Geschäftsveräußerung vor Beginn der Geschäftstätigkeit?

Auch ein Unternehmen, mit dem noch keine Ausgangsumsätze erzielt worden sind, kann Gegenstand einer Geschäftsveräußerung i. S. des § 1 Abs. 1a UStG sein. Das erfordert allerdings, dass der Erwerber das "übertragene Unternehmen" fortführt.

Der Kläger war in den Jahren 2012 bis 2019 Eigentümer von Grundstücken mit insgesamt rund 40.000 Quadratmetern – einem ehemaligen Gutsbesitz. Insoweit firmierte er als e. K. und gab an, im Rahmen eines Ferienparks Beherbergungsumsätze mit barrierefreien Ferienappartements, Umsätze aus der Bewirtung von Gästen, aus der Vermietung von Sportgeräten und Fahrrädern sowie mit Sport und Tourismusangeboten für körperlich benachteiligte Personen erzielen zu wollen.

Umsatzsteuerfreie Veräußerung oder Geschäftsveräußerung im Ganzen

Wegen Problemen mit der finanzierenden Bank wurden die begonnenen Bau-/Umbaumaßnahmen Ende 2015 eingestellt, zumindest ruhten sie bis auf Weiteres. Eine Teilfläche des Gesamtareals wurde im Jahr 2019 zu einem Preis von 650.000 EUR an die I-GmbH veräußert. Satzungsmäßiger Gegenstand der Erwerberin war und ist der Erwerb und die Vermittlung von Immobilien. Verkauft wurde das Objekt mit allen gesetzlichen Bestandteilen und sämtlichem Zubehör, einschließlich der auf dem Verkaufsobjekt befindlichen Baumaterialien (Dachziegel, Schiebetüren und Badezimmerlüfter).

Weil die Umsatzsteuer-Sonderprüfung von einer umsatzsteuerfreien Veräußerung ausging, forderte sie eine Vorsteuerkorrektur nach § 15a UStG in Höhe von rund 182.000 EUR. Der Kläger machte geltend, die Übertragung des Grundstücks stelle eine nicht steuerbaren Geschäftsveräußerung im Ganzen dar, sodass ein etwaiger Vorsteuerberichtigungszeitraum nach § 15a UStG auf den Erwerber übergegangen sei. Das Finanzamt folgte dem nicht.

Voraussetzungen für § 1 Abs. 1a UStG

Die Klage wurde als unbegründet zurückgewiesen. Nach Ansicht des Gerichts hat der Kläger das streitbefangene Grundstück im Jahr 2019 umsatzsteuerfrei veräußert. Zwar sei dem Kläger einzuräumen, dass auch ein Unternehmen, mit dem noch keine Ausgangsumsätze erzielt worden sind, übertragungsfähig im Sinne des § 1 Abs. 1a UStG sein kann. Jedoch ist auch insoweit erforderlich, dass der Erwerber das übertragene Unternehmen fortführt, wobei es sich um eine innere Tatsache handelt, für die der Veräußerer die Feststellungslast trägt und für die objektive Anhaltspunkte bestehen müssen. Außerdem muss nach einer Gesamtwürdigung eine ausreichende Ähnlichkeit zwischen dem Unternehmen des Veräußerers und dem des Erwerbers bestehen. Der ursprüngliche Kern oder der Geschäftszweck der Unternehmung muss bestehen bleiben, sodass der Erwerber das Unternehmen nicht so verändern darf, dass ein Unternehmen völlig anderer Art vorliegt.

Nach den Feststellungen des Gerichts gab es keinerlei Anhaltspunkte dafür, insbesondere im Kaufvertrag, dass die Erwerberin die vom Veräußerer beabsichtigte bzw. begonnene Tätigkeit fortführen wollte. Offenbar konnte auch Presseberichten entnommen werden, dass die Verwertung des Grundstücks durch neu gebaute Wohneinheiten bei der Erwerberin im Vordergrund stand.

Regelung im Kaufvertrag treffen

In der Praxis ist das Vorliegen der Voraussetzungen für eine Geschäftsveräußerung im Ganzen bei Vertragsabschluss oftmals nicht eindeutig, weshalb im Kaufvertrag möglichst immer auch "hilfsweise" zur Umsatzsteuerpflicht optiert werden sollte. Faktisch werden dann quasi zwei Vorgänge im Kaufvertrag geregelt, einmal die Rechtsfolgen einer Geschäftsveräußerung, die sich freilich bereits aus dem Gesetz ergeben und zum anderen die Ausübung der Option (vgl. hierzu Abschn. 9.1 Abs. 3 Satz 3 UStAE).

Die vorsorgliche bzw. "hilfsweise" (unbedingte) Option ist insbesondere dann anzuraten, wenn der Verkäufer innerhalb der letzten zehn Jahre stattliche Vorsteuerbeträge betreffend das Verkaufsobjekt geltend gemacht hat. Die Ausübung der Option wird voraussetzen, dass der Erwerber selbst aufgrund seiner beabsichtigten Tätigkeit von seiner Vorsteuerabzugsberechtigung ausgeht. Wird durch den Erwerber nur ein steuerfreier Verkauf akzeptiert, sollten sich die dadurch beim Veräußerer ausgelösten § 15a-Korrekturen – sofern nicht unstreitig von einer Geschäftsveräußerung auszugehen ist – möglichst im Kaufpreis wiederfinden.

Die für die Annahme einer Geschäftsveräußerung erforderliche Voraussetzung, dass der Erwerber die Tätigkeit des Veräußerers (annähernd) fortführt, könnte bereits im Kaufvertrag untermauert werden, entweder durch entsprechende Absichtserklärungen oder im Idealfall durch Eintritt in bestehende Verträge.

FG Berlin-Brandenburg, Urteil v. 13.3.2024, 7 K 7083/23


Schlagworte zum Thema:  Unternehmen, Umsatzsteuer