Leitsatz
1. Die wirtschaftliche Eingliederung eines (beherrschten) Unternehmens in ein anderes (herrschendes) gewerbliches Unternehmen i.S.v. § 14 Nr. 2 S. 1 KStG 1999 i.V.m. § 2 Abs. 2 S. 2 GewStG 1999 setzt nicht voraus, dass das eine Unternehmen unmittelbar an dem anderen Unternehmen beteiligt ist. Sie kann auch dadurch begründet werden, dass die Beteiligung im Rahmen einer Organkette über die Zwischenschaltung einer vermögensverwaltenden Holdinggesellschaft gehalten wird. Alleinige Organträgerin ist dann aber das herrschende Unternehmen und nicht (auch) die zwischengeschaltete Holdinggesellschaft (Fortführung und Klarstellung des Senatsurteils vom 22.04.1998, I R 132/97, BFH/NV 1999, 136, BStBl II 1998, 687).
2. Eine Kapitalgesellschaft mit Geschäftsleitung und Sitz im Inland kann im Rahmen einer gewerbesteuerlichen Organschaft Organgesellschaft eines in Großbritannien ansässigen gewerblichen Unternehmens als Organträger sein. Die entgegenstehende Beschränkung in § 14 2. Halbs. und § 14 Nr. 3 S. 1 KStG 1999 i.V.m. § 2 Abs. 2 S. 2 GewStG 1999 auf ein Unternehmen mit Geschäftsleitung und Sitz im Inland als Organträger ist nicht mit dem Diskriminierungsverbot des Art. XX Abs. 4 und 5 DBA-Großbritannien 1964/1970 vereinbar (entgegen BMF, Schreiben vom 08.12.2004, BStBl I 2004, 1181).
Normenkette
§ 2 Abs. 1, Abs. 2 S. 2, § 8 Nr. 1 GewStG 1999, § 14 Nrn. 1 bis 3 KStG 1999, Art. II Abs. 1 Buchst. f, Buchst. h Unterabs. i, Buchst. j, Buchst. l Unterabs. vi, Art. III Abs. 1, Art. XX Abs. 4, Abs. 5 DBA-Großbritannien 1964/1970
Sachverhalt
Die Klägerin, eine GmbH, ist kraft Verschmelzung Rechtsnachfolgerin der C-GmbH.
Alleinige Gesellschafterin der Klägerin war seit 01.01.1999, dem Streitjahr, eine Kapitalgesellschaft englischen Rechts (plc), die C-plc, mit Sitz und Geschäftsleitung in Großbritannien. Die Klägerin wiederum hielt im Streitjahr 96,5 % der Anteile an der C-GmbH. Die restlichen 3,5 % hielt die zum Konzern gehörende C-Ltd., ebenfalls mit Sitz in Großbritannien. Daneben bestand eine Beteiligung der Klägerin mit 25,5 % an der C-AG mit Sitz in der Schweiz. Die übrigen Anteile an der C-AG wurden von der C-plc gehalten, die überdies an weiteren Kapitalgesellschaften im Ausland beteiligt war. Sämtliche Gesellschaften waren im Geschäftsfeld der Telekommunikation und deren Aufbau und Betrieb tätig.
Geschäftsführer der Klägerin wie der C-GmbH war X. Dieser war zudem Mitglied des Senior Management Board der C-plc, dessen Aufgabe die strategische Führung der gesamten Gruppe war. Es umfasste im Streitjahr sieben Personen, die sich neben dem Chief Executive Officer (CEO) sowie Chief Financial Officer (CFO) auch aus den für die Leitung der anderen Tochtergesellschaften Verantwortlichen zusammensetzten.
In den Vorjahren hatte die C-GmbH Darlehen bei der C-plc aufgenommen, die zum 01.01.1999 die Klägerin als Darlehensgeberin übernahm. Zum 31.12.1999 belief sich der Stand der Darlehen mit einer Laufzeit von mehr als zwölf Monaten auf insgesamt ca. 570 Mio. DM. Im Streitjahr fielen dafür Darlehenszinsen i.H.v. ca. 40 Mio. DM an.
Das FA rechnete die Darlehenszinsen dem Gewinn der C-GmbH als Dauerschuldzinsen gem. § 8 Nr. 1 GewStG 1999 hinzu. Der danach ermittelte GewSt-Meßbetrag betrug null. Der vortragsfähige Gewerbeverlust auf den 31.12.1999 wurde auf ca. 71 Mio. DM festgestellt.
Die dagegen gerichteten Klagen, mit denen die C-GmbH begehrte, als Organgesellschaft der Klägerin behandelt zu werden, blieben wegen Fehlens der notwendigen wirtschaftlichen Eingliederung erfolglos (Hessisches FG, Urteile vom 18.05.2010, 8 K 3137/06, Haufe-Index 2367692, EFG 2010, 2024 und 8 K 1160/10, Haufe-Index 2367691, EFG 2010, 2026).
Entscheidung
Der BFH gab der dagegen gerichteten Revision der Klägerin hingegen statt:
Die Nichtanerkennung der Organschaft zu der Zwischenholding sei zwar nicht zu beanstanden, weil die gewerbesteuerlichen Eingliederungsvoraussetzungen zu einer gewerblich tätigen Obergesellschaft erfüllt werden müssten, und das sei bei der C-GmbH nicht gegeben. Doch genüge die mittelbare Eingliederung in das Unternehmen der plc.
Die plc genüge nach den Buchstaben des Gesetzes infolge ihrer Auslandsansässigkeit indes wiederum nicht den Erfordernissen des § 14 KStG; es handele sich bei ihr nicht um eine inländische Gesellschaft, und eine solche könne an sich kein Organträger sein.
Im Ergebnis würde die Klägerin als potenzielle Organgesellschaft dadurch aber steuerlich anders behandelt als eine vergleichbare Inlandsgesellschaft, und darin liege ein Verstoß gegen das abkommensrechtliche Diskriminierungsverbot des Art. 24 Abs. 5 OECD-MA.
Konsequenz sei, dass für die Klägerin kein Gewerbeertrag zu ermitteln sei. Es komme weder zur Festsetzung des GewSt-Meßbetrags noch zu einer Hinzurechnung von Dauerschuldzinsen.
Hinweis
1. Es handelt sich um ein Urteil, welchem enorme, weit über das eng umrissene Gebiet der GewSt hinausreichende Sprengkraft zukommen könnte. Denn der BFH hat letztlich die Begründung einer (sog. gewerbesteuerlichen) Organschaft"...