1.3.1 Steuerzahlungspflichten
Der Geschäftsführer muss nach § 34 Abs. 1 AO dafür sorgen, dass die Gesellschaft ihre Steuern entrichtet. Dabei muss er die Mittel der Gesellschaft mit Blick auf die in absehbarer Zeit fälligen Steuerschulden so einteilen, dass die Zahlung bei Fälligkeit gesichert ist und er muss darauf achten, dass er keine Steuerpflichten auslöst, welche die Gesellschaft nicht bedienen kann (Mittelvorsorgepflicht).
Mögliche persönliche Haftung des Geschäftsführers für Steuerschulden
Die Erfüllung der Steuerschulden der Gesellschaft ist für den Geschäftsführer besonders prekär, weil ihn bei Nicht- oder nicht ordnungsgemäßer Erfüllung u. U. eine persönliche Haftung treffen kann (§ 69 AO). Dies gilt generell, nicht nur während Krisenzeiten. Das Finanzamt kann – wenn auch nur subsidiär, d. h. wenn eine Vollstreckung gegen die GmbH aussichtslos erscheint (§ 219 AO) – einen Haftungsbescheid gegen den Geschäftsführer erlassen (§ 191 AO). Aus diesem kann ohne weitere Zwischenschritte in sein Privatvermögen vollstreckt werden.
Grundsatz: Anteilige Tilgung der Steuerschulden
Es gilt der Grundsatz der anteiligen Tilgung. Dieses Prinzip besagt, dass das Finanzamt nicht besser, aber auch nicht schlechter zu behandeln ist als die übrigen Gläubiger. Fehlen daher bei der kriselnden Gesellschaft ausreichende Mittel zur Tilgung der Steuerschulden, kann der Geschäftsführer den Steuergläubiger nur teilweise, nämlich im Umfang anteilig wie alle übrigen Gläubiger befriedigen.
Sonderfall: Lohnsteuer
Von der anteiligen Tilgung ausgenommen sind Lohnsteuerschulden, die vorrangig und in gleichem Umfang wie die Nettolöhne befriedigt werden müssen. Durch eine Kürzung der Nettolöhne wird automatisch die Lohnsteuer geringer. Der Geschäftsführer kann also durch die Höhe der Nettolohn-Auszahlungen die Höhe der abzuführenden Lohnsteuer beeinflussen.
Korrespondierend zur Priorisierung der Steuerzahlungspflichten gilt das Auszahlungsverbot jedenfalls bei Lohnsteuer- und Umsatzsteuerschulden nicht. Diese Zahlungen sind nach höchstrichterlicher Rechtsprechung mit der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns gemäß § 64 Abs. 2 GmbHG (jetzt § 15b Abs. 1 InsO n. F.) vereinbar.
1.3.2 Sozialversicherungsbeiträge
Der Arbeitgeber ist nach § 28e Abs. 1 SGB IV verpflichtet, die von seinen Arbeitnehmern zu entrichtenden Beiträge an die Sozialversicherung abzuführen. Der Gesamtsozialversicherungsbeitrag ist – unabhängig davon, ob die Beiträge in Höhe der voraussichtlichen Beitragsschuld oder in Höhe der Beiträge des Vormonats nachgewiesen werden – spätestens am drittletzten Bankarbeitstag des Monats der Arbeitsleistung fällig.
Die Pflicht zur Zahlung der Arbeitnehmeranteile besteht selbst dann, wenn keine Nettolöhne gezahlt werden (§ 266a Abs. 1 StGB). Enthält der Geschäftsführer die Arbeitnehmerbeiträge zur Sozialversicherung vor, läuft er Gefahr, sich dadurch strafbar zu machen (§ 266a StGB). Zugleich stellt es eine unerlaubte Handlung dar und kann somit zivilrechtliche Schadensersatzansprüche auslösen (§ 823 Abs. 2 BGB i. V. m. § 266a StGB). Die Krankenkasse ist Einziehungsstelle. Sie hat – anders als das Finanzamt – nicht die Möglichkeit selbst einen Haftungsbescheid zu generieren, sodass hier kein entsprechender Durchmarsch zur Durchsetzung der Forderung erfolgen kann, sondern der übliche Weg über die ordentlichen Gerichte gegangen werden muss.
Auch bezüglich der Arbeitnehmeranteile zur Sozialversicherung gilt die Vorrangigkeit, die gleichzeitig eine Ausnahme zum Auszahlungsverbot darstellt. Begleicht der Geschäftsführer die Arbeitnehmerbeiträge zur Sozialversicherung, ist dies mit der Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmanns nach § 64 Abs. 2 GmbHG (jetzt § 15b Abs. 1 InsO n. F.) vereinbar. Dies hat wiederum für den Geschäftsführer zur Folge, dass er nicht um die Zahlung der Sozialversicherungsbeiträge herumkommt, sich andererseits nicht strafbar macht.
Grundsatz der Gesamtverantwortung
Hat die Gesellschaft mehrere Geschäftsführer, haftet jeder einzelne von Ihnen für die Abführung der Sozialversicherungsbeiträge, unabhängig von einer bestimmten Ressortaufteilung. Bei einer klaren Delegation an einen bestimmten Geschäftsführer ist dieser zwar vorrangig verantwortlich, in der Krise haben alle anderen Geschäftsführer allerdings gesteigerte Überwachungspflichten, die zum Eingreifen verpflichten, wenn Anhaltspunkte dafür bestehen, dass der Zuständige die Aufgaben nicht mehr erfüllt bzw. erfüllen kann.
Die Zahlungspflicht besteht so lange, wie die GmbH über liquide Mittel verfügt, um nur die konkret geschuldete Forderung zu decken. Der Arbeitgeber ist verpflichtet, durch geeignete Maßnahmen, etwa durch die Aufstellung eines Liquiditätsplanes und die Bildung ausreichender Rücklagen, notfalls durch Kürzung der Löhne, sicherzustellen, dass er die Arbeitnehmeranteile zur Sozialversicherung fristgerecht abführen kann