Dipl.-Finanzwirt Arthur Röck
Durch den zum 1.1.2020 weggefallenen § 25d UStG sollte die Haftung auf Fälle beschränkt werden, in denen vorsätzlich im Rahmen einer Steuerhinterziehung (insbesondere im Rahmen organisierter Kriminalität) Vorsteuern erschlichen werden sollten. § 25d UStG hat sich weitgehend mit der Haftung als Teilnehmer an einer Steuerhinterziehung gedeckt, sodass er zum 1.1.2020 durch § 25f UStG ersetzt wurde. Der Haftungstatbestand des § 25d UStG sollte der Bekämpfung des Umsatzsteuerbetrugs dienen (insbesondere in Form von sog. Karussellgeschäften). Dabei stellen in Absprache mit Hintermännern sog. "Strohmänner" mit Absicht über nicht erbrachte Leistungen Rechnungen mit Umsatzsteuer aus, um dem Rechnungsempfänger den Vorsteuerabzug zu ermöglichen. Der Rechnungsaussteller beabsichtigt aber – zum Schaden des Fiskus – von vornherein nicht, die ausgewiesene und geschuldete Steuer zu entrichten.
Vorsteuerbetrug bei Karussellgeschäften
Die A-GmbH machte den Vorsteuerabzug aus von der B-GmbH "angeschafften" Maschinen geltend. Die Steuerfahndung hatte u. a. festgestellt:
- Der Geschäftsführer der A-GmbH erhielt von "Anderen" jeweils die zu bestellende Marke, Menge und Preis "vorgegeben" und dass die Maschinen von der B-GmbH zu bestellen seien.
- Die B-GmbH hatte die für 4.490 EUR bezogenen Maschinen unter Wert für 4.200 EUR an die A-GmbH "weitergeliefert", die selbst für 4.300 EUR "weiterlieferte". Die Maschinen wurden "rechnungsmäßig" von England nach Deutschland und dann wieder "zurück geliefert" (sog. Umsatzsteuerkarussell). Die Geschäfte der A-GmbH entwickelten sich "aus dem Nichts heraus" zu Millionenumsätzen. Am angegebenen Geschäftssitz der B-GmbH war ein Serviceunternehmen tätig, das die Post an ein anderes Serviceunternehmen weiterleitete. Die B-GmbH gab beim Finanzamt gar keine oder Voranmeldungen mit 0 EUR ab.
In diesem Fall scheitert die vom Finanzamt häufig vorgenommene Versagung des Vorsteuerabzugs bei der A-GmbH, da dem Finanzamt insoweit der Nachweis für das Vorliegen eines Scheingeschäfts seitens der B-GmbH nicht möglich ist. Beim Rechnungsaussteller ist hier i. d. R. die Umsatzsteuer nicht eintreibbar. Daher soll die Haftungsnorm des § 25d UStG es ermöglichen, die in der Rechnungskette folgenden unternehmerischen Leistungs- und Rechnungsempfänger in Haftung zu nehmen.
Der Leistungsempfänger haftet nach § 25d UStG für die vom Leistenden geschuldete Umsatzsteuer,
- wenn die aus einem vorangegangenen Umsatz geschuldete Umsatzsteuer nicht entrichtet wurde. Vorangegangener Umsatz ist auch ein Umsatz auf den Vorstufen, nicht nur der unmittelbare Eingangsumsatz des Unternehmers,
- soweit die Umsatzsteuer in einer Rechnung i. S. d. § 14 UStG gesondert ausgewiesen ist,
- der Rechnungsaussteller diese entsprechend seiner vorgefassten Absicht nicht entrichtet oder sich vorsätzlich außerstande gesetzt hat, die ausgewiesene Umsatzsteuer zu entrichten, und
- der Leistungsempfänger bei Abschluss des Vertrags über seinen Eingangsumsatz hiervon Kenntnis hatte oder nach der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns hätte haben müssen.
Von einer Kenntnis bzw. dem Kennenmüssen des Leistungsempfängers ist insbesondere bei folgenden Voraussetzungen auszugehen (sog. Vermutungsregelung des § 25d Abs. 2 UStG):
- Der Leistungsempfänger stellt für seinen (dem Eingangsumsatz nachfolgenden) Umsatz einen Preis in Rechnung, der zum Zeitpunkt des Umsatzes unter dem marktüblichen Preis liegt, oder
- der dem Leistungsempfänger in Rechnung gestellte Preis liegt unter dem marktüblichen Preis, oder
- der dem Leistungsempfänger in Rechnung gestellte Preis liegt unter dem Preis, der seinem Lieferanten oder anderen Lieferanten, die am Erwerb der Ware beteiligt waren, in Rechnung gestellt wurde.
Marktüblicher Preis
Marktüblich ist nach Auffassung der Verwaltung ein Preis, der im gewöhnlichen Geschäftsverkehr unter fremden Dritten unter Berücksichtigung der Handelsstufe üblicherweise realisiert wird.
Weist der potenzielle Haftungsschuldner im Rahmen der gebotenen Anhörung dem Finanzamt eine betriebswirtschaftlich begründete Preisgestaltung nach, kann eine Haftung nur noch in Betracht kommen, wenn er tatsächlich Kenntnis von der Nichtentrichtung der Steuer auf einer vorangegangenen Stufe hatte. Hiermit wird den Interessen der steuerehrlichen Unternehmen Rechnung getragen. Die Darlegungs- und Feststellungslast liegt grundsätzlich bei dem für den Erlass des Haftungsbescheides zuständigen Finanzamt. Es dürfte daher der Verwaltung insbesondere schwer fallen, die Kenntnis bzw. das Kennenmüssen des Leistungsempfängers nachzuweisen, die sich auf die ihm vorangegangenen Umsätze bezieht.
Bis zum Abschluss der Prüfung, ob die Voraussetzungen für den Erlass eines Haftungsbescheids vorliegen, kann die Zustimmung zu einer Steueranmeldung zur Umsatzsteuer i. S. v. § 168 Satz 2 AO versagt werden. Der Haftungsschuldner darf auf Zahlung auch in Anspruch genommen werden, ohne dass die Vollstreckung in das bewegliche Vermögen des Ausstellers der Rechnung ohn...