Prof. Dr. Stefan Müller, Laura Peters
3.9.4.1 Grundsätzliches
Rz. 235
Die Vorschrift des § 240 Abs. 1 HGB, § 242 Abs. 1 HGB (jeder Kaufmann hat "seine" Vermögensgegenstände ...) und § 39 Abs. 1 AO stellen hinsichtlich der Bilanzierung grundsätzlich auf den bürgerlich-rechtlichen Eigentümer ab. So darf der Steuerpflichtige ein von ihm eigenbetrieblich genutztes Grundstück seiner Ehefrau nicht bilanzieren. Sind derartige Grundstücke in der Bilanz enthalten, so ist die Bilanz insoweit zu berichtigen, d. h., die unzulässigerweise bilanzierten Grundstücke sind als buchtechnische Entnahmen zum Buchwert auszubuchen.
Wenn sich bürgerlich-rechtliches und wirtschaftliches Eigentum nicht decken, hat der wirtschaftliche Eigentümer das Gebäude bzw. die Gebäudeteile zu bilanzieren. Das gilt sowohl für die Handelsbilanz als auch für die Steuerbilanz. Für die Steuerbilanz ergibt sich dieser Grundsatz aus § 39 Abs. 2 Nr. 1 AO.
Rz. 236
Bei einer Gesamthandsgemeinschaft werden die Gebäude bzw. Gebäudeteile den Beteiligten anteilig zugerechnet (§ 39 Abs. 2 Nr. 2 AO). Ob eine Gesamthandsgemeinschaft gegeben ist, beurteilt sich nach bürgerlichem Recht. Während in den Zurechnungsfällen des § 39 Abs. 2 Nr. 1 AO die formale (bürgerlich-rechtliche) und die wirtschaftliche Berechtigung auseinander fallen und das Wirtschaftsgut einem anderen als dem formal Berechtigten zugerechnet wird, erfolgt im Fall des § 39 Abs. 2 Nr. 2 AO die Zurechnung an den Beteiligten, der, wenn auch nur im Verein mit anderen Beteiligten, sowohl formal als auch wirtschaftlich der Berechtigte ist. Diese Vorschrift hat somit einen anderen Charakter und Zweck als § 39 Abs. 2 Nr. 1 AO. Eine Aufteilung nach § 39 Abs. 2 Nr. 2 AO kommt nur in Betracht, soweit für die Besteuerung eine getrennte Zurechnung erforderlich ist. Das ist der Fall, wenn der Steueranspruch sich nach dem in Betracht kommenden Steuergesetz gegen den einzelnen Gesamthänder richtet, z. B. bei der Einkommensteuer.
3.9.4.2 Praxisrelevante Einzelfälle
Rz. 237
Hat ein Gewerbetreibender ein bebautes Grundstück für seinen Betrieb erworben und sind lt. Kaufvertrag vom 12.10.04 vereinbarungsgemäß Besitz, Gefahr, Nutzungen und Lasten am 1.11.04 auf den Käufer übergegangen, ist jedoch die Eintragung des Eigentümerwechsels erst am 14.3.05 erfolgt, ist der Gewerbetreibende als Käufer bereits ab 1.11.04 wirtschaftlicher Eigentümer des erworbenen Grundstücks. Er hat das Grundstück bereits in der Schlussbilanz auf den 31.12.04 mit den Anschaffungskosten auszuweisen.
Rz. 238
Übt ein anderer als der Eigentümer die tatsächliche Herrschaft über ein Grundstück in der Weise aus, dass er den Eigentümer im Regelfall für die gewöhnliche Nutzungsdauer von der Einwirkung auf das Grundstück wirtschaftlich ausschließen kann, so ist ihm das Grundstück zuzurechnen. Bei Treuhandverhältnissen sind die Grundstücke dem Treugeber, beim Sicherungseigentum dem Sicherungsgeber und beim Eigenbesitz dem Eigenbesitzer zuzurechnen (§ 39 Abs. 2 Nr. 1 AO). Der Herausgabeanspruch des bürgerlich-rechtlichen Eigentümers hat dann keine wirtschaftliche Bedeutung mehr.
Rz. 239
Überlässt eine Mutter ihrem Sohn das zur Ausübung eines Gewerbebetriebs notwendige Grundstück bei in Aussicht genommener späterer Übereignung lediglich zur Nutzung – bei gleichzeitiger Übereignung der dem Betrieb dienenden Einrichtungsgegenstände –, so erwirbt der Sohn auch dann kein wirtschaftliches Eigentum an dem Grundstück, wenn er sämtliche Grundstückslasten und Gebäudeinstandsetzungskosten trägt. Das Grundstück bleibt, sofern es die wesentliche Grundlage des Betriebs bildet, nach den Grundsätzen über die Führung eines Betriebs im Wege der Verpachtung Betriebsvermögen der Mutter.
Rz. 240
Nutzt der Verkäufer eines bebauten Grundstücks die Gebäude vertragsgemäß auch nach dem Verkauf für betriebliche Zwecke weiter bis zum Gebäudeabbruch, um das Grundstück wie vereinbart ohne Gebäude übergeben zu können, so steht ihm als wirtschaftlichem Eigentümer die Gebäude-AfA zu. Der bürgerlich-rechtliche Eigentümer hat keinen Herausgabeanspruch hinsichtlich der Gebäude, da der Nutzungsberechtigte die Gebäude nach Ablauf der vereinbarten Nutzungsdauer zu beseitigen hat. Bei dieser Sachlage kann der Grundstückserwerber zu keinem Zeitpunkt auf die Gebäude einwirken.
Rz. 241
Werden Grundstücke im Rahmen vorweggenommener Erbfolge schenkweise übertragen und nutzt der Übertragende aufgrund unentgeltlicher, auf Lebenszeit vorbehaltener Nießbrauchrechte den übereigneten Grundbesitz wirtschaftlich unverändert, insbesondere in gleichem Maß und in gleicher Weise wie zuvor für seine betrieblichen Zwecke, so verliert er durch die Schenkung nicht nur das zivilrechtliche Eigentum, sondern auch die Möglichkeit, über den Gegenstand wirtschaftlich wie ein ...