OFD Berlin, Verfügung v. 10.4.2003, St 162 - G 1163a - 1/97

Das Bundesverwaltungsgericht hat aufgrund seiner Zuständigkeit in Fragen der Erhebung der Grundsteuer als oberstes Bundesgericht in den letzten Jahrzehnten die Auslegung der Vorschrift über den Erlass der Grundsteuer wegen wesentlicher Ertragsminderung (§ 33 GrStG) zum Teil, abweichend von den Verwaltungsanweisungen in den Grundsteuer-Richtlinien vom 9.12.1978 fortentwickelt. Dabei war die systematische Stellung der Grundsteuer als ertragsunabhängige Real- oder Objektsteuer, die nach dem Grundstückswert (Einheitswert) erhoben wird und deshalb auch bei ertraglosen Grundstücken anfällt, von ausschlaggebender Bedeutung. Diesen Grundsätzen folgend hat das Bundesverwaltungsgericht auch in seinem Urteil vom 4.4.2001, 11 C 12.00 (BStBl 2002 II S. 889) entschieden, dass eine Ertragsminderung, die auf Leerstand infolge eines strukturell bedingten Überangebots von Wohnungen in einer Gemeinde beruht, keinen Erlass nach § 33 GrStG rechtfertigt. Zur Anwendung dieser Rechtsprechung werden die folgenden Hinweise gegeben.

 

1. Minderung des Rohertrags

Für die Entscheidung über einen Erlassantrag gemäß § 33 GrStG ist zunächst das Vorliegen des Tatbestandsmerkmals „Minderung des normalen Rohertrags” zu prüfen. Auf die Frage des „Vertretenmüssens” der Minderung kommt es dann ggf. nicht mehr an.

Die Voraussetzungen eines Grundsteuererlasses i.S. vom § 33 GrStG können nur erfüllt sein, wenn der geringe Ertrag eines Grundstücks auf vorübergehend vorliegende Umstände zurückgeht, die im Vergleich zu den vom Gesetz erfassten Regelfällen atypisch sind (BVerwG vom 3.5.1991, 8 C 13.89).

Eine dauerhafte Ertragsminderung des Grundstücks hat demgegenüber ihre Gründe entweder in den Merkmalen des Grundstücks, denen auf der Bewertungsebene Rechnung zu tragen ist, soweit sich die tatsächlichen Verhältnisse seit der letzten Einheitswertfeststellung verändert haben (z.B. Abriss der Bebauung, Brand) und eine Wertfortschreibung in Betracht kommt (§ 33 Abs. 5 GrStG) oder in der Änderung der allgemeinen wirtschaftlichen Verhältnisse (Marktlage). Einer Fortschreibung des Einheitswerts wegen Minderung der Erträge aufgrund dieser Entwicklung der Wertverhältnisse steht bis zur Durchführung einer Hauptfeststellung der Einheitswerte die Vorschrift des § 27 BewG entgegen.

Normaler Rohertrag ist bei bebauten Grundstücken, deren Wert nach dem Bewertungsgesetz im Ertragswertverfahren zu ermitteln ist, die Jahresrohmiete, die bei einer Hauptfeststellung auf den Beginn des Erlasszeitraums maßgebend wäre. § 79 Abs. 3 BewG findet keine Anwendung (§ 33 Abs. 1 Nr. 2 GrStG).

Dabei ist jeweils von dem Ertrag auszugehen, den ein Grundstück tatsächlich erbringt, denn die erzielten Einnahmen haben die Vermutung der Normalität für sich. Erst der vom Antragsteller zu erbringende Nachweis, dass die Höhe der Einnahmen im Vergleich zu anderen Objekten atypisch niedrig und vorübergehender Natur (z.B. Mieterinsolvenz) ist, kann zur weiteren Prüfung führen.

Mietmindereinnahmen aufgrund fehlender Mieternachfrage, d.h. als Folge des Überangebots des Grundstücksmarkts und insoweit auch als ein Teil der allgemeinen wirtschaftlichen Verhältnisse in der jeweiligen Region, sind bei der Ermittlung des normalen Rohertrags zu berücksichtigen und können deshalb nicht als Minderung desselben geltend gemacht werden (BVerwG vom 4.4.2001, BStBl 2002 II S. 889, 890). Die Verhältnisse des Mietenmarktes gehören zu den allgemeinen Wertverhältnissen, die nur bei einer Hauptfeststellung berücksichtigt werden können (BFH-Urteil vom 12.3.1982, BStBl 1982 II S. 451). Die Veränderungen der allgemeinen wirtschaftlichen Verhältnisse und andere wertbeeinflussende Umstände, die bei der Hauptfeststellung des Einheitswerts eingehen, scheiden als Erlassgrund nach § 33 GrStG aus. Dieser Grundsatz gilt unabhängig von der Nutzung des Grundstücks für Wohn- oder Gewerbezwecke. Der allgemeine Leerstand von Wohn- und/oder Gewerberäumen aufgrund der Marktverhältnisse kann einen Erlass nicht begründen.

Hiermit wird auch dem Umstand Rechnung getragen, dass die o.g. Marktverhältnisse grundsätzlich alle Vermieter im jeweiligen Gemeindegebiet vergleichbar treffen und eine Sonderbelastung im Einzelfall nicht durch den Grundsteuererlass korrigiert werden muss.

 

2. Begriff des „Vertretenmüssen”

Soweit eine Rohertragsminderung nach den vorstehenden Grundsätzen zu bejahen ist, ist zu prüfen, ob der/die Steuerpflichtige die Minderung zu vertreten hat.

Der Begriff des Vertretenmüssens im Sinne von § 33 GrStG ist weit auszulegen. Er greift weiter als eine bloße Vermeidung von Vorsatz und Fahrlässigkeit im Zusammenhang mit den zur Ertragsminderung führenden Ursachen. Es ist darauf abzustellen, ob es aufgrund vorangegangenen Verhaltens des Steuerpflichtigen schlechthin unbillig wäre, die geltend gemachten ertragsmindernden Umstände bei der Grundsteuerbelastung unberücksichtigt zu lassen (FG Berlin vom 26.2.2003, 2 K 2306/99, VG Düsseldorf vom 13.5.1985, Zeitschrift für Kommunalfinan...

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