aufgegebenen Betrieb im September 2006 hatte ein Landwirt von dem Pächter auch dessen Betriebsprämienansprüche aufgrund der gemeinsamen Agrarpolitik der EU 2003 (GAP-Zahlungsansprüche) für stillgelegte Flächen und Ackerland zu einem Preis von ca. 28.000 EUR erworben. Anschließend verpachtete der Landwirt den Betrieb an einen anderen Pächter und übertrug diesem für die Dauer des Pachtvertrags auch die zugehörigen GAP-Zahlungsansprüche.
In seiner auf den 30.6.2007 aufgestellten Bilanz aktivierte der Landwirt die Zahlungsansprüche mit den AK. AfA machte er erst im Einspruchsverfahren gegen den erklärungsgemäß ergangenen ESt-Bescheid geltend und ging dabei von einer Nutzungsdauer von 7 Jahren aus.
Das FA wies den Einspruch unter Bezugnahme auf BMF, Schreiben vom 25.6.2008 (BStBl I 2008, 682, Rn. 19) zurück. Mit der Klage hatte der Landwirt insoweit Erfolg, als das FG eine AfA für eine Nutzungsdauer von 10 Jahren anerkannte (FG Münster, Urteil vom 19.12.2011, 9 K 3144/09 E, Haufe-Index 2908567, EFG 2012, 1035).
Entscheidung
Der BFH bestätigte das Urteil. Die GAP-Zahlungsansprüche seien abnutzbare immaterielle WG. Eine betriebsgewöhnliche Nutzungsdauer von 10 Jahren sei bezogen auf einen Bilanzstichtag im Jahr 2007 nicht zu beanstanden.
Hinweis
1. Agrarpolitische Maßnahmen der EU haben in vielfältiger Weise auch Auswirkungen auf die Ertragsbesteuerung der Landwirte. Der Urteilsfall betrifft eine landwirtschaftliche Subvention, die in den Jahren 2005 bis 2014 gewährt wurde und die in Abkehr von früheren produktionsbezogenen Kriterien betriebsbezogen gewährt wurde. Die Betriebsprämie erhielten Landwirte aufgrund durch Verwaltungsakt festgesetzter sog. Zahlungsansprüche. Diese waren nicht an den Grund und Boden gebunden, sondern selbstständig übertragbar und konnten mit entsprechender Fläche auch verpachtet werden. Bei zuvor verpachteten Betrieben konnte nur der Pächter Zahlungsansprüche beantragen. Diese blieben auch bei Ablauf des Pachtvertrags beim Pächter.
2. Mit dem Urteil bestätigt der BFH die allgemein vertretene Auffassung, dass ein solcher Zahlungsanspruch ein immaterielles WG ist. Dies hat für die Gewinnermittlung des Erstzuteilungsempfängers keine Bedeutung, weil diesem keine Aufwendungen für den Erwerb entstehen. Anders ist es aber mit dem entgeltlichen Erwerber des Zahlungsanspruchs. Dieser hat das immaterielle WG als Anlagevermögen mit den AK zu aktivieren.
3. Auch immaterielle WG können abnutzbar sein, sodass AfA vorzunehmen sind.
a) Bei einem Recht ist diese Voraussetzung erfüllt, wenn das Recht nur für begrenzte Dauer besteht. Steht der Zeitraum fest, bestimmt dieser die betriebsgewöhnliche Nutzungsdauer und damit den Zeitraum, auf den die AfA zu verteilen ist.
b) Die GAP-Zahlungsansprüche wurden zwar für unbestimmte Zeit festgesetzt. Bei Erlass der EU-Verordnung im Jahr 2003 war aber bereits die spätere Überprüfung der Subvention vorgesehen; zudem war deren Finanzierung nur bis 2013 gesichert. Deshalb behandelt der BFH die Zahlungsansprüche – abweichend von der Auffassung der Finanzverwaltung – als abnutzbare WG. Da die Dauer des Fortbestands der Zahlungsansprüche jedenfalls aus der Perspektive des streitigen Bilanzstichtags 2007 nicht feststand, musste die Nutzungsdauer geschätzt werden. Der BFH entschied sich mit dem Urteil dafür, die Nutzungsdauer in Anlehnung an die geschätzte Nutzungsdauer von Milch- und Zuckerlieferrechten auf 10 Jahre zu bemessen.
c) Eine solche Schätzung wird allerdings nur so lange zulässig sein, wie der Zeitpunkt des Auslaufens der Zahlungsansprüche noch nicht absehbar war. Tatsächlich sind die Zahlungsansprüche zum 31.12.2014 ausgelaufen und durch ein neues System ersetzt worden. Kurz vor Auslaufen der Zahlungsansprüche (also z.B. 2013) wird deshalb nicht mehr von einer 10-jährigen Nutzungsdauer auszugehen sein. Es ist zu hoffen, dass die Finanzverwaltung die Schätzung des BFH für das Jahr 2007 akzeptiert und für die Folgejahre die Nutzungsdauer durch Verwaltungsanweisung typisierend regelt, um Rechtsstreite für jedes der Jahre bis zum Auslaufen der Zahlungsansprüche zu vermeiden.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 21.10.2015 – IV R 6/12