Dipl.-Betriebsw. Karl Birgel
Der folgende Praxisfall beruht auf dem BFH-Verfahren mit Urteil v. 3.2.2011, VI R 4/10, BStBl. II 2014 S. 493.
Sachverhalt: K und seine Ehefrau waren mit je 50 % an einer GmbH beteiligt, deren Gesellschafterbeschlüsse der einfachen Mehrheit bedurften. K war alleinvertretungsberechtigter Geschäftsführer.
Kein beherrschender Gesellschafter
K war also kein beherrschender Gesellschafter, aber der Praxisfall klärt die Voraussetzungen, unter denen bei einem beherrschenden Gesellschafter Gehaltsteile als zugeflossen gelten, obwohl er darauf verzichtet hatte.
Zum Monatsgehalt war ihm auch Weihnachtsgeld zugesagt. Obwohl sich die GmbH nicht in Zahlungsschwierigkeiten befand, erhielt K das vereinbarte Weihnachtsgeld 1998 bis 2001 (insgesamt 46.724 DM) nicht ausgezahlt. Sein Anstellungsvertrag enthielt hierzu keinen Nachtrag und die GmbH hatte das Weihnachtsgeld weder als Aufwand gebucht noch dafür Passivposten ausgewiesen. Das FA nahm die GmbH mit Haftungsbescheid in Anspruch, soweit für das Weihnachtsgeld keine LSt einbehalten worden war. Es berief sich darauf, dass bei einem beherrschenden Gesellschafter eine Forderung bei Fälligkeit als zugeflossen gelte, wenn – wie hier K – darauf nicht klar, eindeutig und im Voraus verzichtet wurde. K klagte und das FG gab der Klage statt. Das Finanzamt ging in Revision.
Lösung: Der BFH bestätigte in seinem Urteil die Entscheidung des FG. Dabei nennt er 4 Möglichkeiten eines Geldzuflusses, nämlich
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Barzahlung, |
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Gutschrift auf dem Bankkonto, |
(3.) |
Gutschrift in den Büchern des Verpflichteten sowie |
(4.) |
die Zuflussfiktion beim beherrschenden Gesellschafter. |
Letztere wird damit begründet, dass ein solcher Gesellschafter über die Vergütung bereits im Zeitpunkt der Fälligkeit verfügen kann. Dies gilt allerdings nur für Vergütungen, die sich bei der Ermittlung des Einkommens der Gesellschaft auch ausgewirkt haben. Deshalb fingiert nicht jeder Verzicht eines beherrschenden Gesellschafters den Zufluss. Kein Zufluss liegt vor, wenn der Gesellschafter gegenüber der Gesellschaft auf bestehende oder künftige Ansprüche ohne Ausgleich verzichtet und dadurch eine Vermögenseinbuße erleidet. Leistet er dagegen eine (verdeckte) Einlage, erleidet er keine Vermögenseinbuße, sondern schichtet sein Vermögen nur um.
Nach diesen Grundsätzen war K das Weihnachtsgeld nicht zugeflossen, weder bar noch durch Gutschrift auf seinem Bankkonto oder in den Geschäftsbüchern der GmbH, auch nicht – entgegen der Auffassung des FA – kraft Zuflussfiktion. Denn die GmbH hat den streitbefangenen Betrag des Weihnachtsgeldes bei der Ermittlung ihres Einkommens unberücksichtigt gelassen, also weder als Aufwand gebucht noch eine diesbezügliche Rückstellung gebildet. Der Zufluss war auch nicht mit einer verdeckten Einlage zu begründen. Denn der Verzicht hat nicht zum Wegfall einer zuvor passivierten Verbindlichkeit bei der GmbH und einer Vermehrung ihres Vermögens und Ertragsfähigkeit geführt. K hat durch den Verzicht sein Vermögen auch nicht in Beteiligungskapital umgeschichtet, sondern eine tatsächliche Vermögenseinbuße erlitten. Allein schon mit dieser Begründung hätte der BFH seine Urteilsfindung schließen können. Klarstellend führte er darüber hinaus aus, dass K auch kein beherrschender Gesellschafter gewesen ist. Insoweit konnte sich der BFH auf umfangreiche Rechtsprechung auch anderer Senate berufen.