Leitsatz
Die zur Entstehung der ErbSt führende Geltendmachung des Pflichtteilsanspruchs setzt nicht die Bezifferung des Anspruchs voraus.
Normenkette
§ 3 Abs. 1 Nr. 1, § 9 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b, § 10 Abs. 5 Nr. 2, § 13 Abs. 1 Nr. 11 ErbStG, § 2303 BGB
Sachverhalt
Nach vergeblichen Einigungsversuchen mit der Alleinerbin seines Vaters "machte" der Kläger im Dezember 1995 über einen Anwalt gegen die Erbin "seinen Pflichtteilsanspruch geltend". Dabei wurden Wesen und Berechnung des Anspruchs erläutert. "Um den dem Kläger zustehenden Geldbetrag ermitteln zu können", wurde die Erbin aufgefordert, die in § 2314 BGB vorgesehenen Auskünfte zu erteilen. Für den Fall des Verstreichenlassens der dafür gesetzten Frist wurde Klageerhebung angekündigt. 1998 kam es zu einer Einigung mit der Erbin.
Während das FA meinte, der Pflichtteilsanspruch sei bereits mit dem Anwaltsschriftsatz vom Dezember 1995 i.S.d. § 3 Abs. 1 Nr. 1 und § 9 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b ErbStG geltend gemacht worden, war der Kläger der Ansicht, mit dem Schreiben hätten erst die Entscheidungsgrundlagen für das Ob und den Umfang einer Geltendmachung beschafft werden sollen. In der Sache ging es dabei um den 1996 wesentlich erhöhten Freibetrag.
Entscheidung
Der BFH bestätigte die Auffassung des FA. Er billigte die Auslegung des Anwaltsschriftsatzes, wonach dieser nicht auf ein bloßes Auskunftsbegehren beschränkt sei, sondern ein ernstliches Erfüllungsverlangen darstelle.
Die fehlende Bezifferung des Pflichtteilsanspruchs ist kein Hindernis für die Steuerentstehung. Auch beim Erwerb durch Erbanfall (§ 1922 BGB) entsteht die Steuer unabhängig davon, ob sich der Erwerb und damit die Steuer der Höhe nach bereits beziffern lassen.
Hinweis
Der nach § 2317 Abs. 1 BGB bereits mit dem Erbfall entstandene Pflichtteilsanspruch gilt nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG erst mit seiner Geltendmachung als von Todes wegen erworben. Infolge dessen kann auch die ErbSt erst zu diesem Zeitpunkt entstehen (§ 9 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b ErbStG). Korrespondierend damit kann der Erbe die Pflichtteilverbindlichkeit nach § 10 Abs. 5 Nr. 2 ErbStG erst ab diesem Zeitpunkt abziehen. Diese Regelungen zeigen, welche Bedeutung der Frage zukommt, ob und wann der Berechtigte seinen Pflichtteilsanspruch geltend gemacht hat.
Dazu gibt es seit langem die Formel, unter "Geltendmachung" sei das ernstliche Erfüllungsverlangen zu verstehen. Das Erfüllungsverlangen müsse in geeigneter Weise bekundet worden sein. Strittig war bislang, ob es auch bereits beziffert worden sein muss. Der Pflichtteilsberechtigte ist ohne Mitwirkung des/der Erben regelmäßig nicht in der Lage, die Höhe seines Anspruchs zu ermitteln. Er ist zwar nicht gezwungen, den Anspruch in voller Höhe geltend zu machen; aber auch für die Entscheidung, den Anspruch nur teilweise geltend zu machen, ist bedeutsam, die genaue Höhe des Anspruchs zu kennen. Daher räumt ihm § 2314 Abs. 1 BGB einen Auskunftsanspruch gegen den Erben ein, sofern er nicht selbst Erbe ist.
Der Auskunfts- und der Pflichtteilsanspruch können nach § 254 ZPO durch eine Stufenklage verfolgt werden. Dabei kann der Pflichtteilsanspruch naturgemäß noch nicht beziffert werden. Gleichwohl hemmt die Erhebung der Stufenklage gem. § 204 BGB die Verjährung des Pflichtteilsanspruchs, und zwar bis zur Höhe des nach Erfüllung des Auskunftsverlangens bezifferten Betrags – also ggf. in voller Höhe.
Soweit die Ansicht vertreten wird, die Geltendmachung des Pflichtteilsanspruchs setze dessen Bezifferung voraus, wird vor allem auf dieses Institut der Stufenklage verwiesen und gefordert, jedenfalls die Erhebung einer Stufenklage noch nicht als Geltendmachung zu werten. Der BFH hat nunmehr entschieden, dass die Geltendmachung des Pflichtteilsanspruchs nicht dessen Bezifferung voraussetzt. Der Umstand, dass bei fehlender Bezifferung die Höhe des Werts des Erwerbs von Todes wegen und damit die Höhe der entstandenen ErbSt noch nicht feststeht, ist kein Hindernis für die Entstehung des Steueranspruchs und auch bei einem Erwerb durch Erbanfall nach § 1922 BGB keine Seltenheit. Bringt der Pflichtteilsberechtigte sein Erfüllungsverlangen in einer Weise vor, die dahin zu verstehen ist, dass er die Erfüllung seines Anspruchs in voller Höhe fordert, ist der Anspruch auch ohne Bezifferung geltend gemacht. Für die Stufenklage folgt daraus, dass eine allgemeine Aussage, ihre Erhebung stelle bereits eine Geltendmachung oder noch keine Geltendmachung dar, nicht möglich ist. Es kommt vielmehr auf ihre Formulierung im Einzellfall und ggf. auf die Vorgeschichte an.
Ob bereits ernstlich Erfüllung verlangt worden ist, ist durch Auslegung der vom Pflichtteilsberechtigten dazu gegenüber den Erben abgegebenen Erklärungen zu ermitteln. Dabei handelt es sich um eine Tatsachenfeststellung, die im Fall eines Rechtsstreits dem FG obliegt und durch den BFH nur eingeschränkt überprüfbar ist. Für den Pflichtteilsberechtigten, der sich die Durchsetzung seines Anspruchs noch offen lassen will, kommt es daher darauf an, seine Erklärungen geg...