Dr. Bela Berens, Dr. Chantal Naumann
2.2.1 Verhältnis der Gewinnermittlungsarten des § 4 Abs. 1 EStG und des § 5 EStG
Rz. 17
Die Gewinnermittlungsarten des § 4 Abs. 1 EStG und des § 5 EStG haben sich durch ihre gemeinsame Historie inzwischen weitgehend einander angenähert. Das Verhältnis beider Vorschriften zueinander ist daher inzwischen durch ein enges "Verweisungsgeflecht" gekennzeichnet. Während § 4 Abs. 1 EStG (unvollständiger Betriebsvermögensvergleich) die Ermittlung des Gewinns bestimmt, die auch für § 5 EStG (vollständiger Betriebsvermögensvergleich) anzuwenden ist, enthält § 5 EStG die Vorschriften zur Ermittlung des Betriebsvermögens, welche wiederum für § 4 Abs. 1 EStG anzuwenden sind.
Rz. 18
Unterschiede bestehen somit nur noch aufgrund eines unterschiedlichen persönlichen und sachlichen Anwendungsbereiches.
2.2.2 Abgrenzung über den sachlichen Anwendungsbereich
Rz. 19
Unter dem unterschiedlichen sachlichen Anwendungsbereich wird die Tatsache verstanden, dass § 5 EStG eine den GoB entsprechende Handelsbilanz als Grundlage der Steuerbilanz fordert, während § 4 Abs. 1 EStG nur die Aufstellung einer (den GoB entsprechenden) Steuerbilanz voraussetzt. Für die Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 1 EStG besitzt somit bspw. der BFH-Beschluss vom 3.2.1969, wonach handelsrechtliche Aktivierungswahlrechte zu steuerrechtlichen Aktivierungsgeboten und handelsrechtliche Passivierungswahlrechte zu steuerrechtlichen Passivierungsverboten führen, keine Bedeutung. Ferner kann auch die Gliederung der Steuerbilanz unabhängig von den handelsrechtlichen Gliederungsvorschriften erfolgen.
2.2.3 Abgrenzung über den persönlichen Anwendungsbereich
2.2.3.1 Persönlicher Anwendungsbereich des § 4 Abs. 1 EStG
Rz. 20
Da § 4 Abs. 1 EStG keine Aussage über den persönlichen Anwendungsbereich enthält, ist der Kreis der Steuerpflichtigen, die den Gewinn nach dieser Vorschrift festzustellen haben, mittelbar anhand einer Negativabgrenzung zu den Anwendungsbereichen des § 5 Abs. 1 EStG und § 4 Abs. 3 Satz 1 EStG abzuleiten. Klammert man diejenigen Personen aus, die den Gewinn nach § 5 EStG ermitteln müssen oder nach § 4 Abs. 3 EStG ermitteln dürfen, bleiben für die Anwendung des § 4 Abs. 1 EStG folgende Personengruppen übrig:
Land- und Forstwirte
- selbstständig Tätige i. S. d. § 18 EStG, die freiwillig Bücher führen und regelmäßig Abschlüsse aufstellen,
- Kleingewerbetreibende, die nicht nach § 141 Abs. 1 AO verpflichtet sind Bücher zu führen, nicht freiwillig Bücher führen sowie auch nicht den Gewinn durch Einnahmenüberschussrechnung nach § 4 Abs. 3 EStG ermitteln. Für diese Personengruppe ist der Gewinn nach den Grundregeln des § 4 Abs. 1 EStG unter Berücksichtigung des Einzelfalls (gegebenenfalls unter Anwendung von Richtsätzen) zu schätzen.
- ausländische Personengesellschaften, die über keine Betriebsstätte oder ständigen Vertreter im Inland verfügen, soweit Gewinnanteile für die inländische Besteuerung unbeschränkt steuerpflichtiger Gesellschafter von Bedeutung sind (z. B. Progressionsvorbehalt), da das deutsche Handelsrecht nicht für diesen Personenkreis gilt.
Rz. 21
Eine Buchführungspflicht für Land- und Forstwirte nach § 140 AO kann i. V. m. §§ 238 ff. HGB bestehen. Hierunter fallen Land- und Forstwirte beispielsweise, wenn sie gemäß § 3 HGB freiwillig ins Handelsregister eingetragen werden oder wenn eine OHG oder KG land- und forstwirtschaftlich tätig ist.
§ 141 AO findet nur Anwendung, wenn sich nicht bereits eine Buchführungspflicht nach § 140 AO ergibt. Eine Buchführungspflicht nach § 141 AO besteht für Land- und Forstwirte, wenn diese für den einzelnen Betrieb
gehabt haben. Diese Grenzwerte gelten alternativ; das einmalige Überschreiten einer Grenze führt zur Buchführungspflicht.
Die Verpflichtung zur Buchführung i. S. des § 141 AO ist erst vom Beginn desjenigen Wirtschaftsjahres an zu erfüllen, das auf die Bekanntgabe der entsprechenden Mitteilung der Finanzbehörde folgt, mit der diese auf die Verpflichtung hinweist. Gleichermaßen entfällt die Verpflichtung zur Buchführung auch erst mit Ablauf des Wirtschaftsjahres, i...