Leitsatz
Die Beschränkung der Verrechnung von vortragsfähigen Gewerbeverlusten durch Einführung einer jährlichen Höchstgrenze mit Wirkung ab 2004 ist mit dem GG vereinbar. Das gilt auch, soweit es wegen der Begrenzung zu einem endgültig nicht mehr verrechenbaren Verlust kommt.
Normenkette
§ 10a Sätze 1 und 2, Art. 3 Abs. 1 GewStG, Art. 20 Abs. 3 GG
Sachverhalt
Eine gewerblich geprägte KG war errichtet worden, um ein Flugzeug für die Dauer von 10 Jahren zu verleasen. Nach Ablauf der Frist im Jahr 2004 machte die KG von einem Andienungsrecht Gebrauch und verkaufte das Flugzeug zu einem festgelegten Preis. Gleichzeitig wurde die KG aufgelöst.
Das FA erließ für 2004 einen Gewerbesteuermessbescheid, in dem auch der Gewinn aus der Veräußerung als Gewerbeertrag behandelt wurde. Die zum 31.12.2003 festgestellten vortragsfähigen Verluste wurden nach § 10a GewStG nicht in voller Höhe mit dem Gewerbeertrag verrechnet, weil nach den Regeln der sog. Mindestbesteuerung der über 1 Mio. EUR hinausgehende Gewinn nur in Höhe von 60 % mit Verlustvorträgen verrechnet werden darf.
Die KG berief sich auf die Verfassungswidrigkeit der Regelung, weil ihr der Verlustausgleich nicht mehr möglich sei und damit das Verbot der vollständigen Verrechnung zu einer definitiven Belastung mit Gewerbesteuer führe. Die so begründete Klage vor dem FG hatte keinen Erfolg (FG München, Urteil vom 4.8.2010, 1 K 608/07, Haufe-Index 2387185, EFG 2010, 1914).
Entscheidung
Auch die Revision blieb erfolglos. Der BFH entschied, die Mindestbesteuerung nach § 10a GewStG sei nicht verfassungswidrig, selbst wenn sie zu einer Definitivbelastung führe. Der Gesetzgeber habe den Rahmen seiner Typisierungsbefugnis nicht überschritten. Im Einzelfall eintretende übermäßige Steuerbelastungen seien ggf. durch Billigkeitsmaßnahmen zu vermeiden.
Hinweis
1. Die Entscheidung schließt an das Urteil des BFH vom 22.8.2012, I R 9/11 (BFH/NV 2013, 161) an. Dort hat der BFH bereits für die KSt und GewSt entschieden, dass die Mindestbesteuerung nicht verfassungswidrig ist, soweit sie noch nicht zu einer endgültigen Steuerbelastung führt. Mit dem hiesigen Urteil wird die Verfassungsmäßigkeit der Mindestbesteuerung nun auch in einem Fall bestätigt, in dem es zu einer endgültigen GewSt-Belastung infolge der Verlustverrechnungsbeschränkung gekommen war.
2. Im Fall der Definitivbelastung mit GewSt trotz ausreichender Verlustvorträge kann das objektive Nettoprinzip verletzt sein, also der Grundsatz, dass der Besteuerung nur die um die Betriebsausgaben geminderten Betriebseinnahmen unterliegen. Denn die nicht abziehbaren Verluste sind der Sache nach Betriebsausgaben, die infolge der Verlustausgleichsbeschränkung nicht voll abgezogen werden können.
Das objektive Nettoprinzip gilt grundsätzlich auch im Rahmen der GewSt, hat dort aber nach Meinung des BFH einen anderen Stellenwert als bei der ESt oder KSt. Denn mit der Ausgestaltung der GewSt als Objektsteuer sind Einschränkungen des objektiven Nettoprinzips systembedingt verbunden. So werden etwa Betriebsausgaben in der Gründungsphase des Betriebs nicht abgezogen, weil die GewSt-Pflicht erst mit Aufnahme der werbenden Tätigkeit beginnt (vgl. z.B. jüngst BFH, Urteil vom 30.8.2012, IV R 54/10, BFH/NV 2012, 2083). Einen Verstoß gegen das objektive Nettoprinzip beinhalten auch die Hinzurechnungen nach § 8 GewStG. Die GewSt kennt keinen Verlustrücktrag; dies spricht ebenfalls dafür, dass die Verwertung der Verluste systembedingt bei der GewSt keinen hohen Stellenwert hat. Das Grundgesetz akzeptiert nun die GewSt in dieser historisch gewachsenen Struktur und macht damit deutlich, dass dem objektiven Nettoprinzip für die GewSt eine nur eingeschränkte Bedeutung zukommt.
3. Vor diesem Hintergrund hält der BFH die Mindestbesteuerung für verfassungsgemäß. Der Gesetzgeber zielt mit der Regelung nicht auf eine endgültige Vernichtung von Verlustvorträgen. Der zugelassene Verlustausgleich mit einem Sockelbetrag von 1 Mio. EUR zuzüglich 60 % der darüber hinausgehenden Gewinne hält sich nach Meinung des BFH noch im Rahmen der dem Gesetzgeber im steuerlichen Massenverfahren zustehenden Typisierungsbefugnis.
Voraussetzung einer Typisierung ist grundsätzlich, dass es in keinem Einzelfall zu einer übermäßigen Steuerbelastung kommt. Bereits im Gesetzgebungsverfahren war aber deutlich geworden, dass die Streckung der Verlustverrechnung bei bestimmten Geschäftsmodellen zwangsläufig auch zu einer endgültigen Verrechnungsbeschränkung führen kann. Dem sollte mit dem im Verlauf des Gesetzgebungsverfahrens erhöhten Verrechnungsumfang entgegengewirkt werden. Belastbare Daten über Anzahl und Ausmaß solcher Fälle gab es damals nicht, sodass nicht sicher gesagt werden konnte, ob wirklich in keinem Fall eine übermäßige Steuerbelastung eintreten wird. Dies steht nach Meinung des BFH einer Typisierung aber nicht entgegen, soweit im Einzelfall auftretende übermäßige Belastungen durch eine Billigkeitsmaßnahme vermieden werden können. Diese Möglichkeit bietet etwa § 163 AO.
Damit ist...