Leitsatz
1. Überträgt ein Elternteil Miteigentumsanteile an einem Grundstück schenkweise auf Kinder und verpflichten sich diese dazu, anteilige Miteigentumsanteile auf später geborene Geschwister zu übertragen, kann der Erwerb dieser Geschwister aufgrund interpolierender Betrachtung nach § 3 Nr. 6 i.V.m. § 3 Nr. 2 Satz 1 GrEStG steuerbefreit sein.
2. Die interpolierende Betrachtung ist nicht durch § 42 AO ausgeschlossen, wenn die Übertragung von Miteigentumsanteilen auf später geborene Geschwister auf der Intention des schenkenden Elternteils beruht, den Kindern und künftigen Kindern im Rahmen der vorweggenommenen Erbfolge ein Grundstück zu gleichen Teilen zu übertragen.
Normenkette
§ 3 Nr. 2 Satz 1, Nr. 6 GrEStG, § 42 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 AO, § 1589 Satz 2, § 1923 Abs. 2 BGB, § 7 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG
Sachverhalt
Mit Vertrag vom 21.3.1988 übertrug der Vater (V) des im Oktober 1988 geborenen Klägers dessen zwei Schwestern im Wege der vorweggenommenen Erbfolge Miteigentumsanteile an einem Grundstück zu gleichen Teilen. Die Schwestern verpflichteten sich in dem Vertrag, für den Fall der Geburt weiterer, ehelicher Kinder des V ihre (künftigen) Geschwister so zu stellen, als ob diese zu denselben Bedingungen einen Miteigentumsanteil erworben hätten. V behielt sich ein Nießbrauchsrecht an dem übertragenen Grundstück vor.
Mit Vertrag vom 27.12.2012 übertrugen die beiden Schwestern unter Bezugnahme auf ihre Verpflichtung aus dem Vertrag vom 21.3.1988 dem Kläger gegen teilweise Übernahme der Nießbrauchsverpflichtung jeweils ein Sechstel des Grundstücks, sodass alle Geschwister Miteigentümer zu je einem Drittel wurden.
Das FA setzte gegen den Kläger für den Erwerb der Miteigentumsanteile Grunderwerbsteuer fest. Bemessungsgrundlage war der anteilige Wert der vom Kläger übernommenen Nießbrauchsverpflichtung.
Der nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhobenen Klage gab das FG statt (FG Düsseldorf, Urteil vom 16.7.2014, 7 K 1201/14 GE, Haufe-Index 7417479, EFG 2014, 2075).
Entscheidung
Der BFH hat aus den dargestellten Gründen die Revision des FA als unbegründet zurückgewiesen.
Hinweis
Die schenkweise Grundstücksübertragung von Eltern auf ein Kind ist nach § 3 Nr. 2 GrEStG (Grundstücksschenkung) bzw. § 3 Nr. 6 GrEStG (Grundstücksübertragung durch in gerader Linie Verwandte) von der Grunderwerbsteuer befreit. Das Besprechungsurteil betrifft die Frage, ob eine spätere direkte Weiterübertragung des geschenkten Grundbesitzes durch das Kind auf Geschwister ebenfalls von der Grunderwerbsteuer befreit ist. Diese Weiterübertragung kann – so im Urteilsfall – auf einer bereits der Grundstücksschenkung beigefügten Auflage des beschenkten Kindes beruhen. Eine ähnliche Problematik ergibt sich, wenn einem Kind nach bereits vollzogener Schenkung des Grundstücks dessen Weiterübertragung im Rahmen einer vorweggenommenen Erbfolgeregelung auferlegt wird (so die dem BFH-Beschluss vom 11.8.2014, II B 131/13, BFH/NV 2015,7 zugrunde liegende Gestaltung).
1. In diesen Fällen wäre zwar die Rückübertragung des Grundstücks vom beschenkten Kind auf die Eltern nach § 3 Nr. 6 GrEStG und ebenso die nachfolgende Grundstücksübertragung von den Eltern auf das Geschwisterkind gemäß § 3 Nr. 2 oder Nr. 6 GrEStGgrunderwerbsteuerfrei. Diese Übertragungsvorgänge lösen jedoch im Vergleich zur direkten Grundstücksübertragung unter den Geschwistern erhöhte Transaktionskosten (Notar- und Gerichtskosten) aus.
2. Zwar ist eine Grundstücksübertragung zwischen Geschwistern nicht unmittelbar nach § 3 Nr. 6 GrEStG befreit, weil Geschwister nicht in gerader Linie, sondern in Seitenlinie verwandt sind (§ 1589 Satz 2 BGB). Auch eine Befreiung nach § 3 Nr. 2 GrEStG liegt im Verhältnis der Geschwister nicht vor, soweit – wie bei den hier angesprochenen Fallgestaltungen – die Verpflichtung zur Grundstücksübertragung auf einer entsprechenden Auflage der Eltern beruht. Schenkungsteuerrechtlich sind die Eltern Zuwendende, obgleich sich die Grundstücksübertragung zwischen den Kindern vollzieht.
3. Die direkte Grundstücksübertragung unter Geschwistern ist aber aufgrund interpolierender Betrachtung nach § 3 Nr. 6 und § 3 Nr. 2 Satz 1 GrEStG befreit, weil lediglich ein abgekürzter Weg einer freigebigen Zuwendung der Eltern an das Geschwisterkind vorliegt und der unterbliebene Zwischenerwerb der Eltern ebenfalls grunderwerbsteuerfrei wäre (vgl. vorstehend 1).
Die direkte Grundstücksübertragung ist kein Gestaltungsmissbrauch (§ 42 AO). Ein solcher kann zwar vorliegen, wenn bei einer beabsichtigten Grundstücksübertragung zwischen Geschwistern das Grundstück zunächst auf die Eltern und von diesen sodann auf das Geschwisterkind übertragen wird, um so eine Steuerbefreiung beider Rechtsvorgänge nach § 3 Nr. 6 GrEStG zu erreichen. Ein die Anwendung des § 42 AO ausschließender beachtlicher Grund für die Direktübertragung des Grundstücks auf ein Geschwisterkind liegt jedoch vor, wenn eine Grundstücksübertragung nach dem Elternwillen der gleichmäßigen Berücksichtigung erst später geborener Geschwister dient.