Leitsatz
Bei der Berechung der Abzugsbeschränkung für Schuldzinsen nach § 4 Abs. 4a EStG ist der "Gewinn" unter Berücksichtigung von gewinnmindernden Abschreibungen oder Rücklagen zu ermitteln, d.h. § 4 Abs. 4a EStG definiert keinen eigenen Gewinnbegriff. Gegen § 4 Abs. 4a EStG bestehen wegen seiner Typisierung des Hinzurechnungsbetrages keine verfassungsrechtlichen Bedenken.
Sachverhalt
Die Kläger sind gemeinsam zur Einkommensteuer veranlagte Ehegatten. Im Anschluss an eine beim Kläger durchgeführte Betriebsprüfung änderte das beklagte Finanzamt den ursprünglichen Einkommensteuerbescheid des Jahres 2000, da sich die Einkünfte aus Gewerbebetrieb nach Hinzurechnung von nicht abziehbaren Schuldzinsen gem. § 4 Abs. 4a EStG erhöht haben, da entsprechende Überentnahmen seitens der Kläger vorgenommen wurden. Der dagegen eingelegte Einspruch blieb erfolglos. Die anschliessend erhobene Klage wurde damit begründet, dass durch die gesetzliche Regelung des § 4 Abs. 4a EStG ein steuerlicher Gewinn der Einkommen- und Gewerbesteuer unterworfen werde, der tatsächlich nie erzielt worden sei. Die der Besteuerung zugrunde gelegten, auf dem geschäftlichen Konto entstandenen Zinsen durch Privatentnahmen seien nie entstanden. In den Jahren 1999 und 2000 sei der steuerliche Gewinn um fiktive Ausgaben - d.h. Abschreibungen und Ansparrücklagen - gemindert worden, ohne dass dies Einfluss auf die Liquidität gehabt habe. Mithin seien höhere Entnahmen möglich gewesen, ohne zu einer weiteren Verschuldung und Zinsbelastung zu führen. Die gesetzliche Regelung sei daher verfassungswidrig. Sie nehme ihnen, so die Klaeger, die Möglichkeit, den tatsächlichen Zinsaufwand, der durch die Privatentnahmen entstanden sei, nachzuweisen. Das beklagte Finanzamt beantragt, die Klage abzuweisen.
Entscheidung
Die zulässige Klage ist unbegründet. Das beklagte Finanzamt hat die betrieblich veranlassten Schuldzinsen und damit den Betriebsausgabenabzug in nicht zu beanstandender Weise gemäß § 4 Abs. 4a EStG gekürzt. Gemäß § 4 Abs. 4a Satz 1 EStG sind Schuldzinsen nicht abziehbar, wenn Überentnahmen getätigt worden sind. Eine Überentnahme ist der Betrag, um den die Entnahmen die Summe des Gewinns und der Einlagen des Wirtschaftsjahres übersteigen (§ 4 Abs. 4a Satz 2 EStG). Entgegen der Auffassung der Kläger ist der Gewinnbegriff des § 4 Abs. 4a EStG nicht dahin zu verstehen, dass gewinnmindernde Abschreibungen oder Rücklagen unberücksichtigt bleiben. Vielmehr gilt auch im Rahmen des § 4 Abs. 4a EStG der in § 4 Abs. 1 und 3 EStG legaldefinierte Begriff des Gewinns, der auch gewinnmindernde Abschreibungen und Rücklagen umfasst. Dieses Verständnis des Gewinnbegriffs des § 4 Abs. 4a EStG ergibt sich aus dem Wortlaut und der Systematik des Gesetzes. § 4 Abs. 4a EStG bezweckt, die nicht zum Betriebsausgabenabzug zuzulassenden Zinsaufwendungen in pauschalierter Art und Weise festzustellen. Einer solchen Typisierung würde es widersprechen, wenn der steuerlich ermittelte Gewinn zuvor in vielfältiger Weise zu korrigieren wäre. Dies aber wäre notwendig, folgte man der Argumentation der Kläger. Denn die entnahmefähigen Mittel werden bei der Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 1 und 3 EStG auf vielfältige Art und Weise durch Sonderposten beeinflusst. Dazu gehören nicht nur Abschreibungen und Gewinnrücklagen, sondern u. a. auch Rückstellungen, Rechnungsabgrenzungsposten und Wertberichtigungen. Hätte der Gesetzgeber bei dem Begriff des Gewinns in § 4 Abs. 4a EStG einen um diese Posten korrigierten Gewinn gemeint, hätte es nahe gelegen, dies auch in dem Gesetzeswortlaut zum Ausdruck zu bringen. Entgegen der Auffassung der Kläger bestehen aus Sicht des Senates keine verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die Vorschrift des § 4 Abs. 4a EStG. Der Umstand, dass es im Streitfall nicht tatsächlich zum Anfall von Schuldzinsen infolge von Entnahmen gekommen ist, führt zu keinem anderen Ergebnis. Dies ist Folge der vom Gesetz gewählten Anknüpfung an den Gewinnbegriff des § 4 Abs. 1, Abs. 3 EStG einerseits und der Typisierung andererseits.
Die Revision war mangels Vorliegen der Voraussetzungen des § 115 FGO nicht zuzulassen.
Hinweis
Das Urteil vermag nicht zu überraschen, da es exakt dem Gesetzeswortlaut entspricht. § 4 Abs. 4a EStG definiert an keiner Stelle einen eigenen Gewinnbegriff, sondern greift konsequenterweise auf die Gewinndefinition in § 4 Abs. 1 EStG zurück. Hätte der Gesetzgeber bei dem Begriff des Gewinns in § 4 Abs. 4a EStG einen um etliche Posten zu korrigierenden Gewinn i.S.d. § 4 Abs. 1 und 3 EStG gemeint, so hätte es nicht nur - wie es das FG sah - nahe gelegen, dass dies der Gesetzgeber auch im Gesetzeswortlaut zum Ausdruck bringt, sondern dies wäre sogar unabdingbare Voraussetzung für die Modifikation des Gewinnbegriffs i.S.d. § 4 Abs. 1 und 3 EStG gewesen. Das Urteil ist daher zumindest aus Gründen der einfacheren praktischen Anwendbarkeit der Vorschrift des § 4 Abs. 4a EStG zu begrüssen.
Link zur Entscheidung
FG Münster, Urteil vom 06.08.2004, 11 K 4399/03 E,G