Dr. Hubertus Gschwendtner
Leitsatz
Nach Eröffnung des Konkurs- bzw. Insolvenzverfahrens darf das FA bis zum Prüfungstermin Steuern nicht mehr festsetzen, die zur Konkurs- bzw. Insolvenztabelle anzumelden sind, und Feststellungsbescheide nicht mehr erlassen, in denen Besteuerungsgrundlagen mit Auswirkung für das Vermögen des Gemeinschuldners festgestellt werden. Das gilt auch für Besteuerungsgrundlagen, die einheitlich und gesondert festzustellen sind (Änderung der Rechtsprechung).
Normenkette
§ 180 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a AO , § 251 AO , § 12 KO , § 14 KO , §§ 138 – 145 KO
Sachverhalt
Der Kläger war Konkursverwalter über das Vermögen der N-GmbH und der N-KG. Die GmbH war persönlich haftende Gesellschafterin der KG. Sowohl über das Vermögen der GmbH als auch über das Vermögen der KG war am 30.3.1998 das Konkursverfahren eröffnet worden.
Das FA hatte für das Streitjahr 1997 am 9.4.1998 einen Feststellungsbescheid erlassen. Der Bescheid wurde den Gesellschaftern einzeln bekannt gegeben. Für die GmbH erfolgte die Bekanntgabe an den Kläger als deren Konkursverwalter.
Im Einspruchsverfahren vertrat der Kläger die Ansicht, dass der Erlass des Feststellungsbescheids gegen ihn unzulässig gewesen sei. Die Kommanditisten wandten sich gegen die Höhe des für die KG festgestellten Gewinns. Die nach erfolglosem Einspruch erhobene Klage hatte Erfolg. Das FG hat die Einspruchsentscheidung aufgehoben, soweit sie sich gegen den Kläger richtete (EFG 2002, 1544).
Entscheidung
Der BFH hat das Urteil bestätigt. Das Gewinnfeststellungsverfahren sei durch die Konkurseröffnung unterbrochen worden. Steuerfestsetzungs- und Gewinnfeststellungsbescheide seien im Konkurs des Gesellschafters einer Personengesellschaft gleich zu behandeln. Das gelte allerdings nur hinsichtlich des in Konkurs gefallenen Gesellschafters; hinsichtlich der übrigen Gesellschafter könne das Gewinnfeststellungsverfahren fortgeführt werden. Nach Abschluss der konkursrechtlichen Prüfungen seien an diesem Verfahren aber auch der Konkursverwalter und die Konkursgläubiger des in Konkurs gefallenen Gesellschafters zu beteiligen. Es sei im Rahmen des ggf. zwischenzeitlich ergangenen und auf Feststellung zur Konkurstabelle gerichteten Konkurs- bzw. Insolvenzfeststellungsbescheids zu Ende zu führen. Zu diesem Zweck sei das Verfahren über diesen Bescheid auszusetzen.
Hinweis
Das noch zur KO ergangene Urteil gilt auch für das Verfahren nach der InsO. Der Fall betrifft die steuerverfahrensrechtlichen Folgen eines sog. Simultankonkurses einer GmbH und Co. KG, also eines Konkurses sowohl der GmbH als auch der KG (zu den zivilrechtlichen Folgen siehe Karsten Schmidt, GmbHR 2003, 1404 m.w.N.). Beide Gesellschaften waren durch die Eröffnung des Konkursverfahrens aufgelöst (§ 60 Abs. 1 Nr. 4 GmbHG und § 131 Abs. 1 Nr. 3 i.V.m. § 161 Abs. 2 HBG), die KG aber wegen der übrigen Gesellschafter selbst dann nicht voll beendet, wenn die GmbH wegen des Konkurses aus der KG ausgeschieden sein sollte (§ 131 Abs. 3 Nr. 2 HGB); es konnte deshalb gegen sie grundsätzlich noch ein Feststellungsbescheid erlassen werden. Aber war das auch noch nach Eröffnung des Konkursverfahrens möglich?
Wäre nur die KG in Konkurs gegangen, stünde das dem Erlass eines Feststellungsbescheids nicht entgegen; die Gewinnfeststellung gehört zu den konkursfreien Angelegenheiten (vgl. dazu BFH, Beschluss vom 12.11.1992, IV B 83/91, BStBl II 1993, 265). Das ist anders, wenn auch ein Gesellschafter in Konkurs fällt. Hier ist dessen zur Konkursmasse gehörender Anspruch auf den Gesellschaftsanteil betroffen. Insoweit liegt der Fall nicht anders, als bei Bescheiden, die Steuerfestsetzungen oder gesonderte Feststellungen bei Einzelunternehmen zum Inhalt haben und für die bereits der I. Senat des BFH entschieden hat, dass Konkursrecht vor Steuerrecht gehe (zuletzt BFH, Urteil vom 18.12.2002, I R 33/01, BFH-PR 2003, 281). Auch bei der einheitlichen und gesonderten Gewinnfeststellung muss die Konkursmasse vor einer bestandskräftigen Feststellung der den Gemeinschuldner betreffenden Besteuerungsgrundlagen geschützt werden. Denn ein zwischen Konkurseröffnung und Prüfungstermin bestandskräftig gewordener Steuer- oder Feststellungsbescheid ist von den in diesem Termin widersprechenden Gläubigern oder dem Konkursverwalter hinzunehmen, soweit er nicht nach den §§ 164, 165 und 172 ff.AO geändert werden kann oder ein Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand Erfolg hat.
Der VIII. Senat hat deshalb mit Zustimmung des IV. Senats des BFH und unter Aufgabe der gegenteiligen früheren Rechtsprechung die steuerrechtlichen Folgen davon abhängig gemacht, wie die konkursrechtlichen Vorentscheidungen getroffen werden. Diese sind aber nicht allein Sache des Konkursverwalters; verfügungsbefugt sind vielmehr auch die Konkursgläubiger, die die Steuerforderung im Prüfungstermin bestreiten. Wer aber – und ob überhaupt einer – im Prüfungstermin bestreiten wird, weiß man vor Durchführung dieses Termins nicht. Mit einer Zustellung des Gewinnfeststellungsbescheids an den Konkursverwal...