Leitsatz
1. Für die Zuordnung von Wirtschaftsgütern (hier einer Kapitalbeteiligung) zum notwendigen Sonderbetriebsvermögen II ist der Veranlassungszusammenhang maßgebend.
2. Danach ist die (Mehrheits‐)Beteiligung eines Kommanditisten an einer Kapitalgesellschaft, die neben ihren geschäftlichen Beziehungen zur KG oder neben ihrer Geschäftsführertätigkeit als Komplementär-GmbH für die KG einen eigenen Geschäftsbetrieb von nicht ganz untergeordneter Bedeutung unterhält, in der Regel nicht dem notwendigen Sonderbetriebsvermögen II zuzuordnen. Dies gilt auch dann, wenn die einen eigenen Geschäftsbetrieb von nicht ganz untergeordneter Bedeutung unterhaltende Komplementär-GmbH wirtschaftlich mit der GmbH & Co. KG verflochten ist und die Geschäftsbeziehungen aus Sicht der GmbH & Co. KG nicht von geringer Bedeutung sind (z.B. entgegen Verfügung der OFD Nordrhein-Westfalen vom 17.06.2014 ‐ S 2242‐2014/0003‐St 114, S 2242‐2014/00003‐St 115, unter III.2.).
3. Ebenso gilt dies, wenn die einen eigenen Geschäftsbetrieb von nicht ganz untergeordneter Bedeutung unterhaltende Kapitalgesellschaft als Komplementär-GmbH gemeinsam mit dem an ihr beteiligten Kommanditisten eine aus ihnen bestehende zweigliedrige GmbH & Co. KG gründet.
Normenkette
§ 4 Abs. 1 Satz 2, § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, § 3 Nr. 40 Satz 1 Buchst. a, § 3c Abs. 2 EStG, § 48 Abs. 1 Nr. 3, § 60 Abs. 3 FGO
Sachverhalt
An der Klägerin, einer GmbH & Co. KG, waren C als Kommanditist und die B-GmbH als Komplementärin beteiligt. Neben der Beteiligung an der Klägerin hielt die B-GmbH weitere Beteiligungen und verfügte zudem über erheblichen eigenen Grundbesitz.
Im Streitjahr (2002) übertrug C, der auch mehrheitlich an der B-GmbH beteiligt war, seinen Kindern jeweils Anteile an der B-GmbH. Das FA sah darin eine Entnahme der Kapitalbeteiligungen des C aus seinem Sonderbetriebsvermögen bei der Klägerin und erfasste einen laufenden Sonderbetriebsgewinn für C.
Das FG (FG Düsseldorf, Urteil vom 2.5.2019, 11 K 1232/15 F, Haufe-Index 13203219, EFG 2019, 1195) gab der hiergegen gerichteten Klage statt. Die Beteiligung des C an der B-GmbH sei bei der Klägerin kein SBV II gewesen. Da die B-GmbH neben ihren geschäftlichen Beziehungen zur Klägerin einen erheblichen eigenen Geschäftsbetrieb unterhalten habe, habe C die Beteiligung an der B-GmbH nicht im (überwiegenden) Interesse der Klägerin gehalten.
Entscheidung
Der BFH wies die Revision des FA als unbegründet zurück.
Hinweis
1. Zum Betriebsvermögen einer gewerblich tätigen bzw. gewerblich geprägten Personengesellschaft gehören neben den im Gesamthandsvermögen der Mitunternehmer stehenden Wirtschaftsgütern auch die Wirtschaftsgüter, die einem Mitunternehmer allein gehören, die jedoch geeignet und bestimmt sind, dem Betrieb der Personengesellschaft zu dienen (Sonderbetriebsvermögen I) oder die zur Begründung oder Stärkung der Beteiligung des Gesellschafters an der Personengesellschaft eingesetzt werden (Sonderbetriebsvermögen II).
Notwendiges Sonderbetriebsvermögen II ist dabei anzunehmen, wenn die dem Mitunternehmer gehörenden Wirtschaftsgüter unmittelbar zur Begründung oder Stärkung seiner Beteiligung eingesetzt werden. Ein solches Wirtschaftsgut kann auch die Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft sein.
2. Wird ein Wirtschaftsgut nicht ausschließlich zur Begründung oder Stärkung der mitunternehmerischen Beteiligung an der Personengesellschaft eingesetzt, kann auch eine außerhalb dieser Sphäre begründete Veranlassung vorliegen. So ist es gerade bei Kapitalbeteiligungen denkbar, dass sie nicht ausschließlich im Interesse der Personengesellschaft gehalten werden, sondern z.B. (auch) als Kapitalanlage. In diesem Fall ist für die Zuordnung der Kapitalbeteiligung zum notwendigen SBV II erforderlich, dass ein ganz überwiegender Veranlassungszusammenhang mit der Beteiligung an der Personengesellschaft besteht.
3. Danach gehört eine Kapitalbeteiligung in der Regel nicht zum notwendigen SBV II, wenn die Kapitalgesellschaft neben ihren geschäftlichen Beziehungen zur KG oder neben ihrer Geschäftsführertätigkeit für die KG einen eigenen Geschäftsbetrieb von nicht ganz untergeordneter Bedeutung unterhält. Denn dann ist grundsätzlich von einer Gleichrangigkeit der beiden Gesellschaften und damit auch der Interessensbereiche der daran beteiligten Gesellschafter auszugehen. Das Halten der Kapitalbeteiligung erfolgt dann regelmäßig nicht im überwiegenden Interesse der mitunternehmerischen Beteiligung und ist damit nicht überwiegend durch den Betrieb der Personengesellschaft veranlasst.
4. Für die Frage, ob der Gesellschafter die Beteiligung an der Kapitalgesellschaft vor allem mit Rücksicht auf die Belange der Personengesellschaft hält oder ob daneben auch andere Gesichtspunkte eine bedeutsame Rolle spielen, ist nicht auf die Sicht der Personengesellschaft abzustellen, sondern auf die des Gesellschafters, der sowohl an der Kapitalgesellschaft als auch an der Personengesellschaft beteiligt ist.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 21.12.2021 – IV R 15/19