Prof. Dr. Franceska Werth
Leitsatz
Geleistete Anzahlungen sind jedenfalls dann keine "anderen Forderungen" i.S. von § 13b Abs. 2 Satz 2 Nr. 4a ErbStG a.F., wenn sie nicht für den Erwerb von Verwaltungsvermögen geleistet wurden.
Normenkette
§ 13b Abs. 2 Satz 2 Nr. 4a ErbStG
Sachverhalt
Mit notariellem Vertrag übertrug der Beigeladene zu 1. schenkweise an den Beigeladenen zu 2. mit Wirkung zum 1.12.2013 einen Teilgeschäftsanteil an der Klägerin, einer GmbH. Nach einer Außenprüfung stellte das FA gegenüber der Klägerin und den Beigeladenen u.a. den Wert des Anteils nach § 151 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 BewG und die Summe der gemeinen Werte der Wirtschaftsgüter des Verwaltungsvermögens nach § 13b Abs. 2a ErbStG i.d.F. bis 30.6.2016 (ErbStG a.F.) auf den 1.12.2013 gesondert fest.
Im Rahmen des Einspruchsverfahrens wurden mit geänderten Bescheiden vom 24.8.2016 der Wert des Anteils an der Kapitalgesellschaft auf 10.982.059 EUR sowie die Summe der gemeinen Werte des Verwaltungsvermögens mit 3.968.007 EUR festgestellt und die Quote des Verwaltungsvermögens mit 17,76 % angegeben. Bei der Ermittlung des Verwaltungsvermögens setzte das FA Anzahlungen i.H.v. 3.243.361 EUR im Zusammenhang mit einem Verwaltungsneubau sowie i.H.v. 626.673 EUR im Zusammenhang mit dem laufenden Geschäftsbetrieb als "andere Forderungen" i.S.d. § 13b Abs. 2 Satz 2 Nr. 4a Satz 1 ErbStG a.F. an. Nach insoweit erfolglosem Einspruchsverfahren gab das FG (FG Münster, Urteil vom 22.10.2020, 3 K 2699/17 F, Haufe-Index 14243192) der Klage statt. Zur Begründung führte es aus, dass der Begriff der "anderen Forderungen" i.S.d. § 13b Abs. 2 Satz 2 Nr. 4a Satz 1 ErbStG a.F. einschränkend auszulegen sei und lediglich Forderungen umfasse, die auf Geld gerichtet seien. Die geleisteten Anzahlungen stellten keine auf Geld gerichteten Forderungen dar, sondern verkörperten Sachleistungsansprüche. Mit der Revision macht das FA eine Verletzung von § 13b Abs. 2 Satz 2 Nr. 4a Satz 1 ErbStG a.F. geltend.
Entscheidung
Der BFH hat die Revision des FA als unbegründet zurückgewiesen.
Hinweis
1. Die Vorschriften der §§ 13a, 13b ErbStG a.F. betreffen die Begünstigung des Betriebsvermögens. Sie sind zwar verfassungswidrig, jedoch nach Maßgabe des Urteils des Bundesverfassungsgerichts vom 17.12.2014, 1 BvL 21/12 (BGBl I 2015, 4, BVerfGE 138, 136, BStBl II 2015, 50) weiter anzuwenden.
2. Zum nicht begünstigten Verwaltungsvermögen gehört nach § 13b Abs. 2 Satz 2 Nr. 4a ErbStG a.F. der nach Abzug des gemeinen Werts der Schulden verbleibende Bestand an Zahlungsmitteln, Geschäftsguthaben, Geldforderungen und anderen Forderungen, soweit er 20 % des anzusetzenden Werts des Betriebsvermögens des Betriebs oder der Gesellschaft übersteigt. Die Summen der gemeinen Werte der Wirtschaftsgüter des Verwaltungsvermögens i.S.d. § 13b Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 bis 5 ErbStG a.F. werden gesondert festgestellt (§ 13b Abs. 2a Satz 1 und 2 ErbStG a.F. i.V.m. § 152 Nr. 1 bis 3 BewG).
3. Die Auslegung des Begriffs der "anderen Forderungen" im Sinne dieser Vorschrift ist umstritten. Der BFH hat mit der vorliegenden Entscheidung klargestellt, dass Sachleistungsansprüche jedenfalls dann nicht als schädliches Verwaltungsvermögen nach § 13b Abs. 2 Satz 2 Nr. 4a ErbStG a.F. erfasst werden, wenn diese Ansprüche auf Wirtschaftsgüter gerichtet sind, die, wenn sie bereits zum Stichtag aktiviert wären, kein Teil des Verwaltungsvermögens nach § 13b Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 bis 4, Nr. 5 ErbStG a.F. wären.
4. "Geleistete Anzahlungen" i.S.v. § 266 Abs. 2 HGB sind unabhängig davon keine "anderen Forderungen" i.S.v. § 13b Abs. 2 Satz 2 Nr. 4a ErbStG a.F. Inwieweit sie als Verwaltungsvermögen zu qualifizieren wären, wenn sie für Wirtschaftsgüter geleistet werden, die, wenn sie zum Stichtag bereits dem Betrieb zuzurechnen wären, ihrerseits Verwaltungsvermögen wären, bedurfte im Streitfall keiner Entscheidung. Denn aufgrund des Verbots der Bilanzierung von Ansprüchen aus schwebenden Geschäften wird nicht der Sach- oder Dienstleistungsanspruch selbst beim Vorleistenden aktiviert, sondern die geleistete Anzahlung.
5. Dass ggf. bei Scheitern der Vertragsdurchführung ein Rückzahlungsanspruch in Bezug auf die Anzahlung entsteht, rechtfertigt nach Auffassung des BFH keine andere Beurteilung. Allein die abstrakte Möglichkeit, dass es zu solchen Ereignissen kommen könnte, rechtfertigt es nicht, bereits die Bilanzposition "geleistete Anzahlungen" als Zahlungsanspruch zu verstehen.
6. Ob die Passivierung der Anzahlung bei dem Anzahlungsempfänger dazu führen kann, dessen Verwaltungsvermögensbestand zu mindern, hat der BFH ausdrücklich offengelassen, da diese Frage im vorliegenden Verfahren nicht zu entscheiden war.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 1.2.2023 – II R 36/20