Leitsatz
1. Für den Fall, dass die als Kaufpreis bezeichnete Gegenleistung teilweise auch für andere Verpflichtungen des Veräußerers erbracht worden ist (hier: Verzicht auf Schadensersatzansprüche, Rücknahme von Klagen), die nicht den Tatbestand des § 23 Abs. 1 EStG erfüllen, ist der vereinbarte Kaufpreis insoweit aufzuteilen.
2. Für Zwecke der Aufteilung ist das veräußerte Wirtschaftsgut zu bewerten; übersteigt die Gegenleistung den Wert des veräußerten Wirtschaftsguts, spricht dies dafür, dass der übersteigende Teil der Gegenleistung nicht zum Veräußerungspreis gehört, sondern dass insoweit eine andere Verpflichtung entgolten oder ein Teil der Gegenleistung unentgeltlich zugewendet werden soll.
Normenkette
§ 21 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 22 Nr. 3, § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 23 Abs. 1 Satz 4, § 23 Abs. 3, § 24 Nr. 1 Buchst. a EStG, § 118 Abs. 2 FGO
Sachverhalt
Der Kläger (Ehemann der Klägerin in dem Parallelverfahren IX R 44/14 – s. vorhergehend S. 76) beteiligte sich als Treugeber an verschiedenen geschlossenen Immobilienfonds. Die Immobilien im Fondsvermögen waren nicht voll werthaltig; die Fonds erwirtschafteten nicht die prospektierten Erträge. Der Kläger klagte deshalb gegen den Initiator auf Rückabwicklung der Beteiligung und auf Schadenersatz. Die Prozesse wurden dadurch beendet, dass eine vom Initiator dazu gegründete GmbH dem Kläger ein Rückkaufangebot unterbreitete, welches er annahm.
Das FA ermittelte aus diesem Vorgang einen Veräußerungsgewinn. Der Kläger hielt dem entgegen, es handele sich um eine Rückabwicklung und das FA habe den Veräußerungsgewinn falsch berechnet. Die Klage war erfolglos (FG Baden-Württemberg, Urteil vom 1.10.2014, 2 K 2085/11, EFG 2015, 641).
Entscheidung
Der BFH hat das Urteil des FG aufgehoben und die Sache an das FG zurückverwiesen. Es wird den "Kaufpreis" aufteilen müssen. Sollte danach ein Veräußerungsgewinn überhaupt noch in Betracht kommen, kann das FG für dessen Berechnung auf umfangreiche Hinweise des BFH zurückgreifen.
Hinweis
In drei im Wesentlichen gleich liegenden Fällen (vgl. auch BFH, Urteile vom 6.9.2016, IX R 27/15 – s. vorhergehend S. 75 – und IX R 44/14 – s. vorhergehend S. 76) hat der BFH erstmals über die steuerlichen Rechtsfolgen bei der Veräußerung von Anteilen an einem geschlossenen Immobilienfonds entschieden. Die jeweils gleichlautenden Entscheidungsgründe enthalten z.T. neue Aussagen zum Veräußerungsbegriff, zur Aufteilung eines einheitlichen "Kaufpreises" und – in den Hinweisen – zur Berechnung des Veräußerungsgewinns. Eine ausführliche Besprechung zu diesem Themenkomplex finden Sie in den Praxis-Hinweisen der Besprechung zu IX R 27/15 (S. 75).
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 6.9.2016 – IX R 45/14