Leitsatz
1. Eine Gemeinde haftet als Aussteller einer unrichtigen Spendenbestätigung für die entgangene Steuer gem. § 10b Abs. 4 Satz 2 EStG, wenn einer ihrer Amtsträger in grob fahrlässiger Weise die unrichtige Bestätigung erstellt hat.
2. Ein Amtsträger, der für eine Gemeinde als sog. Durchlaufstelle Spendenbestätigungen erstellt und/oder unterschreibt, handelt grob fahrlässig, wenn er bestätigt, dass eine Spende zu besonders förderungswürdigen gemeinnützigen Zwecken verwendet wird, ohne vorher zu prüfen, ob dem Verein, dem die Spende zukommen soll, ein Freistellungsbescheid oder eine vorläufige Bescheinigung über die Gemeinnützigkeit erteilt worden ist.
Normenkette
§ 10b Abs. 4 EStG
Sachverhalt
Die Klägerin, eine Gemeinde mit ca. 3 000 Einwohnern, hat als Durchlaufstelle eine Vielzahl an Spenden entgegengenommen und an insgesamt sieben Vereine weitergeleitet. Den Spendern wurden dafür Spendenbestätigungen ausgestellt, die vom Kassenverwalter vorbereitet und vom ersten oder zweiten Bürgermeister unterschrieben worden waren. Im Zeitpunkt der Ausstellung der Bescheinigungen war jedoch keiner der Vereine vom FA als gemeinnützig anerkannt.
Das FA erließ gegen die Klägerin einen Haftungsbescheid in Höhe von 40 % der Gesamtsumme der gespendeten Beträge. Das FG wies die dagegen erhobene Klage ab.
Entscheidung
Der BFH bestätigte die Auffassung des FG, dass der Haftungsbescheid nicht zu beanstanden ist. Die Gemeinde habe – vertreten durch ihre Amtsträger – unrichtige Spendenbestätigungen erteilt und hafte dafür als Aussteller. Die Amtsträger hätten bei der Ausstellung der Spendenbestätigungen ihre Amtspflichten grob fahrlässig verletzt, weil sie nicht geprüft haben, ob die Vereine als gemeinnützig anerkannt seien.
Hinweis
1. Mit dem Vereinsförderungsgesetz vom 18.12. 1989 ist das Spendenrecht im Rahmen der damals laufenden Parteispendenprozesse neu geregelt worden. Seitdem kann sich bei allen ab 1990 geleisteten Spenden (auch bei sog. Durchlaufspenden und bei Spenden an politische Parteien) der gutgläubige Spender auf die Richtigkeit einer ihm ausgestellten Spendenbestätigung berufen. Um eventuelle dadurch eintretende Steuerausfälle zu kompensieren, hat der Gesetzgeber gleichzeitig zwei neue Haftungstatbestände in § 10b Abs. 4 Satz 2 EStG eingeführt.
Danach haftet für die entgangene Steuer, wer vorsätzlich oder fahrlässig eine unrichtige Bestätigung über Spenden ausstellt (Ausstellerhaftung) oder wer veranlasst, dass Zuwendungen nicht zu den in der Bestätigung angegebenen steuerbegünstigten Zwecken verwendet werden (Veranlasserhaftung).
Während die Ausstellerhaftung ein schuldhaftes Verhalten erfordert, haftet derjenige, der eine zweckfremde Verwendung von Spendenmitteln veranlasst, verschuldensunabhängig in Form einer Gefährdungshaftung.
2. Wer im Durchlaufspendenverfahren (das zwischenzeitlich mit Wirkung ab dem VZ 2000 abgeschafft worden ist) als Aussteller einer Spendenbestätigung anzusehen ist – die als Durchlaufstelle fungierende öffentlich-rechtliche Körperschaft oder die natürliche Person, die für diese Körperschaft den Spendenvordruck ausfüllt –, wird in der Literatur unterschiedlich beantwortet. Nach Auffassung des BFH kommt als Aussteller allein die spendenempfangsberechtigte Körperschaft als solche in Betracht, weil nur sie im Rahmen ihrer Empfangsberechtigung die Richtigkeit der Bestätigung zu verantworten hat. Das ergebe sich auch aus der Regelung in § 48 Abs. 3 Nr. 1 EStDV a.F., wonach Empfänger der Zuwendungen nur eine juristische Person des öffentlichen Rechts oder eine öffentliche Dienststelle sein kann.
3. Der Grad des Verschuldens bei der Ausstellung der unrichtigen Spendenbestätigung wird natürlich gemessen am Verhalten der für die Gemeinde handelnden natürlichen Personen. Hier hat der BFH ein grobes Verschulden darin gesehen, dass die verantwortlichen Amtsträger vor der Ausstellung der Bestätigung nicht nachgeprüft haben, ob den Vereinen, denen die Spenden zugedacht waren, die Gemeinnützigkeit vom FA zuerkannt worden war.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 24.4.2002, XI R 123/96