OFD Berlin, Verfügung v. 22.12.1998, St 521 - G 1163 a - 1/97
1. Entscheidungshinweise
>1.1 Vertretenmüssen der Rohertragsminderung bei Leerstand von Neubauten
1. Ein Grundsteuererlaß nach § 33 GrStG wird nur gewährt, wenn die Rohertragsminderung vom Grundstückseigentümer nicht zu vertreten ist. Ist diese Voraussetzung nicht erfüllt, bedarf die Frage, in welchem Umfang eine Minderung des Rohertrags eingetreten ist, keiner näheren Aufklärung.
2. Der Begriff des Vertretenmüssens im Sinne des § 33 GrStG ist weit auszulegen. Er greift weiter als eine bloße Vermeidung von Vorsatz und Fahrlässigkeit im Zusammenhang mit den zur Ertragsminderung führenden Ursachen. Es ist darauf abzustellen, ob es aufgrund vorangegangenen Verhaltens des Steuerpflichtigen schlechthin unbillig wäre, die geltend gemachten ertragsmindernden Umstände bei der Grundsteuerbelastung unberücksichtigt zu lassen.
3. In Berlin hat verstärkte Bautätigkeit nach der Wiedervereinigung und die Hauptstadtentscheidung zu einem erhöhten Angebot an Mietflächen – insbesondere im Bereich der Gewerbeimmobilien – geführt mit der Folge, daß nach Bezugsfertigkeit Leerstände – vielfach über mehrere Jahre – zu verzeichnen sind. Es stellt sich die Frage, ob der Grundstückseigentümer diese Leerstände zu vertreten hat.
4. Der Eigentümer hat eine Rohertragsminderung aufgrund von Leerständen in der Regel dann nicht zu vertreten, wenn er nachweist, daß eine Vermietung nicht möglich war. Bei Neubauten hat er jedoch anfängliche Rohertragsausfälle auch zu vertreten, wenn sich die Mietvorstellungen bei Vermietungsversuchen lediglich in den üblichen Bandbreiten bewegen und nicht unterhalb der Marktmiete für vergleichbare Grundstücke gelegen haben (Tz. 1.3.2). Das Abweichen von der kalkulierten Miete allein ist nicht ausreichend.
5. In Anlehnung anAbschnitt 38 Abs. 4 a Satz 3 GrStR 1978 fallen Leerstände bei Neubauten als Anfangsverluste unter das Unternehmerrisiko und sind daher vom Grundstückseigentümer zu vertreten. Denn der Grundstückseigentümer, der sich durch Neubauten im Immobilienmarkt neu engagiert hat, ist einem Unternehmer gleichzusetzen, der sich durch Neugründung oder Kapazitätsausweitung eines Betriebes neu engagiert hat. Beide sind mit ihren Dispositionen Marktrisiken ausgesetzt. § 33 Abs. 1 Satz 1 GrStG bietet keinen Anhaltspunkt dafür, daß Fehldispositionen für den Immobilienmarkt anders zu beurteilen sind als falsche Markteinschätzungen sonst. Eine Ausnahme kommt nur dann in Betracht, wenn Leerstände trotz eines Vermietungsangebots, das deutlich unterhalb der Marktmiete für vergleichbare Grundstücke liegt, zu verzeichnen sind.
6. Das den Grundsteuererlaß ausschließende Unternehmerrisiko des Grundstückseigentümers ist insbes. dann augenscheinlich, wenn es sich um großflächige Objekte handelt, für die erfahrungsgemäß eine geringere Nachfrage als für kleinflächige Objekte besteht, oder ein Objekt mit besonders hochwertiger Ausstattung vorliegt, für dessen Anmietung nur ein zahlenmäßig beschränkter Interessentenkreis in Betracht kommt.
7. Liegt bei Neubauten zur Vermeidung andauernden Leerstands eine Vermietung zu Mieten unterhalb der Marktmiete für vergleichbare Grundstücke vor (Abs. 5 letzter Satz), muß schließlich entschieden werden, ab wann die Ertragsminderung nicht mehr anlaufbedingt und damit vorübergehend, sondern in eine dauernde Minderung des Rohertrags übergegangen ist, die einen Erlaß nach § 33 GrStG schon deshalb nicht mehr rechtfertigt (BVerwG-Urteil vom 3.5.1991, 8 C 13.89 BStBl 1992 II S. 580). Es wird gebeten, von einer Anlaufzeit von längstens drei Jahren nach Bezugsfertigkeit auszugehen und auf den danach folgenden Bewertungsstichtag im Hinblick auf § 33 Abs. 5 GrStG die Einheitsbewertung zu überprüfen.
1.2 Eigengewerbliche Nutzung bei Immobiliengesellschaften
1. Bebaute Grundstücke, die im Eigentum von Immobiliengesellschaften stehen, dienen in der Regel allein der Erfüllung des gesellschaftlichen Vermietungszwecks, so daß eine eigengewerbliche Nutzung gegeben ist. Es wird ausdrücklich darauf hingewiesen, daß nach § 33 Abs. 1 Satz 2 GrStG bei eigengewerblich genutzten bebauten Grundstücken ein Anspruch auf Grundsteuerteilerlaß nur begründet wird, wenn bei Vorliegen aller übrigen Tatbestandsmerkmale die Einziehung der Grundsteuer in voller Höhe nach den wirtschaftlichen Verhältnissen des Betriebes unbillig wäre. Die wirtschaftlichen Verhältnisse sind hierbei nicht isoliert für den Steuergegenstand Grundstück, sondern im Zusammenhang des Gesamtbetriebes zu betrachten.
2. Die Einziehung der unverkürzten Grundsteuer ist nur dann nach den wirtschaftlichen Verhältnissen des Betriebs unbillig, wenn das Gesamtunternehmen im Erlaßzeitraum ein negatives Betriebsergebnis erzielt hat und die Position Grundsteuer innerhalb des Aufwands von nicht nur geringfügigem Gewicht ist (BVerwG-Urteil vom 26.5.1989, 8 C 20.97, BStBl 1989 II S. 1042). Insoweit ist die unverkürzte Grundsteuer nicht in Relation zur Höhe des Betriebsverlustes im Erlaßzeitraum, sondern in Relat...