Gewinnrücklage bei Übernahme von Pensionsverpflichtungen

Hintergrund: Gesetzliche Regelung
Nach § 5 Abs. 7 Satz 1 EStG sind übernommene Verpflichtungen, die beim ursprünglich Verpflichteten Ansatzverboten, -beschränkungen oder Bewertungsvorbehalten unterlegen haben, zu den auf die Übernahme folgenden Abschlussstichtagen bei dem Übernehmer und dessen Rechtsnachfolger so zu bilanzieren, wie sie beim ursprünglich Verpflichteten ohne Übernahme zu bilanzieren wären.
Nach § 5 Abs. 7 Satz 5 EStG kann für einen Gewinn, der sich aus der Anwendung der Sätze 1 bis 3 ergibt, jeweils in Höhe von vierzehn Fünfzehntel eine gewinnmindernde Rücklage gebildet werden, die in den folgenden 14 Wirtschaftsjahren jeweils mit mindestens einem Vierzehntel gewinnerhöhend aufzulösen ist.
Sachverhalt: Anwendbarkeit des § 5 Abs. 7 Satz 5 EStG auf eine übernommene Pensionszusage
Die Klägerin ist eine aufgelöste GmbH, die im Jahr 2014 (Streitjahr) gegründet wurde. Alleingesellschafter der Klägerin ist R.
R wechselte von einem anderen Unternehmen zur Klägerin als neuem Arbeitgeber.
Mit Wirkung zum 31.12.2014 übernahm die Klägerin die Versorgungszusage, die R bei dem anderen Unternehmen erteilt worden war. Im Gegenzug wurden der Klägerin entsprechende Vermögenswerte (Lebensversicherung, Forderungen gegenüber R) in Gesamthöhe von 512.052 EUR übertragen. Es entstand ein Übertragungsgewinn in Höhe von 77.881 EUR, für den die Klägerin eine Rücklage nach § 5 Abs. 7 Satz 5 EStG bildete; sie löste diese im Streitjahr und in den Folgejahren zu je einem Fünfzehntel auf.
Das Finanzamt (FA) vertrat die Auffassung, dass die Rücklagenbildung für den Gewinn aus der übernommenen Pensionsverpflichtung unzulässig sei. § 5 Abs. 7 Satz 5 EStG finde keine Anwendung. Es erhöhte den Gewinn für das Streitjahr 2014 dementsprechend um die verbliebene Rücklage in Höhe von 72.689 EUR.
Die Einsprüche der Klägerin gegen die Bescheide wegen Körperschaftsteuer und Gewerbesteuermessbetrag hatten keinen Erfolg.
Das Finanzgericht (FG) gab der Klage statt.
Entscheidung: BFH bestätigt die Auffassung der Vorinstanz
Der BFH entschied, dass die Revision des FA unbegründet und daher zurückzuweisen ist.
Für den Gewinn aus der übernommenen Pensionsverpflichtung kann eine steuermindernde Rücklage gebildet werden
Bei einer Pensionszusage handelt es sich um eine übernommene Verpflichtung, die beim ursprünglich Verpflichteten Ansatzbeschränkungen beziehungsweise Bewertungsvorbehalten unterlegen hat. Es liegt ein Fall des § 5 Abs. 7 Satz 1 EStG vor. Als Rechtsfolge ergibt sich daraus an sich, dass die Klägerin die Verpflichtung so zu bilanzieren hat, wie sie beim ursprünglich Verpflichteten ohne Übernahme zu bilanzieren wäre. Außerdem darf die Klägerin nach § 5 Abs. 7 Satz 5 EStG, der auf § 5 Abs. 7 Satz 1 EStG Bezug nimmt, eine gewinnmindernde Rücklage bilden. Hierzu fürht der BFH weiter aus:
- Wird eine Pensionsverpflichtung unter gleichzeitiger Übernahme von Vermögenswerten gegenüber einem Arbeitnehmer übernommen, der bisher in einem anderen Unternehmen tätig war, ist nach § 5 Abs. 7 Satz 4 EStG Satz 1 mit der Maßgabe anzuwenden, dass bei der Ermittlung des Teilwertes der Verpflichtung der Jahresbetrag nach § 6a Absatz 3 Satz 2 Nr. 1 EStG so zu bemessen ist, dass zu Beginn des Wirtschaftsjahres der Übernahme der Barwert der Jahresbeträge zusammen mit den übernommenen Vermögenswerten gleich dem Barwert der künftigen Pensionsleistungen ist; dabei darf sich kein negativer Jahresbetrag ergeben.
- Die Bewertung der übernommenen Verpflichtung nach § 5 Abs. 7 Satz 4 EStG schließt die Anwendung des § 5 Abs. 7 Satz 5 EStG nicht aus.
- Bereits der Wortlaut des Gesetzes spricht nicht gegen, sondern für eine Rücklagenbildung.
