Prof. Dr. Stefan Müller, Laura Peters
Rz. 312
Ausheben der Baugrube als Beginn der Herstellung eines Gebäudes
Ist bei einer aus mehreren selbstständigen Gebäuden bestehenden Wohnanlage begonnen worden, eine für alle Gebäude gemeinsame Baugrube auszuheben/auszuschachten, so bedarf es für die Feststellung des Beginns der Herstellung jedes einzelnen Gebäudes keiner zusätzlichen speziell auf das einzelne Gebäude bezogenen Fundamentarbeiten.
Rz. 313
Einbau neuer Gegenstände in vorhandene Installationen als Herstellungskosten
Aufwendungen für den Einbau neuer Gegenstände in vorhandene Installationen eines Wohnhauses können nur dann zu Herstellungskosten gem. § 255 Abs. 2 Satz 1 HGB führen, wenn sie eine deutliche Erweiterung seines Gebrauchswerts (wesentliche Verbesserung) zur Folge haben.
Rz. 314
Einbau eines Kachelofens
Aufwendungen für den Einbau eines Kachelofens anstelle des bisherigen offenen Kamins sind nicht als Erhaltungsaufwand, sondern als Herstellungskosten zu beurteilen. Durch den Einbau des Kachelofens hat der Steuerpflichtige keinen in den Herstellungskosten enthaltenen Gebäudebestandteil ersetzt. Vielmehr hat er dem Gebäude einen bisher nicht vorhandenen Bestandteil hinzugefügt, der in seiner Funktion erheblich über den ersetzten Bestandteil hinausgeht.
Rz. 315
Umgestaltung einer Dachterrasse
Entsteht durch die Umgestaltung einer Dachterrasse zu einem Wintergarten ganzjährig nutzbarer zusätzlicher Wohnraum, sind die Umbaukosten als Herstellungskosten zu beurteilen.
Rz. 316
Aufwendungen zur Ablösung von Stellplätzen
Aufwendungen für die Ablösung der Verpflichtung zur Herstellung von Stellplätzen wegen (Nutzungs-)Änderung des Gebäudes (§ 39 Abs. 1 Satz 3 i. V. m. Abs. 5 LBO BW a. F. = § 37 Abs. 2 LBO n. F.) zählen zu den Herstellungskosten, wenn die zur Änderung führende Baumaßnahme als Herstellung i. S. v. § 255 Abs. 2 HGB anzusehen ist.
Aufwendungen für die Ablösung der Verpflichtung zur Errichtung von Stellplätzen gehören auch dann zu den Herstellungskosten eines Gebäudes, wenn eine Verpflichtung zur nachträglichen Herstellung von Stellplätzen bei bereits bestehenden baulichen Anlagen abgelöst wird.
Für die Qualifizierung der Ablösebeträge als Herstellungskosten oder sofort abzugsfähiger Betriebsausgaben oder Werbungskosten ist somit entscheidend, in welchem Zusammenhang diese angefallen sind. Entstehen die Aufwendungen im Zusammenhang mit der Errichtung (Herstellung) eines Gebäudes, so sind auch die Ablösebeträge als Herstellungskosten zu qualifizieren. Entstehen die Aufwendungen für die Ablösung nur wegen einer bloßen Nutzungsänderung und löst die Nutzungsänderung selbst keine Herstellungskosten aus, so liegen sofort abzugsfähige Betriebsausgaben oder Werbungskosten vor.
Rz. 317
Umbaukosten als Herstellungskosten
Aufwendungen für den Umbau einer bisher eigengenutzten, sich über 2 Geschosse erstreckenden Wohnung in 2 nunmehr fremd vermietete Arztpraxen sind – einschließlich damit im Zusammenhang stehender Kosten für Erhaltungsmaßnahmen – Herstellungskosten i. S. d. § 255 Abs. 2 Alt. 1 HGB (Erstherstellung).
Soweit Baumaßnahmen zu Erweiterungen geführt haben, tritt § 255 Abs. 2 Satz 1 Alt. 2 HGB angesichts der Neuschaffung von Wirtschaftsgütern durch Funktions-/Wesensänderung hinter § 255 Abs. 2 Alt. 1 HGB zurück.
Das Trennungsprinzip zwischen Herstellungskosten und Erhaltungsaufwendungen greift nur in Fällen der Erweiterung oder wesentlichen Verbesserung, nicht aber bei Maßnahmen zur Herstellung neuer Wirtschaftsgüter.
Rz. 318
Aufteilung von Baumaßnahmen auf Gebäudeteile
Siehe Ausführungen in "Herstellungskosten im Abschluss nach HGB und EStG", Rz. 58.
Rz. 318a
Energetische Sanierungen
Die Kosten für energetische Sanierungen führen zu Herstellungskosten gemäß § 255 Abs. 2 HGB, wenn sie zu einer wesentlichen Verbesserung (Erhöhung des Nutzungspotenzials durch eine wesentliche Verlängerung der Nutzungsdauer oder durch eine qualitative Verbesserung) führen, die über den ursprünglichen Zustand des Gebäudes hinausgeht. Die Rechtsprechung des BFH fordert für das Vorliegen von Herstellungskosten eine Verbesserung oder Standardhebung in mindestens drei der zentralen Gebäudebereiche.
In Hinblick auf das Klimaschutzgesetz von 2023, plant das IDW in dem neu gefassten Entwurf des IDW ERS IFA 1 eine stärkere Berücksichtigung von energetischen Investitionen bei der Beurteilung der Gebäudequalität. Nach dem Entwurf soll eine wesentliche qualitative Verbesserung auch dann vorliegen, wenn die Investitionen zu einer deutlichen Minderung des Endenergieverbrauchs oder -bedarfs führen. Dies wäre der Fall, wenn der Endenergieverbrauch oder -bedarf um mindestens 30 % gegenüber dem ursprünglichen Zustand gesenkt wird.