Leitsatz
Organe von juristischen Personen können ständige Vertreter i.S. des § 13 AO sein.
Normenkette
§ 2 Nr. 1 KStG, § 13 AO, § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG, Art. 2 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. c DBA-Luxemburg 1958/1973
Sachverhalt
Die in Liquidation befindliche Klägerin ist eine Aktiengesellschaft luxemburgischen Rechts. In den Jahren 2001 bis 2007 betrieb sie u.a. den Handel mit Dental-Altgold. Diese Tätigkeit zeichnete sich dadurch aus, dass die Klägerin von zumeist deutschen Kunden (Zahnlabore u. Ä.) oder Zwischenhändlern Gold erwarb und dieses sodann an Scheideanstalten veräußerte.
In den Büroräumen der Klägerin in Luxemburg befanden sich u.a. ihre Geschäftsunterlagen und ein Tresor für das Gold. Von dort aus wurden auch die Geschäfte der Klägerin durch den damaligen Mehrheitsgesellschafter und Alleingeschäftsführer der Klägerin, M, geleitet. M hatte unter der Büroanschrift der Klägerin auch eine Wohnung, die er ständig benutzte.
Das FA vertrat die Auffassung, dass die Klägerin in den Streitjahren gemäß § 2 Nr. 1 KStG i.V.m. § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG beschränkt körperschaftsteuerpflichtig gewesen sei. M sei durch seine regelmäßigen geschäftlichen Aktivitäten für die Klägerin, die er in Deutschland, z.B. in seiner deutschen Zweitwohnung oder im Rahmen von Kundenkontakten, ausgeübt habe, ständiger Vertreter i.S.d. § 13 AO gewesen.
Das FG folgte dem nicht. Es ging davon aus, dass M als Organ einer Kapitalgesellschaft in dieser Eigenschaft nicht ständiger Vertreter sein könne (FG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 15.6.2016, 1 K 1685/14, Haufe-Index 9558620, EFG 2016, 1324).
Entscheidung
Der BFH hat auf die Revision des FA das Urteil des FG aufgehoben und die Sache zurückverwiesen. Das FG wird im zweiten Rechtsgang weitere Feststellungen zur inländischen Tätigkeit des M in den einzelnen Streitjahren und zur Höhe der beschränkt steuerpflichtigen Einkünfte zu treffen haben. Schließlich muss im Hinblick auf das einschlägige DBA die Reichweite des deutschen Besteuerungszugriffs (Gewinnabgrenzung) geklärt werden.
Hinweis
1. Einen seit vielen Jahren schwelenden Streit zu einer noch viel älteren Norm hat der BFH nunmehr mit dem Besprechungsurteil entschieden: Organe von juristischen Personen können grundsätzlich ständige Vertreter i.S.d. § 13 AO sein und damit insbesondere die beschränkte Körperschaftsteuerpflicht ausländischer Kapitalgesellschaften begründen.
2. Zu der in den zwanziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts eingeführten Vertreterregelung wurde in der finanzgerichtlichen Rechtsprechung und von maßgeblichen Stimmen in der Literatur die Meinung vertreten, dass Organe von juristischen Personen grundsätzlich nicht ständige Vertreter sein könnten. Anknüpfend an die höchstrichterliche Rechtsprechung, die aus der Gesetzesformulierung das Erfordernis einer Personenverschiedenheit zwischen dem Vertreter und dem (von ihm vertretenen) Unternehmen herauslas, begründet sie diese Auffassung im Wesentlichen mit der zivilrechtlichen Organtheorie. Danach handelt etwa der Geschäftsführer nicht als Vertreter für die GmbH. Vielmehr ist der Geschäftsführer deren Organ, d.h. Organhandeln ist Eigenhandeln der GmbH. Dann fehlt es aber an dem gesetzlich vorausgesetzten Handeln der einen Person (des Vertreters) für eine andere Person (dem in § 13 AO erwähnten Unternehmen).
3. Der BFH hat sich mit der Besprechungsentscheidung der – ebenfalls von einzelnen Finanzgerichten und in der Literatur vertretenen – Gegenauffassung angeschlossen. Seine Entscheidung fußt im Wesentlichen auf zwei Argumenten:
- Da ist zum einen der Wortlaut der AO, die in verschiedenen Regelungen Organe von Kapitalgesellschaften nicht als solche, sondern eindeutig als (gesetzliche) Vertreter bezeichnet. Zu dem Befund, dass rein faktisch betrachtet der Geschäftsführer sehr wohl eine andere Person ist als die GmbH, tritt also hinzu, dass im Wortlaut der AO die zivilrechtliche Organtheorie keinen Widerhall gefunden hat.
- Zum anderen war für den BFH nach dem Zweck der Gesetzesregelung (§ 13 AO als personeller Anknüpfungspunkt für die inländische Steuerpflicht als Ergänzung zur Betriebsstättenregelung in § 12 AO als sachlichem Anknüpfungspunkt) auch nicht recht einzusehen, warum z.B. die inländische Tätigkeit eines Prokuristen, der nach allgemeiner Meinung ständiger Vertreter seines Unternehmens sein kann, die beschränkte Steuerpflicht auslösen kann, die Tätigkeit des "ranghöheren" (Mit-)Geschäftsführers aber nicht (sog. Erst-Recht-Schluss).
4. Wenn somit auch ein "Organ" einer (typischerweise ausländischen) Kapitalgesellschaft grundsätzlich ständiger Vertreter sein kann, stellen sich für die Praxis im Wesentlichen drei Folgefragen, die zunächst der Beurteilung des FG im zweiten Rechtsgang obliegen und daher in der Besprechungsentscheidung mangels unmittelbarer Entscheidungserheblichkeit lediglich angeschnitten werden:
a) Welche Anforderungen sind an das Merkmal der Nachhaltigkeit zu stellen, d.h. wie oft und wie intensiv muss der Geschäftsführer im Inland geschäftlich aktiv s...