Leitsatz

1. Wird im Gesamtprozess einer Kollektionserstellung die letzte Verbesserung der Mustervorgaben, die nicht nur unwesentliches Beiwerk ist, im Ausfuhrland durch Personen durchgeführt, die vom Käufer der unter Verwendung dieser Muster dort hergestellten und dann in die Gemeinschaft eingeführten textilen Fertigerzeugnisse (Serienproduktion) bezahlt werden, so kommen die vom Käufer getragenen Aufwendungen für dieses Personal (hier: Zahlung der Gehälter und Übernahme von Wohnungsmieten), soweit sie nicht bereits im tatsächlich gezahlten oder zu zahlenden Preis für die eingeführten Waren enthalten sind, als unter dem Aspekt der sog. geistigen Beistellungen in deren Zollwert einzubeziehender Hinzurechnungsposten in Betracht.

2. Solche geistigen Beistellungen (1.) sind jedenfalls dann i.S.d. Art. 8 Abs. 1 Buchst. b Ziff. IV ZWVO 1980 "außerhalb der Gemeinschaft erarbeitet" worden und damit zuschlagspflichtig, wenn hinsichtlich der Tätigkeit der betreffenden ausländischen Mitarbeiter des in der Gemeinschaft ansässigen Käufers eine enge Beziehung zum Zollgebiet und damit zur Wirtschaft der Gemeinschaft nicht besteht. Die bloße Führung auf der Gehaltsliste des Käufers reicht hierfür nicht aus.

 

Normenkette

Art. 8 Abs. 1 Buchst. b, Ziff. IV VO (EWG) Nr. 1224/80 (ZWVO 1980)

 

Sachverhalt

Ein Importeur ließ Textilien in Hongkong herstellen. Zur Verbesserung der jeweiligen Kollektion beschäftigte er in Hongkong ansässige Mitarbeiter. Deren Gehälter berücksichtigte er nicht bei der Zollwertanmeldung für die später aus Hongkong eingeführten Textilien. Als das HZA dies feststellte, erhob es für die Gehälter Zoll nach. Diese seien dem Preis zollwertrechtlich als für (geistige) Beistellungen geleistet hinzuzurechnen. Denn nach Ziff. IV der in Art. 8 Abs. 1 Buchst. b ZWVO 1980 enthaltenen Aufzählung gehöre zu den Beistellungen, deren Wert dem Zollwert der eingeführten Waren hinzuzurechnen sei, auch der Wert der für die Herstellung der eingeführten Waren notwendigen Techniken, Entwicklungen, Entwürfe, Pläne und Skizzen, sofern diese außerhalb der Gemeinschaft erarbeitet wurden.

 

Entscheidung

Der BFH hat diese Argumentation des HZA gebilligt. Die Zahlungen an die Mitarbeiter in Hongkong seien zwar nicht Bestandteil des Preises für die eingeführten Textilien, denn sie seien nicht zugunsten der Verkäufer der Textilien geleistet worden und auch nicht Bedingung für das Zustandekommen der Kaufverträge gewesen. Sie seien aber dem Preis als geistige Beistellung hinzuzurechnen. Für die Einbeziehung solcher Beistellungen in den Zollwert reiche grundsätzlich aus, dass die betreffende geistige Leistung außerhalb der Gemeinschaft erbracht wird.

Der BFH hat allerdings offen gelassen, ob das auch dann gelten würde, wenn eine "enge Beziehung der ausländischen Mitarbeiter zum Zollgebiet und damit zur Wirtschaft der Gemeinschaft gewahrt bleibt, ihr Aufenthalt im Drittland also nur ein vorübergehender ist". Dies verlange aber mehr, als dass ein Arbeitsverhältnis zum inländischen Käufer besteht. Der Hauptwohnsitz der Mitarbeiter in der Gemeinschaft müsse während ihres Aufenthalts im Drittland erhalten bleiben.

 

Hinweis

1. An die Stelle der im Besprechungsfall noch anzuwendenden Zollwertverordnung 1980 ist inzwischen der Zollkodex mit der ZKDVO getreten. Wie in vielen Bereichen, in denen in den ZK lediglich früher in gesonderten Verordnungen enthaltene Vorschriften eingestellt worden sind, haben die Aussagen der Entscheidung aber auch unter Geltung des ZK Gültigkeit, weil die maßgeblichen Vorschriften inhaltlich unverändert geblieben sind.

2. Zollwert eingeführter Waren ist nach Art. 29 Abs. 1 Satz 1 ZK grundsätzlich der Transaktionswert, d.h. der für die Waren bei einem Verkauf zur Ausfuhr in das Zollgebiet der Gemeinschaft tatsächlich gezahlte oder zu zahlende Preis, ggf. nach Berichtigung gem. Art. 32 und 33 ZK. Nur Hilfsweise lässt Art. 30 ZK andere Methoden der Zollwertermittlung zu und enthält Art. 31 eine sog. Schlussmethode, die erst angewandt werden darf, wenn alle anderen Methoden nicht greifen.

3. Die Entscheidung des BFH entspricht der Verwaltungsmeinung. Diese kann zu willkürlichen Unterscheidungen führen, etwa bei Betrieben in der Nähe der Grenze des Zollgebiets der Gemeinschaft, wo einige Mitarbeiter außerhalb, andere innerhalb der Gemeinschaft wohnen werden. Wichtiger als das Abstellen auf den Wohnsitz ist deshalb wohl die – vom BFH gleichsam im Hintergrund angestellte – Überlegung, eine Einbeziehung geistiger Beistellungen sei bei solchen Mitarbeitern geboten, die in den Betrieb des in der Gemeinschaft ansässigen Importeurs nicht wirklich eingegliedert sind, sondern ihre maßgebliche Arbeitsleistung außerhalb der Gemeinschaft erbringen.

 

Link zur Entscheidung

BFH, Urteil vom 21.11.2002, VII R 21/01

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