Dr. Björn-Axel Dißars, Dr. Ulf-Christian Dißars
Leitsatz
Kein grobes Verschulden, wenn nach freiwilligen Zahlungen zur Rentenversicherung im Steuererklärungsformular nicht ausdrücklich gefragt wird.
Sachverhalt
Die Kläger wurden als Eheleute in 2005 gemeinsam zur Einkommensteuer veranlagt. Der Kläger erzielte Einkünfte aus nicht selbständiger Tätigkeit, die Klägerin aus Gewerbebetrieb. In der Einkommensteuererklärung, bei deren Erstellung ein Steuerberater mitwirkte, machten die Kläger Angaben zu Altersvorsorgeaufwendungen. Hierbei gaben die Kläger den vom Kläger geleisteten Anteil zur gesetzlichen Rentenversicherung und den Arbeitgeberanteil an. Für die Klägerin wurde nichts erklärt. Der Bescheid 2005 erging im Dezember 2006. Im September 2008 beantragten die Kläger die Änderung der Einkommensteuerfestsetzung 2008, da die von der Klägerin in 2005 als Selbständige gezahlten Pflichtbeiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung nicht berücksichtigt worden seien. Dies sei erst nachträglich bekannt geworden. Ein grobes Verschulden treffe die Kläger hieran, da die entsprechende Bescheinigung der Rentenversicherung auf die neuen Möglichkeiten nach dem AltEinkG nicht hingewiesen habe. Der Änderungsantrag wurde vom Finanzamt unter Hinweis auf das grobe Verschulden abgelehnt. Auch ein erstes Finanzgerichtsverfahren hatte keinen Erfolg. Allerdings hob der BFH die Entscheidung auf und verwies die Sache zurück an das Niedersächsische FG. Dieses hatte nunmehr erneut über die Sache zu entscheiden.
Entscheidung
Die Klage hatte nunmehr Erfolg, da die Ablehnung des Änderungsantrags die Kläger in ihren Rechten verletzt hat. Zu Unrecht - so urteilte das Niedersächsische FG - habe das Finanzamt die Änderung der Steuerfestsetzung nach § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO abgelehnt. Zentrale Bedeutung habe hier die Frage, ob die Kläger ein grobes Verschulden an dem nachträglichen Bekanntwerden der Zahlung der Beiträge treffe. Dies sei hier aber nicht der Fall, da sich die Kläger in einem subjektiv entschuldbaren Rechtsirrtum befunden hätten. Ein solcher schließe das grobe Verschulden aus. Die Steuererklärungsformulare des Jahres 2005 seien in dieser Hinsicht nicht vollständig gewesen, da nach den freiwilligen Zahlungen nicht ausdrücklich gefragt worden sei. Auch der steuerliche Berater der Kläger habe nicht fahrlässig gehandelt. Er habe die Kläger über die Geltendmachung von Versicherungszahlungen allgemein informiert, aber keine Kenntnis von der hier fraglichen Zahlung gehabt.
Hinweis
Die Kläger hatte hier wahrlich dicke Bretter zu bohren, bevor sie zu ihrem Recht gelangten. In einem ersten Verfahren hatte der BFH (Urteil v. 9.11.2011, X R 53/09, BFH/NV 2012 S. 545) die Entscheidung des FG Niedersachen aufgehoben und an einen anderen Senat zurückverwiesen. Zentrale Bedeutung kam dabei der Frage zu, ob hier ein grobes Verschulden seitens der Kläger daran bestand, dass die freiwilligen Zahlungen an die Rentenversicherung nach der Bestandskraft der Steuerveranlagung bekannt wurden. Dabei kam den Klägern hier entgegen, dass diese freiwilligen Zahlungen in dem Steuererklärungsformular des maßgeblichen Jahres nicht ausdrücklich abgefragt wurden. Wenn dies nämlich der Fall gewesen wäre, wäre das Verschulden der Kläger offensichtlich gewesen. Der BFH hat dies in verschiedenen Urteilen so gesehen (BFH, Urteil v. 19.12.2006, VI R 59/02, BFH/NV 2007 S. 866; BFH, Urteil v. 23.1.2001, XI R 42/00, BStBl 2001 II S. 379). Mögen die Formulare auch noch so vollgestopft mit Informationen sein und teilweise für steuerliche Laien geradezu unverständlich - der Steuerpflichtige hat sich mit ihnen doch auseinander zu setzen, er hat allerdings nicht zwingend einen steuerlichen Berater einzuschalten. Da hier offensichtlich nicht ausdrücklich nach den freiwilligen Zahlungen gefragt wurde, erscheint das Urteil zutreffend. Es darf jedoch nicht verkannt werden, dass sich generelle Aussagen darüber, wann ein grobes Verschulden des Steuerpflichtigen besteht, verbieten. Auch im Einzelfall ist es stets schwierig zu beurteilen, wie das Finanzamt oder auch das Finanzgericht entscheiden wird.
Link zur Entscheidung
Niedersächsisches FG, Urteil vom 24.07.2013, 9 K 29/12