Dipl.-Finanzwirt Christian Ollick
Leitsatz
Das FG Rheinland-Pfalz geht der Frage nach, ob kindergeldberechtigte Ehegatten einen gemeinsamen Haushalt im Ausland führen, sofern ein Ehepartner sich über mehrere Monate hinweg berufsbedingt im Inland aufhält.
Sachverhalt
Geklagt hatte eine Mutter, die mit ihren zwei Kindern in Bulgarien im Haus ihrer Schwiegermutter wohnte. Ihr Ehemann war in Deutschland wohnhaft und als Bauhelfer tätig. Melderechtlich war er auch in Bulgarien am Wohnort seiner Familie registriert.
Ende 2015 hatte der Ehemann in Deutschland die Festsetzung von Kindergeld für seine beiden Kinder beantragt; die Ehefrau hatte sich in dem Antrag damit einverstanden erklärt. Auf dem eingereichten Formular befand sich ihre Unterschrift, darunter stand: "Unterschrift des gemeinsam mit dem Antragsteller/ der Antragstellerin in einem Haushalt lebenden Ehepartners oder anderen Elternteils". Die Familienkasse forderte den Ehemann auf, diverse Unterlagen und Nachweise vorzulegen. Nachdem diese nicht beigebracht wurden, lehnte die Kasse den Kindergeldantrag mit Bescheid vom 3.2.2016 (bestandskräftig) ab. 2017 stellte schließlich die Ehefrau einen Kindergeldantrag für die Kinder. Die Familienkasse lehnte jedoch eine rückwirkende Gewährung für einen Zeitraum vor März 2016 ab und verwies darauf, dass eine rückwirkende Kindergeldfestsetzung durch die Bestandskraft des gegenüber dem Ehemann ergangenen Bescheids ausgeschlossen sei; der Bescheid entfalte auch eine Bindungswirkung gegenüber der Ehefrau, da diese den Ehemann zum vorrangig Berechtigten bestimmt habe. Diese Bestimmung sei aufgrund eines vorhandenen gemeinsamen Haushalts nach § 64 Abs. 2 Satz 2 EStG erfolgt. Die Ehefrau war hingegen der Auffassung, dass der Ablehnungsbescheid aus dem Jahr 2016 nur gegenüber ihrem Ehemann bindend sei.
Das FG vernahm den Ehemann als Zeugen, woraufhin dieser erklärt, dass er alle drei Monate nach Bulgarien fahre, um dort für zwei bis drei Wochen bei seiner Familie zu sein.
Entscheidung
Das FG entschied, dass eine rückwirkende Kindergeldzahlung an die Ehefrau zu Recht abgelehnt worden ist, da ein solcher Anspruch durch den vorrangigen Kindergeldanspruch des Ehemanns ausgeschlossen war. Im Kindergeldantrag des Ehemanns hatten die Eheleute aufgrund eines gemeinsamen Haushalts (§ 64 Abs. 2 Satz 2 EStG) übereinstimmend den Ehemann zum Berechtigten bestimmt; ihm gegenüber war sodann die Kindergeldfestsetzung rechtskräftig abgelehnt worden.
Für einen gemeinsamen Haushalt sprach für das FG zunächst die Tatsache, dass die Eheleute im Streitzeitraum nicht getrennt waren. Es lag zwischen ihnen unstreitig eine familiäre Bindung vor. Beide Partner hatten Teile der materiellen und immateriellen Fürsorge übernommen, wenn auch in unterschiedlichem Umfang. Unstreitig war, dass der Vater seine Frau und seine Kinder finanziell unterstützt hatte. Hinzu kam, dass der Vater in seiner freien Zeit seine Familie besucht hatte und während dieser Zeit auch die Versorgung der zwei Kinder übernommen hatte; am Familienleben hatte er zudem durch abendliche Videoanrufe teilgenommen. Im Ergebnis war trotz der räumlichen Distanz von einem örtlich gebundenen Zusammenleben auszugehen.
Hinweis
Kindergeld wird bei mehreren kindergeldberechtigten Personen nur demjenigen gezahlt, der das Kind in seinen Haushalt aufgenommen hat (§ 64 Abs. 2 Satz 1 EStG). Ist ein Kind in den gemeinsamen Haushalt von Eltern, einem Elternteil und dessen Ehegatten, Pflegeeltern oder Großeltern aufgenommen worden, so bestimmen diese untereinander den Berechtigten (§ 64 Abs. 2 Satz 2 EStG). Diese Bestimmung war im Urteilsfall wirksam getroffen worden.
Link zur Entscheidung
FG Rheinland-Pfalz, Urteil v. 13.04.2023, 6 K 1833/19