Leitsatz
Ein zunächst betrieblich genutzter Gebäudeteil verliert seine Eigenschaft als Betriebsvermögen nicht dadurch, dass er zu fremden Wohnzwecken vermietet wird und sich in dem Gebäude ein weiterer zu fremden Wohnzwecken vermieteter Gebäudeteil befindet, der zum Privatvermögen gehört.
Normenkette
§ 4 Abs. 1 EStG
Sachverhalt
Der Kläger war freiberuflich tätig und ermittelte seinen Gewinn nach § 4 Abs. 3 EStG. Ein ihm gehörendes bebautes Grundstück nutzte er wie folgt: Das Erdgeschoss und das erste Geschoss zu eigenen Wohnzwecken, das dritte Geschoss zu fremden Wohnzwecken; das zweite Geschoss, das eine Zwei-Zimmer-Wohnung und einen separaten Raum umfasst, nutzte er zu eigenen beruflichen Zwecken. Ab 1993 vermietete er das zweite Geschoss zunächst zu fremdgewerblichen Zwecken; ab 1997 vermietete er die Zwei-Zimmer-Wohnung zu fremden Wohnzwecken und nutzte den separaten Raum eigenberuflich. Das zweite Geschoss behandelte er durchgehend als Betriebsvermögen.
Das FA behandelte ab der Nutzungsänderung 1997 nur noch das separate Zimmer als Betriebsvermögen. Die Zwei-Zimmer-Wohnung sah es als zwingend aus dem Betriebsvermögen entnommen an. Das FG gab der Klage statt (EFG 2003, 1149).
Entscheidung
Die Entscheidung Der BFH bestätigte die Auffassung des FG, dass eine Entnahme der Zwei-Zimmer-Wohnung als Folge der Nutzungsänderung im Jahr 1997 nicht angenommen werden könne.
Hinweis
1. Die Auffassung des FA, dass der Kläger den streitigen Gebäudeteil zwingend aus seinem Betriebsvermögen entnommen habe, stützt sich auf das BMF-Schreiben vom 1.3.1982 (FR 1982, 142). Darin ist die Frage, wie zu verfahren sei, wenn ein bisher eigenbetrieblich genutzter Gebäudeteil zum Teil einer fremdgewerblichen Nutzung zugeführt wird und der bisher schon fremdgewerblich genutzte Gebäudeteil als Privatvermögen behandelt worden ist, wie folgt beantwortet: Mit der Entscheidung, den bisher privat behandelten Gebäudeteil im Privatvermögen zu belassen, wird gleichzeitig die Entscheidung getroffen, den von der Nutzungsänderung betroffenen Anteil zu entnehmen: Die Entnahme ist mit dem Teilwert zu bewerten.
Dieser Auffassung hat der BFH mit dem Besprechungsurteil, dem ein vergleichbarer Sachverhalt zugrunde liegt, eine Absage erteilt. Es verwundert nur, dass der BFH erst nach mehr als zwanzig Jahren dazu Gelegenheit bekam. In der Literatur war die Verwaltungsauffassung sofort auf Widerstand gestoßen (vgl. Seithel in FR 1983, 598; Stuhldreier in FR 1985, 260).
2. Das besagte BFM-Schreiben geht zurück auf den Beschluss des Großen Senats des BFH zur einheitlichen steuerlichen Behandlung von Gebäudeteilen, die in einem gleichartigen Nutzungs- und Funktionszusammenhang stehen (BFH, Beschluss vom 26.11.1973, GrS 5/71, BStBl II 1974, 132). Nach dem dort betonten sog. Einheitlichkeitsgrundsatz ist es zwar unzulässig, einheitlich genutzte Gebäudeteile von vornherein teilweise dem Betriebs- und teilweise dem Privatvermögen zuzuordnen. Aus dem Einheitlichkeitsgrundsatz kann jedoch keine Zwangsentnahme abgeleitet werden, wenn – wie hier – aufgrund einer Nutzungsänderung ein bisher betrieblich genutzter Gebäudeteil nunmehr fremdvermietet wird und sich in dem Gebäude ein weiterer Gebäudeteil befindet, der ebenfalls fremdvermietet ist und als Privatvermögen behandelt wurde. Denn die Grundsätze über die Entnahme (und Einlage) von Wirtschaftsgütern sind insoweit vorrangig zu beachten.
3. Die Entnahme eines Wirtschaftsguts aus dem Betriebsvermögen setzt grundsätzlich eine Entnahmehandlung voraus. Diese kann zwar auch in einem schlüssigen Verhalten, also z.B auch in einer Nutzungsänderung des Wirtschaftsguts, bestehen. Voraussetzung ist jedoch, dass der Steuerpflichtige mit der Nutzungsänderung eine endgültige und dauerhafte außerbetriebliche Nutzung beabsichtigt hat. Deshalb kann eine Entnahme so lange nicht angenommen werden, wie der Steuerpflichtige das vermietete Grundstück weiterhin in seiner Bilanz als Betriebsvermögen ausweist und objektive Merkmale dafür fehlen, dass eine spätere Verwendung zu betrieblichen Zwecken ausgeschlossen erscheint.
Genau dies war hier der Fall. Denn der Kläger hatte die Zwei-Zimmer-Wohnung weiterhin in seinem Anlageverzeichnis als Betriebsvermögen ausgewiesen. Dass eine spätere Wiederverwendung zu eigenbetrieblichen Zwecken ausscheidet, war nicht erkennbar. Die Wohnung blieb deshalb "geduldetes" Betriebsvermögen. Auch als Einnahme-Überschuss-Ermittler konnte der Kläger gewillkürtes Betriebsvermögen haben (vgl. BFH, Urteil vom 2.10.2003, IV R 13/03, BFH-PR 2004, 52).
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 10.11.2004, XI R 31/03