Leitsatz
Für den Gewinn aus der Übernahme einer Pensionsverpflichtung kann eine gewinnmindernde Rücklage nach § 5 Abs. 7 Satz 5 des Einkommensteuergesetzes (EStG) gebildet werden; die Bewertung der übernommenen Verpflichtung nach § 5 Abs. 7 Satz 4 EStG schließt die Anwendung des § 5 Abs. 7 Satz 5 EStG nicht aus.
Normenkette
§ 5 Abs. 7 Sätze 4 und 5 EStG
Sachverhalt
Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) ist eine aufgelöste GmbH, die im Jahr 2014 (Streitjahr) gegründet wurde. Alleingesellschafter der Klägerin ist R.
R wechselte von einem anderen Unternehmen zur Klägerin als neuer Arbeitgeberin. Zum 31.12.2014 übernahm die Klägerin die Versorgungszusage, die R bei dem anderen Unternehmen erteilt worden war. Im Gegenzug wurden der Klägerin entsprechende Vermögenswerte i. H. v. 512.052 EUR übertragen. Es entstand ein Übertragungsgewinn i. H. v. 77.881 EUR, für den die Klägerin eine Rücklage nach § 5 Abs. 7 Satz 5 EStG bildete. Die Rücklage löste sie im Streitjahr und in den Folgejahren zu je einem Fünfzehntel auf.
Das FA vertrat nach einer Außenprüfung die Auffassung, dass die Rücklagenbildung unzulässig sei, und erhöhte den Gewinn der Klägerin um die verbliebene Rücklage i. H. v. 72.689 EUR. § 5 Abs. 7 Satz 5 EStG finde keine Anwendung. Der Einspruch blieb erfolglos.
Das FG (FG Nürnberg, Urteil vom 10.8.2021, 1 K 528/20, Haufe-Index 15020138, EFG 2022, 390) gab der Klage statt. Es entschied, dass auch für den Gewinn aus einer übernommenen Pensionsverpflichtung eine gewinnmindernde Rücklage gebildet werden darf. Die Übernahme falle unter § 5 Abs. 7 Satz 1 EStG. § 5 Abs. 7 Satz 4 EStG enthalte lediglich eine Regelung zur Bewertung der übernommenen Pensionsverpflichtung.
Das BMF ist dem Revisionsverfahren beigetreten.
Entscheidung
Der BFH wies die Revision des FA als unbegründet zurück.
Hinweis
1. Nach § 5 Abs. 1 Satz 1 EStG sind übernommene Verpflichtungen, die beim ursprünglich Verpflichteten u. a. Ansatzbeschränkungen oder Bewertungsvorbehalten unterlegen haben, beim Übernehmer so zu bilanzieren, wie sie beim ursprünglich Verpflichteten ohne Übernahme zu bilanzieren gewesen wären. Für einen Gewinn, der sich aus der Anwendung des Satzes 1 ergibt, kann nach § 5 Abs. 7 Satz 5 EStG eine gewinnmindernde Rücklage gebildet werden.
Gäbe es keinen § 5 Abs. 7 Satz 4 EStG, wäre danach wohl für jedermann klar, dass die Rücklage nach Satz 1 und 5 auch für den Gewinn aus übernommenen Pensionsverpflichtungen gebildet werden darf.
2. Nun enthält das Gesetz allerdings in Absatz 7 auch den Satz 4: Danach ist in dem Fall, dass eine Pensionsverpflichtung unter gleichzeitiger Übernahme von Vermögenswerten gegenüber einem Arbeitnehmer übernommen wird, der bisher in einem anderen Unternehmen tätig war, Satz 1 mit der Maßgabe anzuwenden, dass die Ermittlung des Teilwertes modifiziert wird (und sich kein negativer Jahresbetrag ergeben darf). Bedeutet das, dass nur eine einzige Begünstigung gewährt und die Bildung einer Gewinnrücklage nach Satz 5 bei Anwendung des Satzes 4 ausgeschlossen werden soll, wie das BMF meint (entweder-oder)?
3. Der BFH hat sich gegen diese Sichtweise entschieden: Wenn nach Satz 4 "Satz 1 mit der Maßgabe anzuwenden" ist, ist er in Fällen des Satzes 4 mit anzuwenden. Daher ist auch der unter Anwendung des Satzes 4 ermittelte Gewinn ein Gewinn aus der Anwendung des Satzes 1. Fälle des Satzes 4 sind keine eigene Fallgruppe, sondern Unterfälle des Satzes 1. Daher darf sowohl die Bewertung gemäß Satz 4 erfolgen als auch eine Rücklage nach Satz 5 gebildet werden.
4. Für diese vermeintliche"Doppelbegünstigung" spricht nach Auffassung des BFH der Gleichbehandlungsgrundsatz und der Gesetzeszweck: Da der Vorteil der Anwendung des Satzes 5 oftmals größer ist als der des Satzes 4, widerspräche die Auffassung des BMF dem Zweck, die Übernahme von Pensionsverpflichtungen ("Portabilität") zu erleichtern. Ein nach Satz 4 zusätzlich zu begünstigendes Verhalten ist nicht insgesamt schlechter zu behandeln als ein nicht begünstigtes. Diese Auslegung des Satzes 5 durch den BFH verhindert, dass Satz 4 zum Danaergeschenk wird.
5. Auch ein Widerspruch zur Begünstigung beim Übertragenden (§ 4f Abs. 1 Satz 3 Halbs. 2 EStG) besteht nicht. Dass sie zulasten des Übernehmers gehen soll, ergibt sich weder aus dem Gesetz noch aus der Entstehungsgeschichte oder dem Zweck der beiden Vorschriften. Vielmehr stehen die Begünstigungen beim Übertragenden und beim Übernehmer insoweit nebeneinander.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 23.10.2024 – XI R 24/21