Prof. Rolf-Rüdiger Radeisen
Leitsatz
Eine in einem Kaufvertrag ausgewiesene Umsatzsteuer kann nicht nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UStG als Vorsteuer abgezogen werden, wenn vier Getränkefachmärkte im Rahmen einer Geschäftsveräußerung übertragen werden.
Sachverhalt
Der Kläger erwarb von einem Unternehmer von insgesamt mehr als 30 Getränkefachmärkten insgesamt vier Fachmärkte zusammen mit dem jeweils vorhandenen Warenbestand. Der Verkäufer wies im Kaufvertrag Umsatzsteuer gesondert aus, die der Kläger nach § 15 UStG als Vorsteuer abzog. Nach Auffassung des Klägers war eine Geschäftsveräußerung nach § 1 Abs. 1a UStG nicht gegeben, da er für die erworbenen Fachmärkte eine eigenen Organisation aufbauen musste, außerdem wurden die in dieser Branche wesentlichen Kaufbeziehungen neu aufgebaut. Die Finanzverwaltung verwehrte dem Kläger den Vorsteuerabzug aus dem Kaufvertrag, da der Verkäufer wegen einer nicht steuerbaren Geschäftsveräußerung nach § 1 Abs. 1a UStG keine Umsatzsteuer schuldet.
Entscheidung
Die Klage auf Vorsteuerabzug hatte vor dem Finanzgericht keinen Erfolg. Nach Ansicht des Gerichts liegt eine nicht steuerbare Geschäftsveräußerung nach § 1 Abs. 1a UStG vor. Voraussetzung für eine nicht steuerbare Geschäftsveräußerung ist, dass durch die Übertragung der Geschäftsbetriebe oder der selbständigen Unternehmensteile eine selbständige wirtschaftliche Tätigkeit durch den Erwerber fortgeführt werden kann. Der Erwerber muss darüber hinaus die Absicht haben, den übertragenen Geschäftsbetrieb oder Unternehmensteil fortzuführen. Dabei ist entscheidend, ob die übertragenen Vermögensgegenstände die Fortsetzung einer bisher durch den Veräußerer ausgeübten Tätigkeit ermöglichen.
Das Gericht ging im vorliegenden Fall davon aus, dass mit der Übernahme der vier Getränkemärkte eine solche Fortführung von Teilbetrieben möglich ist. Jede Filiale würde eine abgeschlossene Verkaufseinheit vor Ort und damit einen in sich geführten Teilbetrieb darstellen. Die wirtschaftliche Neuorganisation und der Aufbau einer eigenen kaufmännischen Leitung sind bei der Weiterführung eines übernommenen Betriebes nicht ungewöhnlich, sondern entsprechen den Erfordernissen eines "Neuanfangs". Damit schuldete der Verkäufer die in dem Kaufvertrag ausgewiesene Umsatzsteuer nicht, sodass ein Vorsteuerabzug beim Erwerber nicht nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UStG in Betracht kommen kann.
Hinweis
In der Praxis ist es häufig schwierig festzustellen, ob eine nicht steuerbare Geschäftsveräußerung vorliegt oder nicht. Damit verbunden ist für die Beteiligten immer ein erhebliches finanzielles Risiko. Aus diesem Grunde sollte in den Fällen, in denen Unsicherheit über die zutreffende steuerliche Beurteilung bestehen könnte, immer eine Steuerklausel mit vereinbart werden. In dieser Steuerklausel sollten Vereinbarungen für den Fall einer abweichenden Beurteilung durch die Finanzverwaltung getroffen werden.
Link zur Entscheidung
FG München, Urteil vom 19.06.2008, 14 K 910/07