Leitsatz
Bringt eine natürliche Person ihren gesamten Anteil an einer gewerblichen Mitunternehmerschaft in eine Kapitalgesellschaft (hier: Aktiengesellschaft) zum Buchwert ein und veräußert der Einbringende oder sein Erbe einen Teil der erhaltenen Anteile (hier: Aktien) innerhalb der Sperrfrist, so unterliegt der hierdurch ausgelöste Einbringungsgewinn I nicht der Gewerbesteuer, wenn auch die Einbringung zum gemeinen Wert nicht gewerbesteuerpflichtig gewesen wäre.
Normenkette
§ 7 Sätze 1 und 2 GewStG, § 22 Abs. 1 UmwStG 2006
Sachverhalt
Bis zur formwechselnden Umwandlung in die Klägerin, eine AG, waren an der X-KG neben der Komplementär-GmbH u.a. der Kommanditist A mit 57 % beteiligt. Im Streitjahr 2013 wurde die X-KG gemäß § 25 UmwStG i.V.m. § 190 UmwG formwechselnd in die klagende AG umgewandelt. Im Rahmen der Umwandlung erhielt A entsprechend seiner prozentualen Beteiligung eine größere Anzahl von Aktien. Die Klägerin führte die Buchwerte der X-KG fort.
A verstarb im Jahr 2014 und wurde von seiner Ehefrau B beerbt. Seine Tochter Z forderte anstelle des ihr zugedachten Vermächtnisses ihren Pflichtteil. B übertrug daher im Rahmen eines im Jahr 2015 abgeschlossenen Vermächtnisverzichts- und Abfindungsvertrags zur Abfindung des Pflichtteilsanspruchs neben einer Geldzahlung einige Aktien der Klägerin auf Z.
Die Klägerin berücksichtigte diesen Vorgang im Rahmen ihrer Gewerbesteuererklärung nicht. Das FA vertrat allerdings die Auffassung, dass die Übertragung der Aktien von B an Z einen Einbringungsgewinn I (EBG I) i.S.d. § 22 Abs. 1 UmwStG ausgelöst habe, welcher der Gewerbesteuer unterliege.
Das FG gab der dagegen gerichteten Klage statt (FG Köln, Urteil vom 19.7.2018, 6 K 2507/16, Haufe-Index 12102684, EFG 2018, 1730).
Entscheidung
Der BFH bestätigte die Entscheidung der Vorinstanz und wies die Revision des FA aus den in den Praxis-Hinweisen genannten Gründen ab.
Hinweis
1. Mit der Besprechungsentscheidung und mit dem zeitgleich ergangenen Urteil im Revisionsverfahrens I R 13/18 (BFH, Urteil vom 11.7.2019, I R 13/18, BFH/NV 2020, 437, BFH/PR 2020, 130), das in der nachfolgenden Kommentierung erläutert wird, hat der BFH erstmalig zur gewerbesteuerlichen Behandlung der Einbringungsgewinne I und II Stellung genommen. Er hat hierbei z.T. auch einschlägige Aussagen im Umwandlungssteuererlass als nicht gesetzeskonform zurückgewiesen.
2. Die Einbringung eines Betriebs oder eines Mitunternehmeranteils in eine Kapitalgesellschaft gegen Gewährung von Anteilen dieser Gesellschaft stellt einen veräußerungsähnlichen Vorgang dar und löst daher im Grundsatz bei Vorliegen entsprechender stiller Reserven einen steuerpflichtigen Veräußerungsgewinn aus. Um betriebswirtschaftlich sinnvollen Umstrukturierungen keine steuerlichen Steine in den Weg zu legen, verzichtet der Gesetzgeber unter bestimmten Voraussetzungen aber auf die Besteuerung: Setzt die Kapitalgesellschaft das eingebrachte Betriebsvermögen mit dem Buchwert an (vgl. § 20 Abs. 2 Satz 2 UmwStG), dann "passiert zunächst einmal nichts". Erst wenn der Einbringende innerhalb der siebenjährigen Sperrfrist die erhaltenen Anteile veräußert, dann werden die stillen Reserven aufgedeckt und gemäß § 22 Abs. 1 UmwStG als sog. Einbringungsgewinn I rückwirkend bei ihm besteuert.
3. Ein Blick in das Gesetz (§ 22 Abs. 1 UmwStG) zeigt, dass diese ertragsteuerlichen Folgen klar auf der Hand liegen. Wie sieht es aber mit der Gewerbesteuer in einem solchen Fall aus? Unterliegt der Einbringungsgewinn I beim Einbringenden auch der Gewerbesteuer? Dazu schweigt § 22 Abs. 1 UmwStG und der BFH hatte nunmehr die Aufgabe, das Gesetz zum Sprechen zu bringen.
4. Entscheidend für die Beantwortung der Frage ist die gewerbesteuerliche Ausgangsrechtslage bei der Veräußerung von Einzelbetrieben oder Mitunternehmeranteilen an gewerblich tätigen Personengesellschaften. Bei natürlichen Personen als Betriebsinhabern oder Mitunternehmern unterliegt die Veräußerung – und damit auch die veräußerungsgleiche Einbringung – nach langjähriger und ständiger Rechtsprechung nicht der Gewerbesteuer (vgl. z.B. BFH, Urteil vom 18.12.2014, IV R 59/11, BFH/NV 2015, 520).
5. Vor diesem Hintergrund ist es aber nicht verständlich, warum der von einer natürlichen Person erzielte Einbringungsgewinn I der Gewerbesteuer unterliegen sollte. Denn mit § 22 Abs. 1 UmwStG besteuert der Gesetzgeber nicht die Veräußerung der im Zuge der Einbringung erhaltenen Kapitalgesellschaftsanteile. Vielmehr wird rückwirkend der ursprüngliche Vorgang der Betriebseinbringung besteuert. Und hätte diese Einbringung selbst bei Aufdeckung der stillen Reserven (d.h. bei Ansatz des gemeinen Werts für das eingebrachte Vermögen aufseiten der Kapitalgesellschaft) keine gewerbesteuerlichen Folgen ausgelöst, dann besteht auch kein Grund, die Gewerbesteuerpflicht nunmehr rückwirkend anzuordnen. Dies entspricht im Übrigen der ganz h.M. und auch der Rechtsprechung zum früheren System der einbringungsgeborenen Anteile (BFH, Urteil vom 29.04.1982, IV R 51/79, Haufe-Index 7438...