Leitsatz
1. Nutzt ein Steuerpflichtiger, der in einem Mehrfamilienhaus wohnt, eine zusätzliche Wohnung als Arbeitszimmer, so fällt diese jedenfalls dann noch unter die Abzugsbeschränkung des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b EStG, wenn sie an die Privatwohnung unmittelbar angrenzt.
2. Die unmittelbare räumliche Nähe der zusätzlichen Wohnung begründet in einem solchen Fall die notwendige innere Verbindung mit der privaten Lebenssphäre des Steuerpflichtigen.
Normenkette
§ 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b EStG
Sachverhalt
Der Kläger (Vertriebsleiter) erzielte Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit. Er hatte bei seinem Arbeitgeber keinen Arbeitsplatz. Die Familie des Klägers bewohnt eine Wohnung im Dachgeschoss eines Mehrfamilienhauses. Ein 34 qm großes Apartment im Dachgeschoss nutzte der Kläger insgesamt als Arbeitszimmer. Beide Wohnungen wurden aufgrund eines einheitlichen Mietvertrags angemietet. Beide Wohnungen grenzen aneinander an; sie können nur jeweils vom Flur des Treppenhauses aus betreten werden.
Das FA berücksichtigte lediglich Aufwendungen für das Arbeitszimmer bzw. das angemietete Apartment i.H.v. 2.400 DM. Die Klage, mit der ein unbegrenzter Abzug der Kosten erstrebt wurde, blieb erfolglos.
Entscheidung
Der BFH bestätigte die Vorentscheidung. Das FG habe zutreffend entschieden, dass die kleinere Wohnung der häuslichen Sphäre des Klägers zuzurechnen sei. Das als Arbeitszimmer genutzte Apartment grenze direkt an die Hauptwohnung an. Weder auf der Wohnetage des Klägers noch darüber befänden sich weitere Wohneinheiten; eine Beeinträchtigung durch Fremde sei insoweit ausgeschlossen. Der Kläger wie auch sein Vermieter hätten beide Wohnungen als eine einheitliche Zusammenfassung von Räumen angesehen (einheitlicher Mietvertrag, einheitliches Entgelt u.a.).
Hinweis
1. In drei Entscheidungen (siehe auch Urteile jeweils vom 26.2.2003, VI R 125/01, BFH-PR 2003, 300; VI R 160/99, BFH-PR 2003, 301) hat der BFH geklärt, wann ein häusliches Arbeitszimmer in sog. Anmietungsfällen vorliegt.
In der Praxis sind vermehrt Fälle aufgetreten, in denen Steuerpflichtige geltend machten, die einschränkenden gesetzlichen Regelungen des häusliches Arbeitszimmers in § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b EStG könnten nicht eingreifen, wenn beruflich genutzte Räume außerhalb der eigentlichen Wohnung gelegen sind bzw. angemietet werden. Die Finanzverwaltung ging bisher davon aus, dass auch solche Arbeitszimmer noch als "häuslich" anzusehen seien, die sich zumindest noch im gleichen Haus wie die eigentliche Wohnung befinden. Dieser weiten Auslegung ist der BFH nicht beigetreten.
2. In Übereinstimmung mit der wohl überwiegenden Meinung der Finanzgerichte hat der BFH entschieden, dass ein Zusammenhang des (angemieteten) Arbeitszimmers mit dem eigentlichen Wohnbereich bestehen muss.
Ausgangspunkt der Überlegungen des BFH ist, dass mit "häuslich" nach allgemeinem Sprachgebrauch ein Umstand (Zustand) umschrieben wird, der die Familie bzw. das Zuhause betrifft. Beim häuslichen Arbeitszimmer wird demnach ein innerer Zusammenhang bzw. eine innere Verbindung mit der privaten Lebenssphäre, dem Wohnbereich des Steuerpflichtigen gefordert.
Der BFH hatte demzufolge in seinen bisherigen Entscheidungen wiederholt auf den Umstand hingewiesen, dass "die durch das häusliche Arbeitszimmer verursachten Aufwendungen eine Berührung mit der privaten Lebensführung aufweisen" müssen. Dieser Grundsatz wird in der Besprechungsentscheidung nochmals betont.
3. Hieraus ergibt sich, dass eine solche innere Verbindung bei einem Mehrfamilienhaus nicht allein deshalb vorliegt, weil sich eine als Arbeitszimmer genutzte Wohnung in demselben Haus bzw. unter demselben Dach wie die Privatwohnung des Steuerpflichtigen befindet. Damit hat sich der BFH der (auch von der Finanzverwaltung befürworteten) sog. "Dachtheorie" nicht angeschlossen. Nicht alles, was sich unter einem Dach befindet, kann folglich als "häuslich" bezeichnet werden.
4. Entscheidend ist vielmehr, ob die zusätzliche Wohnung (Arbeitszimmer) sich als zur Hauptwohnung zugehörig darstellt. Nur wenn beide eine Wohneinheit darstellen bzw. wenn die zusätzlichen Räume so in die (Gesamt-)Wohneinheit integriert sind, dass wiederum von einer "häuslichen Sphäre" gesprochen werden kann, liegt ein häusliches Arbeitszimmer i.S.d. § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b EStG vor. Ob eine solche Wohneinheit vorliegt, erfordert eine wertende Betrachtung. Für diese Gesamtbeurteilung sind – wie der BFH auch hier hervorhebt – in erster Linie die Tatsachengerichte (FG) berufen.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 26.2.2003, VI R 124/01