Leitsatz
1. Lehnt ein Antragsteller pauschal alle Richter des Senats, die an einer Entscheidung mitgewirkt haben, allein wegen der Mitwirkung an diesem Beschluss ab, ohne konkrete Anhaltspunkte vorzubringen, die bei vernünftiger objektiver Betrachtung auf eine Befangenheit der Mitglieder des Spruchkörpers deuten, darf das Gericht ausnahmsweise in seiner nach dem Geschäftsverteilungsplan vorgesehenen Besetzung unter Mitwirkung der abgelehnten Richter entscheiden.
2. Wird PKH für eine bereits eingelegte, offensichtlich unzulässige Nichtzulassungsbeschwerde begehrt, können – abweichend von dem Grundsatz, dass über einen PKH-Antrag grundsätzlich vor der Hauptsache zu entscheiden ist – beide Entscheidungen aus Praktikabilitätserwägungen zeitgleich getroffen werden, ggf. nach Verbindung beider Verfahren in einem Beschluss.
3. Ein – im Weg einer Gegenvorstellung – wiederholter Antrag auf Gewährung von PKH ist nur zulässig, wenn neue Tatsachen, Beweismittel oder rechtliche Gesichtspunkte vorgetragen werden, die Veranlassung zu einer für den Antragsteller günstigeren Beurteilung der Erfolgsaussichten geben könnten.
Normenkette
§ 142 FGO, § 114 ZPO
Sachverhalt
Gegen die ablehnende Entscheidung über seinen PKH-Antrag hat der Antragsteller Gegenvorstellung eingelegt und zusätzlich einen Befangenheitsantrag erhoben.
Entscheidung
1. Die Gründe für die Entscheidung über die Gegenvorstellung ergeben sich im Wesentlichen aus den Praxis-Hinweisen. Mangels neuer Gesichtspunkte hatte die Gegenvorstellung keinen Erfolg.
2. Über ein Befangenheitsgesuch entscheidet das Gericht, dem der Abgelehnte angehört, ohne dessen Mitwirkung. Davon gibt es Ausnahmen: Hierzu zählt u.a. die Ablehnung eines ganzen Gerichts – Spruchkörpers –, wenn die Ablehnung allein wegen der Mitwirkung an einer vorausgehenden Entscheidung begründet wird, ohne dass konkrete Anhaltspunkte vorliegen, die bei vernünftiger objektiver Betrachtung auf eine Voreingenommenheit gegenüber dem Beteiligten schließen lassen. Der Befangenheitsantrag muss danach hinsichtlich eines oder mehrerer individuell bestimmter Richter mit gerade aus deren individuellen Besonderheiten hergeleiteten Argumenten begründet werden. Diese Voraussetzungen liegen weder bei gleichzeitiger Entscheidung über einen PKH-Antrag für eine offensichtlich unzulässige NZB und über die NZB noch deswegen vor, weil – in einigen Bundesländern – Richter "durch den Finanzminister" bezahlt werden.
Hinweis
Über die Statthaftigkeit der Gegenvorstellung bestehen unterschiedliche Auffassungen. Eine Entscheidung des BVerfG hat zur Klärung beigetragen. Danach ist zwischen Gegenvorstellungen gegen Entscheidungen zu differenzieren, die das Gericht abändern darf (z.B. PKH und AdV), und solchen, die in materielle Rechtskraft erwachsen und nicht mehr abänderbar sind (z.B. Urteile, einstweilige Anordnung, Entscheidung über eine Anhörungsrüge). Gesetzlich geregelte Bindungen des Gerichts an seine eigenen Entscheidungen, wie sie sich insbesondere aus der Rechtskraft der Entscheidung auch zugunsten des anderen Verfahrensbeteiligten ergeben, dürfen nicht ohne gegenläufige gesetzliche Grundlage mithilfe einer Gegenvorstellung übergangen werden.
Auch ein Beschluss, mit dem die Gewährung von PKH versagt wird, erlangt mit Unanfechtbarkeit materielle Rechtskraft, weshalb ein Antrag auf PKH grundsätzlich nicht wiederholt werden kann. Anders aber, wenn neue Tatsachen, Beweismittel oder rechtliche Gesichtspunkte vorgetragen werden, die Veranlassung zu einer für den Antragsteller günstigeren Beurteilung der Erfolgsaussichten geben könnten. Zu diesen neuen Gesichtspunkten kann auch gehören, dass dem Gericht bei der vorausgehenden ablehnenden Entscheidung ein Fehler unterlaufen ist, der nicht durch die Erhebung – gesetzlich geregelten Anhörungsrüge (§ 133a FGO) – hätte behoben werden können.
Weil die Gegenvorstellung gesetzlich nicht geregelt ist, sind für Form und Frist die für die Anhörungsrüge geltenden Kriterien entsprechend anzuwenden. Hat der Gesetzgeber für das Verfahrensgrundrecht des rechtlichen Gehörs mit der Regelung der Anhörungsrüge ausdrücklich Form und Frist geregelt, kann für einen außergesetzlichen "Rechtsbehelf" wie die Gegenvorstellung nichts anderes gelten.
Während allerdings bei einem erneuten PKH-Antrag nach ständiger Rechtsprechung grundsätzlich PKH längstens bis zum betreffenden Antrag rückwirkend gewährt werden kann, kann diese Einschränkung nicht gelten, soweit der Antragsteller mit der Gegenvorstellung mit Erfolg geltend macht, dem Gericht sei bei der ersten Entscheidung ein Verfahrensfehler unterlaufen.
Link zur Entscheidung
BFH, Beschluss vom 25.08.2009 – V S 10/07