Leitsatz
Die für die Ansparabschreibung nach § 7g Abs. 3 Satz 2 EStG erforderliche "voraussichtliche" Anschaffung oder Herstellung eines Wirtschaftsguts setzt eine hinreichende Konkretisierung der geplanten Investition voraus. Die insoweit zu treffende Prognose ist bei Steuerpflichtigen, die ihren Gewinn nach § 4 Abs. 3 EStG ermitteln, aus der Sicht am Ende des jeweiligen Gewinnermittlungszeitraums vorzunehmen.
Normenkette
§ 7g Abs. 3 EStG , § 7g Abs. 6 EStG
Sachverhalt
Der Kläger betätigte sich seit 1.11.1993 als selbstständiger Handelsvertreter auf dem Gebiet der Medizintechnik. Seinen Gewinn ermittelte er nach § 4 Abs. 3 EStG. 1994 erzielte er Umsätze i.H.v. rd. 27.000 DM. Im Streitjahr 1995 erwirtschaftete er Erlöse i.H.v. rd. 97.000 DM und einen Gewinn von ca. 46.000 DM. Während des Einspruchsverfahrens gegen den Einkommensteuerbescheid 1995 beantragte er erstmals am 27.10.1998 eine Ansparabschreibung nach § 7g Abs. 3 ff. EStG i.H.v. 245.000 DM. Er fügte diesem Antrag eine detaillerte Aufstellung über die geplanten Investitionen i.H.v. 616.000 DM bei.
Das FA versagte den Abzug. Das FG wies die dagegen gerichtete Klage ab (EFG 2000, 1309). Der BFH bestätigte die Vorentscheidung.
Entscheidung
Die "voraussichtliche" Investition müsse von Gesetzes wegen hinreichend konkretisiert sein. Ob dies der Fall sei, richte sich nach den Umständen des Einzelfalls. Der Tatbestand des § 7g Abs. 3 EStG sei aber unzweifelhaft dann nicht erfüllt, wenn die behauptete Investition zum maßgeblichen Beurteilungszeitpunkt nicht (mehr) möglich sei.
Das FG habe verfahrensfehlerfrei festgestellt, dass nach den "objektiven äußeren Umständen" erhebliche Bedenken bestanden hätten, ob der Kläger die nach seiner Behauptung geplanten Investitionen in der vorgesehenen kurzen Zeit überhaupt hätte finanzieren können. Ferner habe das FG festgestellt, dass der Kläger die Ansparabschreibung erst im Einspruchsverfahren beantragt und dass er Gründe für die späte Geltendmachung des Wahlrechts nicht vorgebracht habe. Diese Feststellungen rechtfertigten die rechtliche Einschätzung, dass im Streitfall von "voraussichtlichen" Investitionen nicht die Rede sein könne.
Hinweis
1. Das Gesetz enthält keine ausdrückliche Regelung darüber, ob und ggf. wie nachzuweisen ist, dass eine Investition i.S.v. § 7g Abs. 3 EStG "beabsichtigt" ist. Nach Auffassung des BFH (vgl. erstmals Urteil vom 12.12.2001, XI R 13/00, BFH-PR 2002, 208) muss der Steuerpflichtige entgegen der h.M. in der Literatur seine Investitionsabsicht weder nachweisen noch glaubhaft machen. Dem schließt sich auch das Besprechungsurteil an.
2. Im Urteil vom 25.4.2002, IV R 30/00 (BFH-PR 2002, 331) hat der BFH indessen für die Bildung einer Ansparrücklage in Bezug auf einen erst noch zu eröffnenden Betrieb verlangt, dass die Investitionsabsicht des Steuerpflichtigen "ausreichend konkretisiert" ist. Bei geplanter Anschaffung der wesentlichen Betriebsgrundlagen setze dies deren verbindliche Bestellung voraus.
3. Die vorstehende Erwägung lässt sich nach dem Besprechungsurteil auch auf den Streitfall übertragen. Danach finden die in der Phase der Betriebseröffnung geltenden strengeren Anforderungen an die Konkretisierung der vorgeblich geplanten Investitionen gleichermaßen für den hier vorliegenden Fall Anwendung, dass der Steuerpflichtige eine wesentliche Erweiterung seines bereits bestehenden Betriebs plant (arg. § 269 HGB).
4. Vor allem aber leitet das Besprechungsurteil die vom Gesetz geforderte Notwendigkeit einer Konkretisierung der geplanten Investition aus dem in § 7g Abs. 3 Satz 2 EStG enthaltenen Tatbestandsmerkmal "voraussichtlich" ab. Dieses Tatbestandsmerkmal erfordert eine Prognoseentscheidung über das künftige Investitionsverhalten des Steuerpflichtigen. Diese Prognose ist bei Steuerpflichtigen, die ihren Gewinn durch Betriebsvermögensvergleich ermitteln, aus der Sicht des betreffenden Bilanzstichtags und bei Überschussrechnern (§ 4 Abs. 3 EStG) aus der Sicht am Ende des Gewinnermittlungszeitraums zu treffen, für den die Ansparabschreibung vorgenommen werden soll.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 19.9.2002, X R 51/00