Prof. Dr. Franceska Werth
Leitsatz
Ein Treuhänder kann den Tatbestand des § 1 Abs. 3 Nr. 1 des Grunderwerbsteuergesetzes erfüllen, wenn sich in seiner Hand erstmalig alle Anteile einer grundbesitzenden GmbH unmittelbar oder mittelbar vereinigen. Es kommt nicht darauf an, dass der Treuhänder einen Teil der Anteile für Rechnung seines Auftraggebers (Treugeber) erwirbt.
Normenkette
§ 1 Abs. 3 Nr. 1, § 17 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 GrEStG, § 68 Satz 1, § 73 Abs. 1 Satz 2, § 90a Abs. 3, § 121 Satz 1, § 127 FGO
Sachverhalt
Der Kläger, sein Bruder und die X-GmbH hielten jeweils 33,33 % der Anteile der Y-GmbH. Diese war Eigentümerin von zwei Grundstücken in B und eines Grundstücks in A.
Mit notariell beurkundetem Vertrag vom 3.8.2012 verpflichtete sich der Kläger, treuhänderisch 6,67 % der Anteile an der Y-GmbH von seinem Bruder zu erwerben. Mit notariell beurkundetem Geschäftsanteilskauf- und Übertragungsvertrag vom 10.8.2012 hat der Kläger von seinem Bruder dessen Geschäftsanteile an der Y-GmbH erworben.
Das FA erließ am 22.11.2012 einen Bescheid über die gesonderte Feststellung der Besteuerungsgrundlagen für die GrESt gemäß § 1 Abs. 3 Nr. 1 i.V.m. § 17 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 GrEStG für die Vereinigung von mindestens 95 % der Anteile an der Y-GmbH durch Geschäftsanteilskauf- und Übertragungsvertrag vom 10.8.2012. In der beigefügten Grundstücksliste waren nur zwei Grundstücke aufgelistet. Am 22.5.2014 erließ das FA einen weiteren Feststellungsbescheid für die mindestens 95%ige Vereinigung der Anteile an der Y-GmbH, in dem das dritte Grundstück aufgelistet wurde. Ein Datum hinsichtlich des Steuerstichtags war nicht angegeben. Die hiergegen erhobene Klage wies das FG ab (FG Baden-Württemberg, Urteil vom 9.7.2021, 5 K 1880/19).
Während des Revisionsverfahrens hat das FA einen neuen Feststellungsbescheid für die Vereinigung von mindestens 95 % der Anteile der Y-GmbH durch Geschäftsanteilskauf- und Übertragungsvertrag vom 10.8.2012 erlassen. In der Anlage wurden erstmals alle drei der Y-GmbH gehörenden Grundstücke aufgelistet und der Steuerstichtag angegeben.
Entscheidung
Der BFH hat das FG-Urteil aus verfahrensrechtlichen Gründen aufgehoben und die Klage abgewiesen.
Hinweis
1. Der BFH hatte zunächst einen Gerichtsbescheid erlassen, in dem er das FG-Urteil insoweit aufhob, als das FA in verfahrensrechtlich unzulässiger Weise eine Änderung des Feststellungsbescheids für die Vereinigung von mindestens 95 % der Anteile an der Y vorgenommen hatte, in dem es ein Grundstück in der Grundstücksliste "nachgeschoben" hatte.
2. Nach § 17 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 GrEStG werden die Besteuerungsgrundlagen in den Fällen des § 1 Abs. 3 GrEStG durch das FA, in dessen Bezirk sich die Geschäftsleitung der Gesellschaft befindet, gesondert festgestellt, wenn ein außerhalb des Bezirks dieses FA liegendes Grundstück oder ein auf das Gebiet eines anderen Landes sich erstreckender Teil eines im Bezirk dieses FA liegenden Grundstücks betroffen ist. Zu den nach § 17 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 GrEStG gesondert festzustellenden Besteuerungsgrundlagen gehören die verbindliche Entscheidung über die Steuerpflicht des jeweiligen Erwerbsvorgangs dem Grunde nach, über die als Steuerschuldner in Betracht kommenden natürlichen oder juristischen Personen und über die FA, die zur Steuerfestsetzung berufen sind. Zudem muss die Angabe der betroffenen Grundstücke erfolgen. Gesondert festzustellen ist außerdem der Zeitpunkt, auf den der Grundbesitz der Gesellschaft nach § 8 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 GrEStG zu bewerten ist.
3. Diesen Anforderungen genügten die vom FA zunächst erlassenen Feststellungsbescheide nicht. Im ersten Feststellungsbescheid vom 22.11.2012 hatte das FA nur Feststellungen zu zwei Grundstücken der Y-GmbH getroffen, sodass dieser Bescheid rechtswidrig war. Der Feststellungsbescheid vom 22.5.2014, durch den das dritte Grundstück der Y-GmbH in die Grundstücksliste aufgenommen wurde, war rechtswidrig, da der Grundbesitz in unzulässiger Weise nachgeschoben wurde. Eine Ergänzung der Grundstücksliste ist nicht möglich. Außerdem fehlte die Benennung des zutreffenden Steuerstichtags.
Feststellungsbescheid prüfen
Es lohnt sich stets, den vom FA erlassenen Bescheid über die gesonderte Feststellung der Besteuerungsgrundlagen für die GrESt zu prüfen. Häufig sind nicht alle Grundstücke aufgeführt. Eine Ergänzung der Grundstücke in einem Änderungsbescheid ist nicht möglich. Das FA muss den alten Bescheid aufheben und einen neuen Bescheid erlassen. Ein besonderes Augenmerk sollte auch auf den im Feststellungsbescheid angegebenen Steuerstichtag gelegt werden.
4. Das FA hat in dem vorliegenden Verfahren die Situation dadurch gerettet, dass es einen Antrag auf mündliche Verhandlung gestellt hat, wodurch der Gerichtsbescheid als nicht ergangen gilt (§ 90a Abs. 3 FGO). Es hat dann während des Revisionsverfahrens die beiden rechtswidrigen Feststellungsbescheide aufgehoben und einen neuen Feststellungsbescheid erlassen, in dem alle drei Grundstücke der Y-GmbH aufgelistet waren und der richtige Steuerstichtag angegeben wurde. Die ...