- Bezieht man § 5 Abs. 7 Satz 4 EStG in die Überlegungen ein, ergibt sich nichts Abweichendes. Im Verhältnis zu § 5 Abs. 7 Satz 1 EStG ist die Vorschrift des § 5 Abs. 7 Satz 4 EStG zwar im Hinblick auf die Bewertung lex specialis. Sie regelt eine abweichende Rechtsfolge und erschöpft sich darin. Sie enthält (anders als § 5 Abs. 7 Satz 2 und 3 EStG) keinen eigenen Tatbestand, ohne den § 5 Abs. 7 Satz 1 EStG nicht anwendbar wäre. Die Sätze 2 und 3 betreffen andere Fallgruppen als die Übertragung, nämlich den Schuldbeitritt und die Erfüllungsübernahme (Satz 2) sowie den Erwerb von Mitunternehmeranteilen (Satz 3). § 5 Abs. 7 Satz 4 EStG hingegen begründet keine neue vierte Fallgruppe, sondern ordnet für einen Teil der Übertragungsfälle des Satzes 1 eine besondere Bewertung an. Er betrifft Übertragungen im Sinne des § 5 Abs. 7 Satz 1 EStG. Daraus erklärt sich die Bezugnahme des § 5 Abs. 7 Satz 5 EStG lediglich auf die Sätze 1 bis 3.
Auslegung auch gleichheitsrechtlich geboten
Es ist im Hinblick auf Art. 3 Abs. 1 GG geboten, die Rücklagenbildung nicht nur bei andersartigen Verpflichtungen, sondern ebenso bei Pensionszusagen zuzulassen, die andernfalls sinnwidrig benachteiligt würden. Dies gilt im Steuerrecht, das intensives Eingriffsrecht ist, umso mehr deshalb, weil durch das Verwehren der Rücklage bei Pensionsverpflichtungen erheblich in die Rechte der Steuerpflichtigen eingegriffen würde.
Keine einschränkende Auslegung
Anhaltspunkte dafür, § 5 Abs. 7 Satz 1 und 5 EStG entgegen dem Wortlaut einschränkend auszulegen und die Rücklagenbildung damit zu verwehren, sind nicht zu erkennen.
- Die Vorschrift des § 5 Abs. 7 EStG ist gemeinsam mit § 4f EStG durch das AIFM-Steueranpassungsgesetz vom 18.12.2013 (BGBl I 2013, 4318) in das EStG eingefügt wurde. Mit den Regelungen sollte ausweislich der Gesetzesmaterialien verhindert werden, dass Gestaltungsräume in missbräuchlicher Form genutzt werden, welche sich aus der Entwicklung der Rechtsprechung des BFH ergeben hätten. Mit § 4f Abs. 1 Satz 3 Halbsatz 2 EStG verfolgte der Gesetzgeber ersichtlich aber auch den Zweck, die Portabilität von Versorgungszusagen nicht zu erschweren, sie mit anderen Worten zu begünstigen.
- Entsprechendes gilt ebenso für § 5 Abs. 7 Satz 4 und 5 EStG. Zweckwidrig wäre es demnach, ein begünstigtes beziehungsweise erwünschtes Verhalten (die Übernahme von Pensionsverpflichtungen, § 5 Abs. 7 Satz 4 EStG) zumindest in einem Teil der Fälle schlechter zu behandeln als nicht begünstigtes beziehungsweise weniger erwünschtes Verhalten (Übernahme anderer Verpflichtungen, § 5 Abs. 7 Satz 1 EStG). Das wäre bei einer einschränkenden Auslegung des § 5 Abs. 7 Satz 5 EStG jedoch der Fall; denn die Übertragung einer Pensionsverpflichtung könnte dann mangels Möglichkeit zur Rücklagenbildung ungünstiger als die Übertragung einer andersartigen Verpflichtung sein und dabei zu systemwidrigen Unterschieden führen.
Aus der Gesetzessystematik folgt nichts anderes
§ 5 Abs. 7 Satz 4 EStG soll nach den Gesetzesmaterialien klarstellend eine frühere Verwaltungsanweisung ins Gesetz übernehmen. Schon deshalb fehlt es an der Korrespondenz zwischen § 4f Abs. 1 Satz 3 Halbsatz 2 EStG und § 5 Abs. 7 Satz 5 EStG. Gegen ein Korrespondenzprinzip dergestalt, dass ein steuerlicher Vorgang bei dem einen zum (sofortigen) Abzug berechtigt und bei dem anderen zur (sofortigen) Besteuerung verpflichtet, fehlt es auch im Übrigen an hinreichenden Anhaltspunkten. Ein solches Prinzip ordnet der Gesetzgeber regelmäßig durch ausdrückliche Bezugnahme im Gesetz an. Daran fehlt es hier.
Die Klägerin kann danach für den Gewinn aus der übernommenen Pensionsverpflichtung eine steuermindernde Rücklage nach § 5 Abs. 7 Satz 5 EStG bilden.
BFH, Urteil v. 23.10.2024, XI R 24/21; veröffentlicht am 20.2.2025
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